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loyal-Titelthema des Monats März 2017




Vor 15 Jahren wollte die Bundeswehr einen neuen Schützenpanzer haben. Unter einer Bedingung, sagte die Politik: Er muss in das neue Transportflugzeug A400M passen. Das war der Beginn einer haarsträubenden Entwicklungsgeschichte, mit deren Folgen sich das Heer bis heute plagt

Der kleine Bruder des A400M

von Marco Seliger

Der Kommandant nickt anerkennend. „Treffer“, sagt er zu den Soldaten neben ihm. Auf einem Monitor zwischen ihnen sehen die beiden Feldwebel schwarze Schemen. Es sind Büsche und Bäume. Deren Entfernung vom Panzer wird unten am Bildschirmrand angezeigt: Tausend Meter. Zwischen dem Bewuchs taucht ein weißer Fleck auf. Der Richtschütze umklammert mit seinen Händen zwei Joysticks. Sie sind an einem Steuerhorn befestigt, das aussieht wie der Knüppel in einem Flugzeugcockpit. Er dreht das Steuerhorn nach links, die Visiermarke liegt jetzt über dem weißen Fleck. Dann drückt der Soldat auf einen Knopf auf der Hinterseite des rechten Joysticks. So zoomt er den hellen Schemen heran. Aus dem Fleck ist jetzt die Silhouette eines Panzers geworden – eines feindlichen Panzers. Dann feuert die Kanone. Auf dem Monitor sehen Kommandant und Richtschütze einen glühend-weißen Punkt, der auf den Panzer zufliegt. Nach zwei Sekunden schlägt der Punkt ein. „Treffer“, sagt der Kommandant erneut.

Ein Wintermorgen in Munster, kalter Wind pfeift über die Lüneburger Heide. Grenadiere aus Regen üben das Schießen mit dem „Puma“, dem neuen Schützenpanzer der Bundeswehr. Mit seiner computergesteuerten Kanone treffen die Soldaten meist schon beim ersten Schuss ins Ziel. Das ist weltweit Spitze, nützt der Bundeswehr aber gerade nichts. Denn um die Nato-Ostflanke von diesem Frühjahr an vor russischen Expansionsbestrebungen zu schützen, schickt sie ihre Truppen mit dem 45 Jahre alten Vorgänger des „Puma“, dem Schützenpanzer „Marder“, nach Litauen. Die meisten „Marder“ sollten zwar längst außer Dienst gestellt sein. Da der Nachfolger aber noch nicht einsatzklar ist, müssen sie länger durchhalten.

Für die Bundeswehr ist das peinlich, steht sie doch einmal mehr als rückständig da. Doch die Verantwortung dafür trägt sie nicht allein. Auch die Politik und die Rüstungsindustrie haben ihren Anteil an der haarsträubenden Beschaffungsgeschichte des „Puma“. Wie unter dem Brennglas beschreibt sie das deutsche Beschaffungsproblem der vergangenen 25 Jahre. Am Ende steht zwar ein Schützenpanzer, der so gut sein soll wie kein anderer. Soldaten nennen ihn begeistert den „Formel-1-Wagen unter den Schützenpanzern“. Doch mit 14,5 Millionen Euro Systempreiskosten und Betriebsausgaben, die aller Voraussicht nach weit höher liegen werden als beim „Marder“ (100.000 Euro/Jahr), ist er auch so teuer wie kein anderer.

Hinzu kommt: Wie die Boliden im Rennsport ist das Hightech-Gefährt höchst kompliziert und nach wie vor sehr störanfällig. Wenn die Elektronik und die Software streiken, dann ist es mitunter gleich fahr- und kampfunfähig. Noch nie war ein deutscher Panzer so abhängig von Computern und Sensoren wie der „Puma“. In einem Formel-1-Rennen wäre der Systemausfall bei einem Boliden gewiss ärgerlich. Bei einem Schützenpanzer im Gefecht aber könnte er tödlich sein.

Ein Schützenpanzer, der viele Jahre später als geplant seine Einsatzreife erreicht, der so teuer und komplex, aber auch so leistungsfähig wie kein anderes Waffensystem seiner Art geraten ist – um zu verstehen, wie es dazu kommen konnte, bedarf es der Kenntnis eines anderen milliardenschweren Beschaffungsprojekts. Auch dieses Projekt begleitet eine Geschichte voller Entwicklungsprobleme, Unzulänglichkeiten und Lieferverzögerungen. Es wird in der Berichterstattung über die beiden Waffensysteme immer wieder vergessen, dass sie zusammengehören wie Geschwister und dass sie einander bedingen. Der Name dieses anderen Projekts lautet A400M.

[…]

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