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loyal-Ausgabe Juni 2024




Grundrecht auf Verteidigung

Editorial von Chefredakteur André Uzulis

Eine zu Unrecht wenig beachtete Meldung aus den vergangenen Wochen könnte noch hohe Wellen schlagen. Eine Gruppe von Rechtsanwälten will vom Bundesverfassungsgericht klären lassen, ob es ein Grundrecht des Einzelnen auf Verteidigung durch den Staat gibt. Im Grundgesetz heißt es in Artikel 87a Absatz 1, dass der Bund zur Verteidigung Streitkräfte aufstellt. Damit schreibt unsere bewährte Verfassung, die soeben 75 Jahre alt geworden ist, eine der vornehmsten Aufgaben des Staates überhaupt, nämlich die Gewährleistung äußerer Sicherheit, fest. Und das zu Recht: Äußere Sicherheit ist die grundlegende Voraussetzung dafür, dass es überhaupt einen Staat gibt.

Doch noch nie ist konkret gefragt worden, was die 1968 ins Grundgesetz gekommene Wendung „Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf“ eigentlich genau bedeutet. Die Spannweite der Auslegung dürfte von einer symbolischen Truppe von ein paar tausend Soldaten bis zu einem hochgerüsteten Massenheer reichen. In Zeiten des Kalten Krieges war allen verantwortlichen Politikern in der Bundesrepublik klar, dass mit dem Satz nur eine Armee gemeint sein konnte, die im Ernstfall dem angreifenden Warschauer Pakt real etwas entgegenzusetzen gehabt hätte. Entsprechend machtvoll und gut ausgerüstet war die Bundeswehr damals – die stärkste konventionelle Streitmacht der NATO in Europa.

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Das hat sich in 30 Jahren Friedensdividende nach der deutschen Wiedervereinigung 1989/1990 dramatisch geändert. Die Bundeswehr verkam in den vergangenen Jahrzehnten zu einem finanzpolitischen Steinbruch, in dessen Trümmern wir heute stehen. Jeder, der sich halbwegs mit unseren Streitkräften auskennt, weiß, dass sie momentan nicht in der Lage sind, Deutschland wirksam zu verteidigen. Der Zustand der Bundeswehr ist sowohl personell als auch materiell eine Katastrophe. Aber ist das auch ein Verstoß gegen die Verfassung? Besteht ein verfassungsrechtlicher Individualanspruch auf eine funktionsfähige Verteidigung? Um diese Frage geht es den Rechtsanwälten. Sie ist keineswegs etwas für juristische Feinschmecker, sondern ihre Beantwortung hätte womöglich konkrete und sehr weitreichende Auswirkungen auf die Finanzierung der Bundeswehr.

Mit seiner Entscheidung zum Klimaschutz hat das Verfassungsgericht 2021 das Tor für solche Fragen weit aufgemacht. Damals haben die Richter einen Schutzanspruch des Einzelnen gegenüber den Gefahren des Klimawandels hergeleitet – einen Schutzanspruch, den der Staat einlösen muss. Daraus folgt, dass der Staat verpflichtet ist, Präventionsmaßnahmen gegen Klimagefahren vorzunehmen. Ein Rechtsanspruch des Einzelnen auf Verteidigung durch den Staat (und eine entsprechende Ausstattung der Bundeswehr) ist nicht weniger offenkundig als der Schutz vor den Gefahren durch den Klimawandel.

Deshalb darf man gespannt sein, ob Karlsruhe sich dieser Frage annimmt und, wenn ja, wie das Gericht dann entscheiden wird. Sollte ein Urteil analog zum Klimaschutzurteil ergehen, kann sich die Politik warm anziehen. Dann wäre der aktuelle desolate Zustand der Bundeswehr ein Verfassungsbruch, der behoben werden müsste. In der Folge müsste die Bundeswehr endlich das bekommen, was sie zur Verteidigung unseres Landes braucht. Und das ist nicht wenig.


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