loyal-Titelthema des Monats September 2018
Die Entfremdung
Von Klaus-Dieter Frankenberger
Deutschland war einmal so etwas wie der Lieblingsverbündete der Vereinigten Staaten und neben Japan der größte Erfolg der US-amerikanischen Nachkriegspolitik. Das galt sowohl in Bezug auf seine Bündnisfestigkeit als auch auf seine politische Verfasstheit und Stabilität sowie wirtschaftliche Grundorientierung. Die Bundesrepublik hatte sich, weitgehend unverrückbar, an die Seite der westlichen Vormacht gestellt. Es gab Dispute und ernste Konflikte. Sie stellten die Beziehung aber niemals infrage, jedenfalls nicht im Grundsatz. Die Freundschaft lebte von Empathie, übereinstimmenden Grundprinzipien („Werten“) und kompatiblen Interessen, selbst wenn die amerikanischen Ziele immer auch eine globale Dimension hatten.
Unter Präsident Donald Trump hat sich die Lage geändert, auch, aber nicht nur, weil er den Rückzug der Vereinigten Staaten als globale Ordnungsmacht (so der Politikwissenschaftler Herfried Münkler) fortsetzt und stattdessen eng definierten amerikanischen Interessen Vorrang gibt. Trumps Motto heißt nicht umsonst „America first“. Dabei verachtet und untergräbt er in zerstörerischer Absicht den liberalen Multilateralismus, der sowohl im deutschen Selbstverständnis als auch hinsichtlich des Erreichens deutscher Interessen zentral ist. Kein Wunder, dass nach einer Umfrage des Instituts für Demoskopie ?Allensbach im Auftrag der Frankfurter Allgemeinen Zeitung das Vertrauen in die Vereinigten Staaten als Ordnungsmacht auf einem Tiefpunkt angekommen ist. Eine große Mehrheit der befragten Deutschen nimmt das deutsch-amerikanische Verhältnis als tiefgreifend gestört wahr. Man könnte hinzufügen: aus gutem Grund!
Denn Präsident Trump hat von Beginn seiner Amtszeit an, eigentlich schon zuvor, Deutschland auf beispiellose Weise attackiert, und das gleich doppelt: Zum einen bilateral, was die deutschen Handelsüberschüsse und die als unzureichend bewerteten deutschen Verteidigungsausgaben – Stichwort Trittbrettfahrer – anbelangt. Zum anderen griff er die Institutionen an, denen Deutschland in erster Linie Wiederaufstieg, Sicherheit und Prosperität verdankt, die Nato und die Europäische Union. Trump rühmte zwar nach dem Nato-Gipfeltreffen im Juli die Geschlossenheit der Nato. Dennoch sieht er die Allianz nach wie vor als eine amerikanische Inkasso-Veranstaltung an – und in Bündnisverpflichtungen etwas Lästiges. Dass die tatsächliche amerikanische Politik gegenüber der Allianz eher der traditionellen Bündnislinie folgt, steht auf einem anderen Blatt. An seiner Truppenpräsenz in Europa und an seinen militärischen Zusagen hat Amerika bisher keine Abstriche gemacht.
Während seiner dem Nato-Gipfel folgenden Europa-Reise steigerte Trump noch seine Kritik an der EU. Er reihte die EU ein unter die „Feinde“ der Vereinigten Staaten, weil die Europäer die USA im Handel „wirklich ausgenutzt“ hätten. Dem ehemaligen französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle wird der Ausspruch zugeschrieben, Staaten hätten keine Freunde, sondern nur Interessen. Doch von dieser Feststellung im Sinn eines sentimentalitätsfreien Realismus bis zur Einordnung der in der EU zusammengeschlossenen europäischen Partner als Feinde („Foe“) ist es schon ein gewaltiger Sprung. Trump legt damit die Axt an die transatlantische Partnerschaft.
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