Loyal – Titelthema des Monats September 2014
Angriff auf eine Männerbastion
Von Christian Thiels
Einen Sturm der Frauen auf die Männerbastion Streitkräfte hat es seitdem allerdings nicht gegeben. Dennoch hat sich die Bundeswehr durch den Richterspruch von Luxemburg verändert. Sie ist weiblicher geworden. Bei einem Großteil der männlichen Soldaten kommt das nicht gut an. Im Januar dieses Jahres kam die Studie „Truppenbild ohne Dame“ des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaft der Bundeswehr zu dem Ergebnis, dass Männer in Uniform ihre Kameradinnen noch immer mit Skepsis betrachten. Mehr als die Hälfte der befragten Soldaten sind der Ansicht, die Bundeswehr habe sich durch die Integration von Frauen zum Schlechteren entwickelt. Jeder vierte Mann hält Frauen als Vorgesetzte für ungeeignet, obwohl deren Anteil an Führungspositionen gerade einmal bei rund zehn Prozent liegt. In den Offiziersrang haben es einschließlich Sanitätsdienst bis heute gerade mal 4.000 Frauen geschafft, bei den Feldwebel-Dienstgraden liegt die Zahl bei rund 6.000.
Das passt nicht so recht zur gefühlten Wahrnehmung der Männer in der Bundeswehr. Denn die glauben laut Studie in der Mehrheit, dass Frauen bei der Karriere bevorzugt und gleichzeitig niedrigere Anforderungen an sie gestellt würden. Woher kommt diese Einschätzung? „Im Grunde genommen breche ich hier in eine Domäne ein, die aus traditionellen Gründen geschützt war“, sagt Oberstleutnant Gabriele Voyé, stellvertretende Dezernatsleiterin im Einsatzführungskommando. Die Frau – das unbekannte, womöglich bedrohliche Wesen in der Männertruppe Bundeswehr? Die Sorgen ihrer männlichen Kameraden vor allzu viel weiblicher Konkurrenz kann Kapitänleutnant Inka von Putkammer, Kommandantin des Minenjagdbootes „Homburg“, durchaus nachvollziehen: „Es ist nicht zu verhehlen, dass Frauen ab und zu bevorteilt werden. Einfach, weil sie Frauen sind.“ Das bleibe in Einzelfällen nicht ohne Folgen für das Verhalten mancher Männer, sagt Oberfeldveterinärin Christiane Ernst, Kommandeurin der Schule für Diensthundewesen in Ulmen. „Es gibt Situatioen, in denen die Männer die Reihen dicht machen und Frau nicht weiterkommt. Ich glaube aber nicht, dass Systematik dahinter steckt.“
Bei manchem altgedientem Soldaten spielt wohl auch eine gewisse Unsicherheit mit. Frauen führen anders, ungewohnt für viele Männer. Es heißt, sie seien kommunikativer, würden weniger als ihre Kameraden darauf achten, ihr Revier zu markieren. Männer charakterisieren Frauen in Vorgesetztenpositionen als nachtragend. Im Gegenzug kritisieren Frauen an männlichen Chefs, sie schikanierten Untergebene, wenn die Fehler machten. Einig sind sich beide aber, dass es vor allem männliche Vorgesetzte sind, die sich im Ton vergreifen. „Führen durch Beschimpfen“, könnte man das nennen. Eine Praxis, die die Verteidigungsministerin gern abschaffen würde. Ursula von der Leyen wünscht sich einen neuen Führungsstil, womöglich meint sie damit einen weiblicheren. Die besseren Männer sein zu wollen, davor warnt Oberleutnant Melanie Günther, Zugführerin in einem Ausbildungsbataillon, allerdings deutlich: „Frau sollte sich definitiv nicht verstellen.“
Gabriele Voyé, Christiane Ernst, Melanie Günther und Inka von Putkammer – vier Frauen in Führungspositionen der Streitkräfte, vier Karrierewege und viele Erfahrungen über Selbstbehauptung in einer Männergesellschaft.