loyal-Titelthema der Doppelausgabe Juli/August 2018
Soldaten kollabieren vor Anstrengung, anderen ist die Ausbildung zu lasch. Wir wollten am eigenen Leib erfahren, wie es bei der Bundeswehr zugeht – und haben uns zwei der härtesten Ausbildungen ausgesucht. Marco Seliger hat sich mit dem Einzelkämpferlehrgang durch den Spessart geschlagen, während Julia Egleder mit dem Hochgebirgsspähzug am Gardasee Steilwände erkletterte.
Durch die Wälder und auf die Gipfel
von Marco Seliger und Julia Egleder
Marco Seliger im Spessart
Waren es zehn Kilogramm? Fünfzehn? Oder zwanzig? Ich kann mich an das Gewicht des Rucksacks, den ich als 26-jähriger Reserveoffizieranwärter 1998 bei der Ausbildung „Überleben Land“ in Altenstadt drei Tage lang schleppen musste, nicht mehr erinnern. Aber ich weiß noch, dass ich am Ende fix und fertig war. Wie würde es da erst den Soldaten gehen, die nicht, wie ich damals, in der Luftwaffe dienen, sondern im Heer? Die nicht drei Tage, sondern vier Wochen lang an ihre Grenzen gehen müssen? 20 Jahre nach meinem „Überleben Land“ wollte ich wissen, welchen Strapazen die Soldaten auf dem Einzelkämpferlehrgang (EK I) ausgesetzt sind. Er soll das Härteste sein, was der „normale“ Heeresoffizier (Ich rede nicht von KSKlern, Fernspähern und Hochgebirgszügen!) in seiner Ausbildung überstehen muss. Doch wie hart ist „das Härteste“? Ist es Schinderei? Schikane gar, wie Medien berichteten?
Als ich an einem Montagmorgen Mitte Mai die 12. Inspektion des Ausbildungszentrums Infanterie in Hammelburg erreiche, steht eine größere Gruppe Soldaten neben dem Gebäude. Es ist sofort ersichtlich, wer Lehrgangsteilnehmer und wer Ausbilder ist. Die Lehrgangsteilnehmer haben Tarnfarbe im Gesicht, große Rucksäcke auf dem Rücken und das G36 in der Hand. Mit ernsten Gesichtern stehen sie in Dreierreihe und warten auf die Ausbilder, die entspannt an den am Straßenrand geparkten Fahrzeugen lehnen und miteinander plaudern. Dann marschiert einer von ihnen zu den Soldaten hinüber. „Männer, alle fit?“, fragt er. „Jawohl“, tönt es aus 31 Mündern. Der Ausbilder fährt fort: „Jetzt beginnt die Abschlussprüfung. Folgendes Szenario: Sie sind die letzten Reste Ihrer Kompanie, Versprengte eines gegnerischen Angriffs. Sie stecken in Feindgebiet fest und müssen sich in unbekanntem Gebiet zu den eigenen Truppen durchschlagen. Dazu haben sie nur die Ausrüstung in Ihrem Rucksack, sechs Liter Trinkwasser und Ihre Waffe. Fragen?“
Julia Egleder am Gardasee
Dramatische Musik, Bergpanoramen, dem Schneesturm trotzende Soldaten – so präsentiert sich der Hochgebirgsspähzug in einem Youtube-Video. „Soldaten, die hier oben in felsigen Höhen zwischen Adlern und Gämsen operieren und sich sicher bewegen können, gibt es nicht viele in der Bundeswehr“, sagt der Sprecher zu Bildern verschneiter Berggipfel. Unter dem Video steht: „Der Hochgebirgsspähzug 230 in Füssen – wer hier seine Ausbildung machen will, stößt unweigerlich an seine körperlichen Grenzen.“ Meine Neugier ist geweckt. Ich teste gern meine Grenzen aus. Ich trainiere gerade für einen Marathon, laufe 50 bis 60 Kilometer pro Woche. Ich bin in Bayern aufgewachsen und fühle mich wohl im Gebirge. Voriges Jahr habe ich die Zugspitze bestiegen. Die Soldaten des Hochgebirgsspähzugs bei der Ausbildung begleiten – das ist für mich bestimmt kein Problem.
Im Mai verbringt der Hochgebirgsspähzug eine Ausbildungswoche am Gardasee. In den Bergen in der Umgebung sollen die Soldaten das Klettern üben. Sie müssen die höchsten und steilsten Gipfel sicher erklimmen können, um von dort aus die Umgebung auszukundschaften und Informationen über den Feind zu sammeln. 19 junge Männer haben gemeinsam mit vier Ausbildern Unterkunft in einer Jugendherberge am Nordufer des Sees bezogen. Ich stoße für die letzten zwei Ausbildungstage dazu. An den Tagen davor haben die Soldaten gelernt, wie sie die Kameraden am Berg sichern, wie sie Seile knoten und Karabiner einhängen. Fast jeden Tag waren sie am Berg. Hauptfeldwebel Matthias Schulz (Name geändert), der Ausbildungschef, ist Ende 30 und hat ein sonnengegerbtes Gesicht. Man sieht ihm an, dass er viel Zeit im Freien verbringt. Arme und Beine sind sehnig, kräftige Muskeln zeichnen sich unter der Haut ab.
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