loyal – Das Titel-Thema Januar 2008
Seit Jahren dienen die Streitkräfte dem Staat als Steinbruch. Immer mehr Einsätzen steht ein immer stärkerer Sparzwang gegenüber, und dies bei gleichzeitiger Reform der Truppe von Grund auf. Den Preis dafür zahlt die Bundeswehr: Sie ist unterfinanziert, rückständig und überlastet, zugleich ineffizient. Eine Wehretat-Erhöhung soll jetzt Abhilfe schaffen.
Der Luftwaffen-Airbus „Hans Grade“ kreiste schon eine Stunde über Sarajevo, als sich der Kapitän über Bordlautsprecher aus dem Cockpit meldete. „Sehr geehrter Herr Minister“, sagte er, „am Boden herrscht dichter Nebel und eine Wetterbesserung ist auf absehbare Zeit nicht zu erwarten. Wir können leider nicht landen.“ Franz Josef Jung hatte es sich auf einem Fensterplatz in der ersten Reihe bequem gemacht und nahm die Nachricht äußerlich gelassen auf. Seit seinem Amtsantritt vor zwei Jahren ist er Kummer gewöhnt. Doch den Tag hätte der Bundesverteidigungsminister schon gern in der bosnischen Hauptstadt verbracht. Schließlich gab es einen erfreulichen Anlass. Er sollte das Bundeswehr-Feldlager Rajlovac an die Streitkräfte des jungen Bosnien-Herzegowina übergeben. Elf Jahre lang war das Camp vor den Toren der ehemaligen Olympiastadt vorübergehende Heimat von insgesamt 75000 deutschen Soldaten. Mehr als 20 Millionen Euro hatte die Bundesrepublik in Rajlovac in Straßen und Gebäude investiert, eine erkleckliche Summe und ein dicker virtueller Scheck, den Jung an diesem Dezembertag freudig hätte überreichen wollen.
Daraus wurde nichts, doch der deutsche Verteidigungsminister hat eigentlich ohnehin nichts zu verschenken. An allen Ecken und Enden fehlt seiner Truppe das Geld, und das inzwischen seit Jahren. Jeder Euro muss zweimal umgedreht werden, ehe er ausgegeben werden kann. Die Streitkräfte leben von der Hand in den Mund, kritisiert der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Reinhold Robbe (siehe Interview Seite 15). Ähnlich wie er äußern sich auch immer wieder ranghohe Militärs, häufig jedoch nur in internen Zirkeln. Dabei sind die vom Geldmangel verursachten Missstände seit Jahren sichtbar und zumindest den Wehrpolitikern hinlänglich bekannt. Die Bundeswehr, Steinbruch der deutschen Finanzpolitik, ist unterfinanziert, rückständig und überlastet, zugleich ineffizient. Doch nicht nur das: Sie erfährt den größten Umbau ihrer Geschichte und steht zugleich in mehreren Einsätzen. Das konnte nicht ohne Folgen bleiben. Der jahrelange Sparzwang hat die die Streitkräfte in eine gefährliche Schieflage gebracht. Die Bundesregierung hat das inzwischen erkannt. Erstmals seit der Wiedervereinigung wird der Wehretat in diesem Jahr signifikant erhöht: um eine Milliarde auf 29,5 Milliarden Euro. Und über die kommenden drei, vier Jahre verteilt, soll es eine weitere Milliarde mehr für die Truppe geben.