loyal-Ausgabe Mai 2024
Irans Blamage
Editorial von Chefredakteur André Uzulis
Der Angriff des Iran auf Israel mit rund 300 Flugkörpern ist ein Paradigmenwechsel im Dauerkonflikt des Nahen und Mittleren Ostens. Bislang hatte es das Mullah-Regime in Teheran vermieden, direkt gegen Israel militärisch vorzugehen. Es hat dies stets der Hizbollah im Libanon und den Huthis im Jemen überlassen – zwei Terrororganisationen, die als Statthalter Irans agieren und von Teheran finanziert und bewaffnet werden.
Der iranische Drohnen- und Raketenangriff vom April wurde als Vergeltung für die Zerstörung einer diplomatischen Vertretung Irans in Syrien durch die israelische Luftwaffe begründet, bei der Kommandeure der Revolutionsgarden ums Leben kamen – und damit Verbrecher, die Teil eines Regimes sind, das den jüdischen Staat auslöschen möchte. Der iranische Angriff lief ins Leere. Die Drohnen und Raketen wurden zum allergrößten Teil abgeschossen und haben kaum Schäden in Israel angerichtet. Die Aktion hat allerdings die geopolitische Stellung des Iran massiv geschwächt.
Denn das angegriffene Israel konnte dadurch die Reihen seiner Verbündeten, die zuletzt immer stärker Kritik am Vorgehen im Gazastreifen geübt hatten, wieder schließen. Sogar der arabische Nachbar Jordanien schoss aus Iran heranfliegende Drohnen ab. Im Grunde stellt der iranische Angriff eine einzige Blamage für die Mullahs dar. Denn ihr Drohnen- und Raketenarsenal wurde als besiegbar und mehr oder weniger wirkungslos entzaubert. Weil das Teheraner Regime um seinen Fortbestand fürchtet, hat es sofort Signale an Israel ausgesandt, dass die Sache damit aus seiner Sicht erledigt sei. Und gegenüber den USA barmte es geradezu darum, dass Washington bitte nicht in die Auseinandersetzung eingreifen möge – denn das wäre der schlimmste Fall für die Mullahs.
Wenn es hart auf hart kommt, erweisen sich zuweilen gefürchtete Streitmächte als durchaus schwächlich. So ist es auch Russland ergangen, von dem man vor dem Ukraine-Krieg wunders was für eine Stärke fürchtete. Tatsächlich hat die russische Armee in der Ukraine bislang kaum ein Kriegsziel erreicht. Moskaus Schwarzmeerflotte ist zum größten Teil vernichtet. Die russischen Soldaten kommen mit Geländegewinnen nicht voran, die eigenen Verluste sind horrend. Putin hat sich – schlimm und erbärmlich genug – auf die völkerrechtswidrige Terrorisierung der ukrainischen Zivilbevölkerung durch ständige Drohnenangriffe verlegt. Anders dringt er nicht durch – und das in einer Situation, in der die Ukraine keine Waffen und Munition aus den USA mehr bekommt und die europäischen Partner nur sporadisch und in jedem Fall zu wenig liefern.
Man kann davon ausgehen, dass ein anderer Akteur, China, das militärische Versagen Russlands und den gescheiterten iranischen Angriff auf Israel aufmerksam beobachtet und seine Schlüsse daraus zieht. Dessen Volksbefreiungsarmee hat sich in der jüngsten Geschichte in keinen einzigen militärischen Konflikt hineinziehen lassen. Taiwan wurde noch nicht überfallen. Es wird stattdessen massiv aufgerüstet und ansonsten höchstens einmal mit Säbeln gerasselt, im Chinesischen Meer oder in der Taiwanstraße. Die harte militärische Auseinandersetzung aber meidet Peking. Die Angst vor einem Gesichtsverlust und dem Anschein von Schwäche ist zu groß. Noch jedenfalls. Wenn Xi Jinping seine Armee jedoch eines Tages gegen Taiwan in Marsch setzt, dann kann man davon ausgehen, dass sie sich nicht blamieren wird. Der Westen muss daher wachsam bleiben und darf über Russland und dem Iran China und seinen imperialen Machtanspruch nicht aus dem Auge verlieren.