loyal – Das Titel-Thema Juli / August 2008
Im Kampf um qualifizierten Nachwuchs preist die Bundeswehr den Offizierberuf gern als einen Job wie jeder andere auch an. Doch er ist alles andere als das. Der Militärdienst wird immer komplexer, die künftigen Truppenführer sind mit wachsenden Anforderungen konfrontiert. Dabei sollen sie am besten Akademiker, Manager, Erzieher und Kämpfer zugleich sein.
Knapp 24 Stunden sind die Mitglieder der Crew „VII/07“ auf den Beinen, einigen von ihnen sind die Strapazen der Nacht deutlich anzusehen. Die Augen von Müdigkeit gerötet, die Beine schwer und die Arme schlapp, quälen sie sich am Morgen dem letzten Abschnitt der Übung entgegen. In Gruppen von sieben, acht Soldaten mussten sie zuvor elf Stationen anlaufen und dort verschiedene Aufgaben an Land und auf See erfüllen. Dazwischen lag ein Zehn-Kilometer-Marsch von Flensburg-Mürwik nach Glücksburg und zurück, auf dem Rücken den zehn Kilogramm schweren Kampfrucksack, auf den Schultern ein sperriges und lästiges Rundholz, das die Soldaten die gesamte Zeit mitschleppten. „Das trägt zur Willensbildung bei“, sagen die Ausbilder. Sie wollen, dass die hohe physische und psychische Belastung die Offizieranwärter (OA) des Jahrgangs 2007 zusammenschweißt und dass die Soldaten erkennen, diesen Test nur gemeinsam meistern zu können. „Die Marine braucht keine Einzelkämpfer“, sagt Flottillenadmiral Jürgen Mannhardt, Kommandeur der Marineschule. „Wer bei uns nicht teamfähig ist, hat als Offizier keine Zukunft.“
Das erste Dienstjahr liegt fast hinter den jungen Soldaten, in zwei Wochen bekommen sie während einer feierlichen Zeremonie ihr Offizierpatent überreicht. Doch der Weg zum Seekadetten führt zuvor über diese 24-Stunden-Übung, von der Marineschule etwas sperrig mit dem Begriff „Menschenführung in praxisorientierten Situationen“ überschrieben.
Die 19-jährige Obergefreite Pauline Prönnicke hat die abschließende Aufgabe erhalten, mit ihrer Gruppe ein vor der Küste treibendes Fischerboot zu überprüfen. Piraten, erfährt sie von den Ausbildern, hätten es zuvor überfallen und ausgeraubt. Im Hafen der Marineschule liegt ein Ruderboot, eine letzte Kraftanstrengung für Prönnicke und ihre Gruppe. Sie „pullen“ hinaus auf die Flensburger Förde und entern das Fischerboot, in dem sie einen schwer verletzten Mann finden. Sie ziehen ihn in ihren Kutter hinüber, und obwohl das Wetter zu früher Stunde prächtig und die See ruhig ist, wird seine Bergung durch die unerfahrenen Soldaten für den leidenden Fischer zur Tortour. Doch Rettungseinsätze dieser Art kommen vor im heutigen Einsatzalltag deutscher Seestreitkräfte, ob sie am Horn von Afrika oder vor dem Libanon patrouillieren. Pauline Prönnicke weiß das nur zu gut, sie ist in einer Soldatenfamilie groß geworden, ihr Vater dient der Bundeswehr seit sechzehn Jahren als Verbindungsunteroffizier zur französischen Marine im Atlantikhafen von Brest. Sie ist unzufrieden mit dem Verlauf der Verletztenbergung ihrer Gruppe, die Ausbilder werden anschließend einige handwerkliche Fehler bemängeln. Doch die Obergefreite OA lernt ja erst.