loyal-Titelthema der Ausgabe April 2018
Fernspäher sollen herausfinden, wer in der Wüste das Sagen hat. Und fahren mitten hinein in ein Terroristengebiet. Eine „Heron“-Besatzung soll einen Konvoi aus der Luft beschützen. Und muss ihn erst einmal stundenlang in der Sahara suchen. Eine Reportage über den Bundeswehreinsatz in Nordmali
Operation „Heimdall“
aus Gao von Marco Seliger
Operation „Heimdall“ beginnt mit einer Panne. Hinter der Ausfahrt von Camp Castor laden Soldaten die Waffen auf ihren gepanzerten Fahrzeugen durch. Es sind letzte Vorbereitungen auf eine Patrouille durch ein Terroristengebiet, eine Operation, die ihre Vorgesetzten nach einem Gott in der nordischen Mythologie benannt haben. Noch ist die Luft kühl und klar. In einer Stunde aber, wenn die Sonne aufgeht, wird sie voller rotem Wüstensand sein. Er gelangt überall hin, immer wieder aufs Neue auch in die Waffen. „Das MG streikt“, sagt der Chef leise und blickt nach oben auf eines der Fahrzeuge, wo sich ein Soldat im Licht einer Taschenlampe an einem Maschinengewehr zu schaffen macht. „Wahrscheinlich hat der Sand die elektronische Steuerung lahmgelegt.“ Dann steckt er sich eine Zigarette in den Mund, kurz erhellt der Schein des Feuerzeugs sein Gesicht. Der Fahrer sitzt startbereit am Lenkrad und flucht über die Verzögerung: „Das kotzt mich an.“
Ein Februartag in Gao, Nordmali, ein Fernspähzug aus dem niedersächsischen Seedorf kämpft noch mit den Schwierigkeiten der Anfangsphase. Seit zwei Wochen ist der Chef mit 120 Männern der Luftlandaufklärungskompanie 310 hier. Sie gehören zu gut 800 deutschen Soldaten, die seit zwei Jahren am Rand der Sahara im Einsatz für die Vereinten Nationen sind. Ihre Aufgabe ist es, der UN-Mission Minusma ein besseres Bild von der Sicherheitslage in Nordmali zu verschaffen. Dazu haben sie Aufklärungsdrohnen, Transport- und Kampfhubschrauber sowie gepanzerte Autos mitgebracht. Damit sind die Soldaten außerhalb des Feldlagers „Camp Castor“ unterwegs, um im Land Informationen zu sammeln. „Rainer, wie sieht’s aus, kriegt ihr das MG wieder hin?“, fragt der Chef den Patrouillenführer. Rainer ist ein schwarzhaariger, gedrungener Hauptfeldwebel mit breitem Kreuz. „Nein. Wir müssen zurück ins Lager, um ein Ersatzfahrzeug zu besorgen“, antwortet Rainer. Der Chef nickt stumm. „Das passiert immer wieder“, sagt er. „Hitze, Sand und Staub sind Gift für das Gerät.“
Fernspäher werden normalerweise hinter den feindlichen Linien eingesetzt, um Informationen zu beschaffen. In der Bundeswehr gibt es keine Hundert von ihnen. Sie arbeiten meist lautlos und verdeckt, legen sich tagelang in Erdlöcher oder Gestrüpp und beobachten. Wenn sie sich wieder zurückziehen, nehmen sie sogar ihre Notdurft mit. Niemand soll wissen, dass sie da waren. Es gibt nicht viele Soldaten, die den Entbehrungen und Gefahren solcher Einsätze gewachsen sind. Ihre Namen sind geheim, ihre Gesichter auch. Deshalb heißt der Chef hier auch nur Chef. Mehr will er von sich nicht preisgeben. Wie oft er schon im Ausland war, darf er nicht sagen. Auch das: geheim. Nur so viel verrät er: „Meinen 30. und 35. Geburtstag habe ich in Afghanistan gefeiert.“ In diesem Sommer wird er 40. Sein Einsatz geht bis Juni.
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