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loyal-Ausgabe September 2024




Kursk

Editorial von Chefredakteur André Uzulis

Wäre Russland ein demokratischer Staat mit einer Opposition und einer aktiven Zivilgesellschaft, wären die Tage von Wladimir Putin als Präsident wohl gezählt. Denn Putin hat seinem Volk etwas eingebrockt, das unter seinen Vorgängern im Kreml seit 1945 undenkbar gewesen ist: Dass nach 83 Jahren erstmals wieder Truppen eines fremden Staates auf russischem Territorium stehen, dafür trägt Putin die Verantwortung. 1941 marschierte die Wehrmacht in die Sowjetunion ein. Und nun haben die Ukrainer Teile Russlands besetzt. Diese Tatsache kann man nur als historisch bezeichnen. Es ist eine Niederlage, die über das rein Militärische weit hinausreicht. Es ist ein politischer Gesichtsverlust für Putin, den er (vorerst) nur überlebt, weil er sein Land diktatorisch regiert und die Russen systematisch über die Situation belügt. Tatsache ist: Die Ukraine hat einen Teil Russlands erobert und den Krieg, mit dem Putin den Nachbarn seit 2022 überzieht, in das Land des Aggressors zurückgebracht.

Und was für einen Teil Russlands die Ukraine da erobert hat! Es ist nicht irgendein russisches Territorium, es ist die Region Kursk. Kursk – dieser hochsymbolische Name wiegt schwer in der russischen Geschichte. Hier fand 1943 am Kursker Frontbogen die letzte großräumige Angriffsoperation der Wehrmacht gegen die Rote Armee statt; sie wurde zur größten Panzer- und Luftschlacht der Weltgeschichte. Die Rote Armee drängte die Wehrmacht am Ende zurück. Kursk wurde zum Mythos der Unbesiegbarkeit der Sowjetarmee.

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Der Name Kursk ist allerdings auch mit dem Putins verbunden – und zwar mit Inkompetenz und Überheblichkeit, die zu einer Tragödie führten. Putin war gerade gut ein halbes Jahr als russischer Präsident im Amt, als im August 2000 das Atom-U-Boot „Kursk“ in der Barentssee sank – es war das schlimmste Unglück der russischen Kriegsmarine. Die „Kursk“ war ein Symbol militärischer Stärke. Die Explosion eines defekten Torpedos an Bord tötete den Großteil der 118-köpfigen Besatzung sofort; in dem gesunkenen U-Boot schafften es 23 Besatzungsmitglieder, sich in eine Kammer zu retten. In den folgenden Tagen erstickten sie qualvoll, weil die russischen Behörden es nicht schafften, sie aus dem stählernen Sarg 108 Meter tief auf dem Meeresgrund zu retten. Die offiziellen Stellen verschleierten der Öffentlichkeit gegenüber die Lage. Wladimir Putin bequemte sich erst fünf Tage später, seinen Urlaub am Schwarzen Meer abzubrechen und zum Unglücksort zu reisen.

Auch jetzt lässt er die gelenkten Medien in Russland Märchen über die wahre Lage in der Region Kursk erzählen. Dass es überhaupt zu dem Einmarsch einer überschaubaren Zahl ukrainischer Soldaten in das Gebiet kommen konnte, darf als Sensation bezeichnet werden. Putin muss diese, seine Niederlage kleinreden, um weiterhin als unangefochtener Anführer dazustehen. Für den Westen, insbesondere auch Deutschland, sollten der Mut und die Raffinesse der Ukrainer Ansporn sein, das geschundene Land jetzt erst recht im Krieg gegen den russischen Aggressor zu unterstützen. Deutschland darf nun nicht – wie die Berliner Ampelregierung entgegen früherer Versprechungen angekündigt hat – seine Unterstützung für die Ukraine zurückfahren, sondern muss sie im Gegenteil erhöhen. Es gilt, das Momentum zu nutzen.


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