loyal-Ausgabe April 2025
Ami is going home
Editorial von Chefredakteur André Uzulis
Um es vorwegzunehmen: Dieses Editorial wird ein persönliches. Ich bin Jahrgang 1965, im Westen geboren und mit den USA aufgewachsen. Amerika hat mich mein Leben lang begleitet – medial, kulturell, politisch. Es waren zunächst Fernsehserien, die mir ein Bild von Amerika vermittelten: Bonanza, Die Straßen von San Francisco, Die Waltons – und allen voran: Raumschiff Enterprise. Diese, eine ganze Generation prägende Serie stand für die ur-amerikanische Idee der Weite und Unbegrenztheit, die es zu entdecken und zu erkunden gilt. Der Titel des amerikanischen Originals verdeutlicht dieses Streben: Star Trek. Der Trek der Amerikaner gen Westen endete nicht am Pazifik, sondern wird im 23. Jahrhundert in den unendlichen Weiten des Weltraums fortgesetzt. Er wird im Star-Trek-Universum durch Integration aller möglichen Lebensformen vom Vulkanier bis zu den Erzfeinden der Menschen, den Klingonen, unter der Idee der Freiheit auf eine höhere metaphysische Ebene gehoben – faszinierend. Die Kombination aus Weitersetzen der Grenzen, auch der eigenen, persönlichen, und dem Recht auf Glück (Konzept des Pursuit of Happyness in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung) war und ist für mich überzeugend.
Dann habe ich die großartige amerikanische Literatur kennengelernt: erst Coopers „Lederstrumpf“ und Beecher Stowes „Onkel Toms Hütte“, später Poe, T. S. Eliot, Melville, Scott Fitzgerald, Faulkner, Capote, Hemingway, Steinbeck, Roth und viele mehr. Die Musik kam hinzu: Jazz, Bigband, Gershwin, Elvis, Rock ’n‘ Roll. Die technischen Leistungen der Amerikaner: ein einziges Staunen. Unvergessen die Mondlandung. Ich habe das Land bereist, mir seine Geschichte erschlossen. Meine beiden Söhne haben in New Mexico und Indiana ein Highschool-Jahr absolviert und in Familien gelebt, in denen sie nicht nur zu Gast, sondern zu Hause waren. Lebenslange Freundschaften sind entstanden.
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Amerika war für mich der Garant für unseren Frieden in Westeuropa angesichts der Bedrohung durch die Sowjets, die nur ein paar Kilometer von meiner Heimatstadt Hannover gleich hinter der innerdeutschen Grenze standen. Den 11. September 2001 empfand ich als einen Anschlag auf uns alle, auf unsere Lebensweise und Freiheit. Solidarität mit Amerika. Aber auch das: Ich bin oft genug an der Politik der USA verzweifelt – an ihrer Unterstützung von Diktaturen in Lateinamerika, an der Benachteiligung von Minderheiten, am Einmarsch in Grenada, an den Kriegen im Irak und in Afghanistan, an Guantanamo. Aber das prinzipielle Vertrauen in diese großartige Nation ging mir nie verloren. Bis Donald Trump kam.
Mit ihm werden die feuchten Träume der deutschen Linken wahr, die einst Sitzblockaden in Mutlangen veranstalteten, Massendemonstrationen im Bonner Hofgarten gegen den NATO-Doppelbeschluss organisierten und schrien: Ami go home! Eine Generation später haben sie ihr Ziel erreicht: Ami is going home. Er will nichts mehr von uns wissen. Trump verachtet Europa. Dass ein Präsident im Weißen Haus handelt, als sei er ein Agent Moskaus, ist ein Bruch mit allem, was mir Amerika je bedeutet hat. So richtig verarbeitet habe ich diese epochale Veränderung zugegebenermaßen noch nicht.
Der letzte US-Präsident, der einem Diktator im Kreml an den Lippen hing, war Franklin D. Roosevelt. Auf den Konferenzen von Teheran und Jalta 1944 und 1945 war er von Stalin so bezaubert, wie es heute Trump von Putin ist. Roosevelt hat das abgrundtiefe Böse in Stalins Wesen – anders als Churchill – nie begriffen. Trump wiederum erkennt nicht Putins Gewalttätigkeit. Er durchschaut nichts. Das Ergebnis von Roosevelts Russland-Politik im gemeinsamen Niederringen der NS-Diktatur war eine 40 Jahre andauernde Aufteilung und Spaltung Europas. Stalin hat nie daran gedacht, Polen und das Baltikum wieder herzugeben, das ihm im Hitler-Stalin-Pakt zugefallen war. Roosevelt überließ diesen Teil Europas den Sowjets. Geschichte wiederholt sich nicht, aber die Parallelen sind manchmal erschreckend.
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