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loyal-Ausgabe Dezember 2022




Schlachtfeld hohe See

von André Uzulis

Mit der globalen Konfrontation zwischen den USA, China und Russland wächst die Bedeutung der Marinen der Großmächte. Ein Relikt des vergangenen Jahrhunderts könnte wiederkehren: die große Seeschlacht.

Einige Tage vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine am 24. Februar konnten die Bewohner Istanbuls die Durchfahrt eines halben Dutzends russischer Landungsschiffe und mehrerer U-Boote durch den Bosporus, der Meerenge zwischen dem europäischen und dem asiatischen Teil der Türkei, beobachten. Die Schiffe waren nicht die einzigen, die bereits seit geraumer Zeit die russische Schwarzmeerflotte verstärkten. Sie kamen aus der Arktis und dem Pazifik, es handelte sich neben den U-Booten und den Landungsschiffen vor allem um mit Raketen bewaffnete Korvetten. Auffällig waren die vielen Hilfsschiffe, die üblicherweise nicht für Manöver – wie vom Kreml lange Zeit behauptet – verwendet werden, sondern für die Reparatur von Kampfschäden.
Experten wie dem Sicherheitsanalysten H.I. Sutton wurde deshalb schon vor Kriegsausbruch klar, dass Zusammensetzung und Positionierung der russischen Einheiten vor der Küste der Ukraine für einen großflächigen Angriff sprechen. Sutton unterhält den Marine-Blog „Covert Shores“ (Versteckte Ufer), der als einer der besten seiner Art gilt. Ihm fiel auch die ungewöhnlich dichte Konzentration von russischen Kriegsschiffen im östlichen Mittelmeer auf – offensichtlich, um eine mögliche Einmischung der NATO in den Krieg gegen die Ukraine zu verhindern.

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Der Flottenaufmarsch dieser spezialisierten Schiffe diente offenkundig der strategischen Verstärkung der russischen Invasion ins Nachbarland von der Seeseite aus und der Versorgung von im Kriegsverlauf entstehenden Brückenköpfen an der ukrainischen Küste. Damit erfüllen diese Einheiten der russischen Marine eine inzwischen klassisch gewordene Funktion moderner Seestreitkräfte: Unterstützung von Operationen an Land, den so genannten Joint Operations, auch Strike Operations genannt. An den Landkriegen der vergangenen Jahrzehnte war so gut wie immer auch die Marine beteiligt – sei es, indem sie Landziele beschoss, den küstennahen Luftraum überwachte, Landungsoperationen durchführte oder den Nachschub über See sicherstellte. Umso empfindlicher traf es die Russen, als es der Ukraine gelang, am 14. April ausgerechnet das Flaggschiff der russischen Schwarzmeerflotte, den Lenkwaffenkreuzer „Moskwa“, mit zwei Treffern von „Neptun“-Anti-Schiffs-Raketen zu versenken.

Von Anbeginn der historischen Aufzeichnung spielten Seestreitkräfte eine herausragende Rolle. In der Seeschlacht von Salamis 480 v. Chr., der größten in der Antike, fochten die alten Griechen und die Perser einen Kampf um die Vormacht im Mittelmeerraum aus. Diese Schlacht war so bedeutend, dass Historiker in ihr geradezu das Zentralereignis der abendländischen Geschichte sehen, das dazu führte, dass Europas Zivilisation sich gegen die des Ostens behauptete. Auch der Konflikt zwischen dem Römischen Reich und Karthago wurde auf See entschieden. 1588 begann der Aufstieg Englands zum weltweiten Imperium mit der Vernichtung der spanischen Armada durch die englische Flotte. 1805 schlugen die Briten in der Seeschlacht bei Trafalgar die Franzosen und sicherten sich für hundert Jahre die Vorherrschaft auf den Weltmeeren.

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