loyal-Titelthema der Ausgabe September 2021
Keine große Bedeutung
von André Uzulis
Soldaten dienen unserem Staat treu und tapfer. Sie sind da, wenn man sie braucht – ob im Ahrtal oder in Kabul. Dennoch ist die Sicherheitspolitik ein Stiefkind der Politik. Bei der Bundestagswahl wird sie eine untergeordnete Rolle spielen. Und das, obwohl Deutschlands Sicherheit seit dem Kalten Krieg nie so bedroht war wie heute.
Diesmal treten 53 Parteien zur Bundestagswahl an – vor vier Jahren waren es 42. Von diesen 42 schafften es sieben in den Bundestag: CDU, SPD, AfD, FDP, Linke, Grüne und CSU. Sie sind es auch, die nach den Umfragen Chancen haben, erneut ins Parlament einzuziehen. Wer sich in diesem Bundestagswahlkampf über Inhalte informieren möchte, muss sich schon die Mühe machen, die Wahlprogramme der Parteien zu studieren. Denn inhaltlich ist der Wahlkampf bislang ausgefallen. Ende April, Anfang Mai sah das noch anders aus. Da standen die drei Kanzlerkandidaten fest: Armin Laschet (CDU), Annalena Baerbock (Grüne) und Olaf Scholz (SPD), und so etwas wie Aufbruchstimmung machte sich breit: Deutschland würde nach 16 Merkel-Jahren einen neuen Kanzler bekommen, ein neues Gesicht an der Spitze – vielleicht mit einem neuen Dreh, frischen Ideen und innovativen Antworten auf die drängenden Fragen: Klimawandel, Digitalisierung, Staatsträgheit, Bürokratisierung, Bedrohungen von außen, Deutschlands Rolle in Europa und der Welt.
Nichts davon ist im öffentlichen Diskurs den Sommer über groß erörtert worden. Stattdessen drehten sich Politik, Medien und die Blasen der sozialen Medien um Randthemen: der aufgemotzte Lebenslauf von Annalena Baerbock und ihre Verwendung des N-Worts in einem Interview. Das Lachen von Armin Laschet im Flutgebiet und seine vermeintliche Anrede „junge Frau“ gegenüber einer Journalistin. Die Plagiate in den Büchern beider Kandidaten. Der Hashtag #bratwurst bei Olaf Scholz‘ Vorschlag, wie man die Deutschen zum Impfen motivieren könnte. Als gäbe es keine wichtigen Themen, ergossen sich Tweet-Lawinen und Kommentare in öffentlich-rechtlichen Sendern über diese Nebensächlichkeiten. Den Deutschen muss es gut gehen, wenn sie keine anderen Probleme haben, könnte man meinen.
Allerdings gibt es handfeste Probleme in Deutschland, auch wenn sie bislang keine Rolle im Wahlkampf spielten. Nicht nur der Klimawandel ist ein Problem. Wichtig sind auch diese Fragen: Wie kann Deutschland eine führende Industrienation bleiben, wenn es Unternehmen immer schwerer gemacht wird, hierzulande zu produzieren? Wie bleibt die Rente finanzierbar? Welche Lehren ziehen wir aus der Corona-Pandemie? Wie sichern wir in der Zukunft die Bildung? Welche Strategien zur Digitalisierung braucht unser Land? Wird das Heizen bezahlbar bleiben? Wie integrieren wir Millionen Menschen aus außereuropäischen Ländern, ohne die eigene Identität zu verlieren? Und nicht zuletzt: Wie schützen wir uns vor äußeren Gefahren?
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