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loyal-Ausgabe Juni 2023




Anspruch und Wirklichkeit

von Björn Müller

Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine wollen die Europäer zügig ihre Rüstung hochfahren, um ernstzunehmende militärische Schlagkraft aufzubauen. Ein zentraler Akteur dafür ist Deutschland. Doch das Beschaffungswesen der Bundesrepublik war noch nie darauf ausgelegt, konsequent kampffähige Streitkräfte auszustatten. Im Vordergrund steht etwas anderes: ökonomische und fiskalische Effizienz – die Rüstungsmittel sollen passgenau nach den Haushaltsvorgaben ausgegeben werden. Zentraler Prüfer der Rüstungsagenda ist ein Rechnungshof, und nicht etwa eine Institution, die eine effiziente Umsetzung militärischer Fähigkeiten im Blick hat. Was das deutsche Vergaberecht auszeichnet, ist juristische Überprüfbarkeit und die Aufteilung von Rüstungsvorhaben in Kleinstlose für einen maximalen und fairen Wettbewerb.

Die EU fand das einst so überzeugend, dass sie dieses Vergabedesign made in Germany für Europa schrittweise übernahm. Allerdings gilt das deutsche Beschaffungswesen schon länger als ein Ballast für eine zügige Rüstung. Ausnahmen wären nach EU-Recht schon möglich, doch die fallen der hiesigen Beschaffungsbürokratie schwer.

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Mit einem „Beschaffungsbeschleunigungsgesetz“ will die Regierung seit Sommer 2022 für mehr Tempo bei der Rüstung sorgen. Unter anderem, indem es die Lossplittung aufhebt und Klagemöglichkeiten einschränkt. Bemerkbar gemacht hat sich das noch nicht. Das hat einen Grund. Für die ungeduldige Öffentlichkeit wird die Ambition Tempo zu machen betont; doch daneben wird gleichzeitig versucht, verstärkt gemeinsam mit Partnern in Europa zu rüsten. Das ist sinnvoll mit Blick auf europäische Wehrkraft, beißt sich aber mit dem Tempo-Anspruch – denn europäisch heißt auch immer Abstimmung und damit Entschleunigung. Bundeswehr-Chefrüster Vizeadmiral Carsten Stawitzki äußerte beim Streitkräfte-Interviewformat „Nachgefragt“ im Juli vergangenen Jahres, er suche mit seinen Kollegen bei den NATO- und EU-Armeen nun stetig nach „Harmonisierungspotenzial“, um gemeinsam ordern zu können. Bis dato zeichnet sich erst ein Vertragswerk in diese Richtung ab: ein Rahmenvertrag zur multilateralen Leopard-2-Beschaffung mit Fokus auf den Partner Niederlande.

Denn die Europäer haben ihre Streitkräfteprofile über Jahrzehnte so zerfasert, dass sich Potenziale nur schwer harmonisieren lassen. Deutsche und Niederländer stellten über die Lieferung ihrer Panzerhaubitzen 2000 an die Ukraine fest, dass die Ukrainer im Gefecht nicht einfach deutsche 155-mm-Geschosse in niederländischen Haubitzen nutzen können und umgekehrt. Denn trotz gleichen Kalibers müssen die Granaten im jeweils anderen Feuerleitrechner stets neu kalibriert werden.

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