loyal-Titelthema der Ausgabe März 2018
Merlyn Aldenhoff und Gideon Hemmstedt wollen Offizier werden. loyal hat sie beim Auswahlverfahren in der Mudra-Kaserne in Köln begleitet. Am Ende gab es eine gute und eine schlechte Nachricht
Die nächste Generation
von Julia Egleder
Gideon Hemmstedt ist schon seit mehr als einem Jahr bei der Bundeswehr. Der 21-jährige Hauptgefreite arbeitet als Freiwillig Wehrdienstleistender im Sanitätsregiment 1 in Berlin. Doch das reicht ihm nicht mehr. Hemmstedt gefällt es in der Truppe so gut, dass er jetzt Offizier werden möchte. Sein Plan: Er würde gern Psychologie studieren und später Soldaten, die aus dem Einsatz kommen, als Truppenpsychologe betreuen. Deshalb ist er nach Köln gekommen, an einen Ort, an dem sich schon Hunderttausende berufliche Schicksale entschieden haben. Hier in der Mudra-Kaserne im Kölner Stadtteil Westhoven wählt die Bundeswehr diejenigen aus, die Offizier werden können.
10.400 junge Männer und Frauen haben sich im vorigen Jahr als Offizier beworben. Für sie gab es 2.450 Stellen – die Bundeswehr stellte also nur jeden vierten Bewerber ein. „Nicht jeder Entscheider hat einen Dienstwagen“ oder „Nicht jeder Manager sitzt am Schreibtisch“ – mit Slogans wie diesen wirbt die Bundeswehr für den Offizierberuf. Auf Plakaten ist dazu eine junge Frau vor einem U-Boot oder ein junger Mann in einem Cockpit zu sehen. Die Botschaft: Die Truppe sucht zwar Entscheider und Managertypen und unterscheidet sich damit nicht von Unternehmen, ist aber trotzdem ein besonderer Arbeitgeber. Schließlich müssen Offiziere in den Auslandseinsatz und mit Waffensystemen umgehen können. Das war bis vor wenigen Jahren noch anders. Da versuchte sich die Bundeswehr als Arbeitgeber wie jeder andere darzustellen. Doch viele Bewerber waren dann von der Realität und der militärischen Ausbildung wenig angetan und gingen vorzeitig. Nun also betont die Truppe wieder ihren Marken- und Wesenskern: das Militärische.
Köln, ein nasskalter Tag Anfang dieses Jahres, es ist der erste Tag des Auswahlverfahrens. Gemeinsam mit Gideon Hemmstedt sitzen 15 junge Männer und sieben Frauen im Assessment Center der Bundeswehr, der heutigen Bezeichnung der früheren Offizierbewerber-Prüfzentrale (OPZ) in der Mudra-Kaserne. Die Szenerie wirkt wie in einer Oberstufenklasse. Die meisten Bewerber tragen Jeans, Hemden oder Pullover und Turnschuhe. Sie sind noch Schüler und wollen in ein paar Monaten ihr Abitur ablegen. Mit seiner Uniform hebt sich Gideon Hemmstedt von den anderen deutlich ab.
Oberleutnant Vitali Aul steht an einer Tafel und berichtet, was bei der Bundeswehr möglich ist: Die Offizierlaufbahn biete 29 unterschiedliche Verwendungen und 39 verschiedene Studiengänge, erklärt der Prüfoffizier. Vor allem technische Studiengänge sowie Medizin und Psychologie seien sehr begehrt. Das ist eine schlechte Nachricht für Gideon Hemmstedt, denn damit ist klar, dass er zu den absolut besten Bewerbern gehören muss, um Psychologie studieren zu können. Ihm und den anderen jungen Leuten wird schnell deutlich, dass es nicht leicht wird, in der Kölner Kaserne zu bestehen.
Die Anforderungen an studierende Offiziere sind hoch. Der Zeitplan ist straff, Ferien gibt es kaum und wer zweimal eine Prüfung nicht besteht, ist raus. Den „Master“-Abschluss gibt es nach vier statt nach fünf Jahren wie an zivilen Unis üblich. Andererseits verdienen studierende Soldaten – und zwar nicht schlecht. Der Sold beträgt monatlich mindestens 1.200 Euro netto. Zudem wohnen die Soldaten kostenlos in der Kaserne. Nach dem Studium, berichtet Vitali Aul den gebannt zuhörenden Bewerbern, warte ein fester Arbeitsplatz mit viel Verantwortung. „Sie müssen sich darauf einstellen, dass Sie später auch im Ausland eingesetzt werden können“, sagt er. Die Bewerber schreiben mit, saugen das Gehörte auf. Auls Botschaft: Offizier ist ein besonderer Beruf. Nur wer Leistung bringt, wird genommen.
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