loyal-Titelthema des Monats Juni 2015
Terrorbanden gegen Peschmerga – in Kurdistan tobt ein Kampf wie aus einem Endzeitfilm. Deutsche Soldaten sind als Ausbilder mit dabei.
Der Mad-Max-Krieg
Aus dem Irak von Marco Seliger
Die Stadt, in der Major Robert Deutschlands Kampf gegen das Böse führt, stand vor neun Monaten kurz vor dem Untergang. Horden vermummter Gestalten waren mit Panzern, Geschützen und Raketenwerfern angetreten, die schwarze Fahne aufgepflanzt, bereit, die Blutspur, die sie schon Hunderte Kilometer hinter sich her gezogen hatten, auch in den Straßen von Erbil zu hinterlassen. In höchster Not, die kurdische Millionenstadt war schon fast geräumt, bombardierten amerikanische Kampfflugzeuge die Angriffsreihen des „Islamischen Staats“ (IS). Sie töteten Hunderte Kämpfer und retteten Abertausenden Menschen das Leben. Die Wende in diesem Krieg brachte aber erst eine Waffe aus Deutschland. Die „Milan“ durchbohrt Zentimeterdicke Stahlplatten, mit denen die Terroristen Fahrzeuge voller Sprengstoff panzern, um sie als Selbstmordvehikel gegen die Verteidigungsstellungen der kurdischen Kämpfer zu schicken. Keine andere Waffe im Arsenal der Peschmerga ist dazu in der Lage. Die Menschen in Kurdistan sind darüber so begeistert, dass sie Neugeborene inzwischen „Milan“ nennen.
Major Robert ist Gebirgsjäger. Vor ihm stehen 40 Männer, deren Anblick an alles, aber nicht an einen militärisch organisierten Zug erinnert. Sie tragen zusammengewürfelte Uniformen und Waffen in den Händen, die teilweise älter sind als sie. Das will schon etwas heißen, denn diese Männer, die unter breiten Strohhüten hervorgrinsen oder Militärmützen falsch herum aufgesetzt tragen, sind erfahrene Krieger, einige von ihnen mehr als 50 Jahre alt. Fast ihr ganzes Leben lang haben sie gekämpft, erst gegen Saddam Hussein, dann gegeneinander und heute gegen den „Islamischen Staat“. Sie nennen sich Peschmerga, übersetzt: die dem Tod ins Auge blicken. Major Robert war auch im Krieg, er hat in Afghanistan Dörfer von den Taliban befreit. Doch das, was die Männer vor ihm erlebt haben, kennt er sonst nur aus Filmen.
Einer dieser Filme läuft so: Eine Gruppe der Peschmerga liegt hinter einem Erdwall und feuert mit ihren Gewehren pausenlos auf ein Vehikel, das sich unaufhaltsam der Stellung nähert. Mit seiner Verkleidung aus rostigen Stahlplatten könnte das Fahrzeug auch aus einem Endzeitfilm wie „Mad Max“ stammen. Die Kugeln der kurdischen Kämpfer prallen ab wie ein Turner von einem Trampolin. Dann fliegen Panzerfaustgeschosse, treffen, detonieren, eine Rauchwolke steigt auf – aus der das Vehikel hervorstößt, als sei nichts geschehen. Als es den Wall erreicht hat, bricht das Inferno los. Die Explosion hunderter Kilogramm Sprengstoff zerfetzt das Fahrzeug, ein Feuerpilz steigt empor, der gewaltige Druck der Detonation schlägt eine Bresche in den Erdwall. Peschmerga, die den Anschlag überlebt haben, sterben, als die dem Selbstmordauto folgenden Terroristen in die Stellung eindringen und massakrieren, wer ihnen in die Hände fällt. Die Kurden nennen diesen Krieg den „Mad-Max-Krieg“.