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Arktis und Antarktis zwischen Geopolitik und Klimakrise

Die Arktis und die Antarktis sind Regionen von einzigartiger Schönheit. Sie sind aber auch von unbestrittener, jedoch nicht so häufig thematisierter globaler Bedeutung. Es handelt sich um Regionen, die zu keinem Staat gehören, aber viele wertvolle Ressourcen bergen – Konfliktpotenzial ist vorprogrammiert. Gemessen an diesen Umständen blicken Arktis und Antarktis auf eine sehr friedliche Vergangenheit zurück. Ob das im Angesicht der veränderten geopolitischen Situation und des fortschreitenden Klimawandels so bleiben wird?

(Foto: Lars Bugge Aarset via pexels.com)

Als Arktis wird das Gebiet oberhalb des nördlichen Polarkreises bezeichnet, das zum größten Teil aus Ozean besteht. Die Landflächen im europäischen Teil verzeichnen verstärkt menschliche Präsenz, die Inuit sind die indigene Volksgruppe der Arktis. Der größte Teil der Arktis ist allerdings keine Landmasse, sondern nur eine dicke Eisschicht. Die Antarktis liegt am südlichen Ende der Erde und umfasst den Südpol und den Südpolarkreis. Sie ist ein Kontinent, der von einem massiven Eisplateau bedeckt und von einem Ozean umgeben ist. Während auf dem Südpol die Pinguine zu Hause sind, tummeln sich auf dem Nordpol die Eisbären.

Neben den Unterschieden haben die Regionen aber auch viele Gemeinsamkeiten. Beide Landstriche bergen viele kostbare Ressourcen: Große Mengen Erdöl und -gas, Steinkohle sowie seltene Erden liegen dort verborgen. Das birgt geopolitisches Konfliktpotenzial. Außerdem sind die Auswirkungen des Klimawandels in beiden Regionen besonders dramatisch: Die Temperaturerhöhungen liegen bis zu dreimal über dem weltweiten Durchschnitt und die Veränderungen dort sind längst keine Prognosen mehr, sie sind Realität.

Antarktis – Eine Zone der Vernunft

Aktivitäten in der Antarktis unterliegen dem Antarktisvertrag von 1959. Er regelt die Nutzung der Fläche. Deutschland trat diesem Vertrag, der südlich des 60. Breitengrades gilt, 1979 bei. Der Vertrag erlaubt ausschließlich die Nutzung zu friedlichen, wissenschaftlichen Zwecken, verbietet also jegliche militärische Nutzung der Antarktis. Er ist auf die Förderung wissenschaftlicher Forschung und internationale Kooperation ausgelegt. Der Antarktisvertrag markierte einen bedeutenden Meilenstein in der internationalen Zusammenarbeit, da er das erste internationale Abkommen nach dem Zweiten Weltkrieg darstellt. Trotz des Kalten Krieges haben sich West- und Ostblockstaaten darauf geeinigt, den unbewohnten Kontinent friedlich gemeinsam zu nutzen. Besonders bemerkenswert ist darüber hinaus, dass sieben der zwölf Unterzeichnerstaaten ihre vorher erhobenen territorialen Ansprüche in der Antarktis vorübergehend auf Eis gelegt haben. In der Vergangenheit wurde die Sonderstellung der Antarktis auch als „antarktischer Exzeptionalismus“ bezeichnet. Dank der geografischen Lage als entlegener, schwer für Menschen zugänglicher und politisch isolierter Raum waren diese Entwicklungen möglich. Es war unter diesen Umständen sogar so, dass die USA und die Sowjetunion während des Kalten Krieges wissenschaftlich kooperierten.

Im Jahr 1991 wurde das Umweltschutzprotokoll zum Antarktisvertrag verabschiedet, das die einzigartige Bedeutung der Antarktis als Naturreservat für die Stabilität der Umwelt betont. Auch die zentrale Bedeutung für die wissenschaftliche Forschung wurde erneut untermauert. Das Protokoll legt den Vertragsparteien die explizite Verpflichtung auf, effektive Maßnahmen zum Schutz der empfindlichen antarktischen Ökosysteme zu ergreifen.

Ein weiterer bedeutender Schritt wurde im Jahr 2011 unternommen, als im Rahmen des Übereinkommens über die Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis (CCAMLR) das Ziel festgelegt wurde, die Gewässer rund um den antarktischen Kontinent durch die Einrichtung von Meeresschutzgebieten besonders zu schützen. Diese Maßnahmen verdeutlichen das Engagement der internationalen Gemeinschaft für den Schutz und die Erhaltung der einzigartigen Umwelt der Antarktis und ihrer reichen biologischen Vielfalt. Die Antarktis gilt als das größte Naturschutzgebiet des Planeten und gehört auch zu den Teilen der Welt, in denen Naturschutz tatsächlich am stärksten ausgeübt wird.

Die Forschungsstationen und politischen Ansprüche in der Antarktis. (Karte: CIA World Factbook via Wikimedia Commons)

Bleibt es vernünftig?

Wie kann es sein, dass trotz Spannungen im internationalen Kontext die Haltung zur Antarktis konsensuell scheint? Das antarktische Vertragssystem sieht weder eine strikte Regulation noch die Anwendung von Sanktionen vor. Eine ehrliche Analyse zeigt: Entscheidungsprozesse in der Antarktis sind zäh geworden, wie das Beispiel eines seit 2005 noch nicht ratifizierten Haftungszusatzes zum Umweltprotokoll zeigt. Die letzten Antarktistagungen legten die Schwierigkeiten dar, die die diplomatischen Beziehungen belasten. In Berlin wurde der russische Delegierte für die Verteidigung des Angriffs auf die Ukraine kritisiert. Auch scheiterten die Staaten daran, China zu überzeugen, einen erhöhten Schutzstatus für den Kaiserpinguin zu unterstützen. Diese Beispiele verdeutlichen, dass die Antarktis keine automatische Erfolgsgeschichte der Kooperation ist, sondern dynamische politische Strukturen zwischen Rivalen und Partnern erfordert.

Des Weiteren gibt es Herausforderungen, die potenziell zu einer Militarisierung führen könnten. Die globale Erwärmung hat die Zugänglichkeit zur Antarktis und ihren Schätzen verbessert, was zu einer Zunahme menschlicher Aktivitäten in der Region geführt hat. Das Interesse an unterirdischen Ressourcen wie Edelmetallen muss wirtschaftliches Verlangen geweckt haben, das bisher aber untersagt bleibt. Fortschritte in der Technologie haben dazu geführt, dass Ausrüstung mit doppeltem Verwendungszweck eingesetzt werden kann. Dadurch wird die Grenze zwischen zivilen und militärischen Aktivitäten verwischt und militärische Aktivitäten könnten unbemerkt bleiben.

Um diesen Herausforderungen zu begegnen, wäre eine Diplomatie erforderlich, die eine klare Trennung zwischen der Antarktis und dem Rest des internationalen Systems gestaltet. Eine solche Strategie könnte den Frieden und die wissenschaftliche Forschung in der Antarktis unterstützen. Ob dies in Anbetracht der aktuellen Gefahr, dass externe Konflikte und die Klimakrise den antarktischen Exzeptionalismus bedrohen, realistisch ist, bleibt abzuwarten.

Die geopolitische Gemengelage in der Arktis

Die schwindenden Eisflächen und der Rückgang des arktischen Meereises haben die geopolitischen Interessen verschiedener Parteien verstärkt. Der Rückgang der Eisflächen macht neue Seewege möglich. So wird sich eine neue Pazifik-Atlantik-Route eröffnen. Nicht nur die etablierten arktischen Staaten – Kanada, Dänemark (durch Grönland), Finnland, Island, Norwegen, Russland, Schweden und die Vereinigten Staaten – beanspruchen vermehrt Einfluss in der Region. Außerhalb dieser traditionellen Akteure hat China 2018 eine Selbstdeklaration als „arktisnaher Staat“ veröffentlicht.

Seit 2007 befindet sich auf dem Meeresboden am geografischen Nordpol eine Flagge Russlands. Realpolitische oder rechtliche Konsequenzen hatte dies nicht. Die russische Föderation möchte die Arktis als Ressourcenbasis nutzen, so lauten Grundsatzpapiere von 2008 und 2013. Bis 2015 wollte Russland die internationale Rechtslage geklärt wissen. Auch neun Jahre später ist dieses Ziel nicht erreicht. Machthaber Wladimir Putin porträtiert sich dennoch gerne selbst als starken Mann der Arktis.

Ein ratloser Rat

Der Arktische Rat, als Plattform für die Zusammenarbeit der acht arktischen Staaten 1996 ins Leben gerufen, soll Fragen der Nachhaltigkeit und des Umweltschutzes in der Region behandeln. Allerdings spiegelt die jüngste Dynamik in der Arktis eine zunehmende Verschiebung der Prioritäten wider. Die Konflikte in der geopolitischen Arena haben auch Spuren innerhalb des Arktischen Rates hinterlassen. Kurz nach Russlands Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 zogen sich die sieben westlichen Staaten aus dem Arktischen Rat zurück, um nicht unter dem Vorsitz des Aggressors Russland arbeiten zu müssen – die Arbeit wurde somit „auf Eis gelegt“. Dieser demonstrative Akt war als politische Konsequenz aus dem Angriffskrieg eine wichtige Entscheidung, hatte jedoch ungewollte Auswirkungen. Die Klimaforschung in der Arktis, die für das Verständnis des weltweiten Klimawandels entscheidend ist, wurde stark beeinträchtigt.

Die Passagen und Routen sowie Anrainerstaaten der Arktis. (Karte: Susie Harder via Wikimedia Commons)

Russland, das stark auf die Erschließung von Kohle, Öl und Gas in der Arktis fokussiert ist, priorisiert seine nationale Sicherheit und seine Energieinteressen gegenüber der Agenda des Arktischen Rates. Im Mai 2023 hat Norwegen den Vorsitz des Gremiums übernommen und Russland abgelöst. Seitdem beteiligen sich auch die anderen Staaten wieder an gemeinsamen Projekten, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass Russland nicht beteiligt ist.

Während diese Entscheidung aufgrund des anhaltenden Ukrainekriegs und der allgemeinen geopolitischen Spannungen alternativlos scheint, sind die Auswirkungen auf die Arktis alarmierend. Die Region, die bereits mit extremen Umweltbedingungen zu kämpfen hat, ist zum Schauplatz eines zunehmenden Ringens um Ressourcen und Einfluss geworden. Ohne weitere genaue wissenschaftliche Beobachtung und Erforschung der klimatischen Bedingungen sind die ökologischen Entwicklungen in der Region nur grob absehbar. Die Herausforderung besteht darin, eine Balance zwischen den geopolitischen Interessen und dem Schutz dieser einzigartigen, aber bedrohten Umgebung zu finden, um eine nachhaltige Zukunft für die Arktis und das Weltklima zu gewährleisten.

Was die Zukunft bringen könnte

Kann für die Arktis ein „arktischer Exzeptionalismus“ nach Vorbild der Antarktis die Lösung sein? In Anbetracht der Haltung Putins scheint dies schwer vorstellbar. Während er weiter seinen erbarmungslosen Krieg gegen die Ukraine führt, wird kein westlicher Staat mit ihm zusammenarbeiten wollen. Ende 2022 haben die Vereinigten Staaten entschieden, vier Milliarden Dollar zu investieren, um für weitere zwölf Jahre eine Luftwaffenbasis auf Grönland zu betreiben. Die Antwort Russlands ließ nicht lange auf sich warten. So führte die Nordmeerflotte Russlands im April 2023 in den Gewässern der Arktis ein umfangreiches Großmanöver durch. Die Zeichen stehen auch seitdem nicht auf Entspannung. Trotz der schweren Verluste im Ukrainekrieg baut Russland seine Militärstützpunkte in der Arktis weiter aus.

Arktis und Antarktis – zwei entlegene Regionen, die angesichts der zunehmenden Globalisierung und des Klimawandels eine immer wichtigere Rolle in der internationalen Zusammenarbeit einnehmen. Was die europäische und deutsche Sicherheitspolitik daraus mitnehmen sollte: Selbst auf die „äußersten“ Regionen der Welt hat der Ukrainekrieg entscheidende Auswirkungen. Die fortlaufende Unterstützung der Ukraine ist auch aus diesem Grund elementar wichtig.

 

Autorin:

Sina Behrend ist 23 Jahre alt und studierte Philosophie, Politik und Wirtschaft. Aktuell ist sie als Beraterin für den öffentlichen Sektor tätig.

 

Literaturtipps:


Dieser Beitrag stammt aus den SiPol-News des Sachgebietes Sicherheitspolitische Arbeit. Die SiPol-News können Sie hier abonnieren.

 

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