loyal-Titelthema der Ausgabe April 2020
2,3 Millionen Menschen sind in der arabischen Welt seit 1945 in Kriegen und durch Terror getötet worden. Sie stellt 40 Prozent aller Opfer auf dem Globus. Das hat spezifische Gründe.
Die gewalttätigste Region der Welt
von Florence Gaub
Nicht zu Unrecht hat die arabische Welt den Ruf, eine kriegsträchtige Region zu sein. Seit 1945 hat es acht „klassische“ Kriege zwischen Staaten gegeben und über 25 asymmetrische Konflikte wie Bürgerkriege, Aufstände und Terrorwellen. 2,3 Millionen Menschen der Region sind dabei ums Leben gekommen. Die finanziellen Kosten dieser Konflikte sind mittlerweile kaum mehr zu messen, weil sie nicht nur die physische Zerstörung betreffen, sondern auch indirekte Wirkungen einschließen wie psychische Folgen, Umweltzerstörung, Militärausgaben und vertane wirtschaftliche Chancen. Allein der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern soll nach manchen Berechnungen bisher über 12 Trillionen Dollar – das ist eine Zahl mit 18 (!) Nullen – gekostet haben.
Gerade die vergangenen Jahre haben diese jahrzehntelange Tendenz wieder deutlich vor Augen geführt: Obwohl die Region gerade mal fünf Prozent der Weltbevölkerung umfasst, stellt sie 40 Prozent aller Konfliktopfer. 38.577 Menschen sind allein 2017 durch politische Gewalt ums Leben gekommen. Dies ist zwar, so makaber es sich anhört, eine positive Tendenz verglichen mit dem Jahr zuvor. Doch nach wie vor liegt diese Zahl weit über dem Niveau der vergleichsweise friedlichen frühen 2000er Jahre. Neben Lateinamerika ist der arabische Raum damit die gewalttätigste Region der Welt. Aktuell hat fast jeder Mitgliedsstaat der arabischen Liga ein Problem mit politischer Gewalt. An der Spitze liegen Syrien, Jemen, Irak, Libyen und Ägypten. Und selbst im vergleichsweise sicheren Algerien sterben pro Jahr 60 Menschen bei Attentaten.
Die Konflikte sind nicht nur militärischer Natur. Kalte Kriege gibt es zwischen Katar und seinen Nachbarn, aber auch zwischen Algerien und Marokko. Israel unterhält mit nur zwei Nachbarstaaten diplomatische Beziehungen. Mit zwei weiteren – Libanon und Syrien – befindet es sich nach wie vor im Kriegszustand.
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