loyal-Ausgabe Februar 2025
Drei Prozent plus X
Editorial von Chefredakteur André Uzulis
Zum Jahresbeginn hatte der neue NATO-Generalsekretär Mark Rutte eine Überraschung für die Mitglieder des Nordatlantischen Bündnisses parat: Die Verteidigungsausgaben sollen für jedes Land auf „nördlich von drei Prozent“ des Bruttoinlandsprodukts steigen, wie Rutte bei einer Anhörung im Europäischen Parlament sagte. Heißt: Drei Prozent plus X. Abgestimmt war das nicht, aber es scheint, dass Rutte beim NATO-Gipfel Ende Juni in Den Haag ein neues, deutlich höheres Ausgabenziel festlegen will. Denn: Die bisher vereinbarten zwei Prozent der Wirtschaftskraft reichen angesichts der russischen Aggression gegen die Ukraine und den Rest Europas nicht mehr aus.
Momentan geht es bei dieser Frage zu, wie auf dem Basar oder – besser noch – einer Auktion. Motto: Wer bietet mehr? Der Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck hat 3,5 Prozent vorgeschlagen, die FDP-Verteidigungsexpertin Agnes Strack-Zimmermann hält drei Prozent für ausreichend, Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz will bei den bisherigen zwei Prozent bleiben. Und der neue US-Präsident Donald Trump verlangt fünf Prozent.
Fünf Prozent für Verteidigung würden bedeuten, dass Deutschland 40 Prozent seines Bundeshaushalts in Verteidigung steckt. Das scheint utopisch. Im vergangenen Jahr hat die Bundesrepublik 2,1 Prozent für Verteidigung ausgegeben und damit die geltende Verpflichtung gegenüber der NATO gerade so erfüllt – allerdings nur dank des Sondervermögens für die Bundeswehr. In absoluten Zahlen waren das zuletzt 90 Milliarden Euro. Doch das Sondervermögen wird 2028 ausgeschöpft sein. Und dann? Sollte sich die NATO im Sommer tatsächlich auf die drei Prozent plus X festlegen, die Generalsekretär Rutte vorschweben, würde dies eine Steigerung des deutschen Wehretats um 43 Milliarden Euro bedeuten. Woher selbst die kommen sollen, weiß niemand.
Dass deutlich höhere Summen für Verteidigung keine Fantastereien sein müssen, zeigt indes Litauen. Das baltische Land hat kürzlich angekündigt, seine Verteidigungsausgaben bis 2030 auf fünf Prozent der Wirtschaftskraft zu steigern – also auf den Wert, den US-Präsident Trump verlangt. Der litauische Außenminister Kestutis Budrys forderte die NATO-Verbündeten auf, dem Beispiel seines Landes zu folgen. Das kann man selbstbewusst nennen oder verwegen. Das Beispiel Litauen macht jedenfalls deutlich, was möglich ist, wenn man die russische Bedrohung wirklich ernst nimmt und Prioritäten setzt. So wie Finnland beweist, wie man angesichts des imperialistischen Nachbarn eine riesige Reserve und einen wirksamen Zivilschutz unterhält.
In Deutschland ist die Wahrnehmung in Bezug auf die Gefahr aus dem Osten immer noch eine andere. Die deutsche Politik meint – von einigen Mahnern abgesehen -, mit lauwarmen Maßnahmen davonzukommen. Das aber wird nicht mehr ausreichen. Die Entschlossenheit der Skandinavier und der Balten in Sachen Verteidigung wird hoentlich die neue Bundesregierung anregen. Hinzu wird Druck aus Washington kommen. Und das ist gut so. Der Begri Kriegstüchtigkeit muss endlich ernst genommen werden.
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