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Die Bundeswehr wird per Gesetz zu einem der interessantesten und lukrativsten Arbeitgeber in Deutschland. Doch was das konkret heißt, kommuniziert sie zu wenig.

Aus der aktuellen loyal von Jan Fuhrmann

Recht brav wirkt der Slogan, mit dem die Bundeswehr in Darmstadt um neues Personal wirbt: "Ganz zivil Karriere machen."  Auf der Berufsmesse an der Technischen Universität stehen Verwaltungsbeamte am Infotisch und warten auf Interessenten. Sie wirken locker, mit ihren blauen Poloshirts heben sie sich von den Anzugträgern der Großkonzerne an den umliegenden Ständen ab. Flecktarn, der Look der Bundeswehr, ist am Messestand auch zu sehen – aber nur auf den ausliegenden Gummibärchentüten.

Langsam füllt sich die Ausstellungshalle mit Besuchern. Die Studenten informieren sich mal hier, mal da, beim örtlichen Energieversorger genauso wie am Messestand der Bundeswehr. "Die Bundeswehr verkauft sich echt gut hier!", sagt Shahrzad. Sie ist 24 und macht gerade ihren Master in Maschinenbau. Ob die Bundeswehr für sie attraktiv ist? "Ja klar. Die werben mit einem guten Gehalt und einem sicheren Job als Beamtin. Als Frau gibt mir das natürlich auch im Bezug auf spätere Familienplanung eine langfristige Perspektive."

Nicht so gut findet sie eigentlich nur das 18-monatige Traineeprogramm, das nach dem Studium absolviert werden muss. Erst danach folgt die Verbeamtung auf Lebenszeit. "In der freien Wirtschaft kann ich nach meinem Masterstudium direkt mit einem gut bezahlten Ingenieurposten einsteigen", erklärt auch Jonas, 26, ebenfalls Maschinenbaustudent. "Und bei Beratungsunternehmen wie McKinsey ist die Tätigkeit bestimmt spannender, da gibt es eine größere Vielfalt an Auftraggebern und Herausforderungen." Er befürchtet, dass ihn bei der Bundeswehr eine langweiligere Arbeit erwartet. "Ich will ja nicht die ganze Zeit an einem Projekt arbeiten, zum Beispiel die Testversuche an neuen Panzern auswerten", sagt er.

Auf mehr als 1.000 Veranstaltungen verschiedenster Art ist die Bundeswehr jährlich präsent. Von der Open-Air-Ausstellung von Panzern und Kampfjets beim jährlichen Sachsen-Anhalt-Tag bis zur Frankfurter Musikmesse ist alles dabei. Sogar auf Hochzeitsmessen ist die Bundeswehr mittlerweile vertreten, um den Frauenanteil in der Truppe zu steigern. "Zielgruppenspezifische Bewerberansprache" heißt das im Fachjargon.

Bis zur Aussetzung der Wehrpflicht im Jahr 2011 durch den damaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg  (CSU) musste sich die Bundeswehr kaum intensiv um neue Mitarbeiter bemühen. Sie bediente sich einfach aus dem Reservoir der Wehrpflichtigen. Jetzt muss sie jedes Jahr 20.000 neue Soldaten einstellen, um ihren Personalbedarf zu decken. Damit sie nicht jeden Bewerber nehmen muss, hätte sie gern das Dreifache an Kandidaten. In Zeiten schrumpfender Geburtenjahrgänge ist das viel. Künftig müsste sich knapp jeder zehnte Mann und jede zehnte Frau eines Jahrgangs für eine Tätigkeit bei der Bundeswehr bewerben.

Im Moment kann die Bundeswehr nicht klagen. Im Jahr 2014 haben sich mit knapp 60.000 Kandidaten so viele beworben wie nie zuvor seit dem Wehrpflichtende. 2011 waren es noch 52.500. Einen neuen Rekord verzeichnete die Bundeswehr im Vorjahr auch bei den Bewerberinnen: 9.100. Also: Ziel erreicht.

Damit das so bleibt, gibt es jetzt die Attraktivitätsagenda. Sie ist ein Prestigeprojekt von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Schon wenige Monate nach ihrem Amtsantritt kündigte sie "untergesetzliche" Sofortmaßnahmen wie Gebäudesanierungen, die Modernisierung von Stuben und den Ausbau von Kindertagesstätten in Kasernen an. Im Februar beschloss der Bundestag das Attraktivitätssteigerungsgesetz mit weiteren 22 Maßnahmen. Kostenpunkt: eine Milliarde Euro in den kommenden vier Jahren.

Die Attraktivitätsoffensive umfasst im Kern zwei Aspekte. Erstens: die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Sie liegt fast allen Soldaten am Herzen. Jedes Jahr hagelt es beim Wehrbeauftragten Beschwerden von Soldaten, die sich über familienunfreundliche Dienstgestaltung beklagen. Laut einer Studie des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr aus dem Jahr 2014 halten nur 30 Prozent der befragten Soldaten Dienst und Familie für vereinbar.

Das Attraktivitätsgesetz legt jetzt eine verbindliche Arbeitszeit fest: 41 Stunden pro Woche. Überstunden werden in Zukunft bezahlt. Gleichzeitig sollen weitere Teilzeitstellen geschaffen werden. "Job Sharing", die Besetzung einer Stelle mit mehreren Personen, wird in der Wirtschaft immer öfter praktiziert. Die Bundeswehr will nun nachziehen. Ebenso können Soldaten künftig bei Auslandseinsätzen eine bezuschusste Haushaltshilfe in Anspruch nehmen, um die Partnerin oder den Partner zu entlasten.

Auch finanziell soll sich der Dienst stärker lohnen. Ab November wird der Wehrsold erhöht. Dann erhalten Freiwillig Wehrdienstleistende pauschal 60 Euro mehr im Monat. Spezialisten bekommen erhöhte Erschwerniszulagen. Für einen kinderlosen Minentaucher im Rang eines Hauptbootsmanns gibt es zusätzlich zu seinem Grundgehalt von 2.392 Euro brutto jetzt bis zu 392 Euro extra – monatlich. Zudem können Zeitsoldaten nach Ende ihres Berufslebens mit mehr Rente rechnen. Ihnen werden für die Dienstzeit bei der Bundeswehr 20 Prozent mehr für die Rentenversicherung gutgeschrieben. Diese Maßnahme betrifft alle Zeitsoldaten, also drei Viertel aller aktiven Soldaten.

Ein besonders drängendes Problem der Bundeswehr ist jedoch der Mangel an Fachkräften. Vor allem in der Laufbahn der Feldwebel im Fachdienst ist es schwierig, Personal zu gewinnen. Spezialisten fehlen insbesondere in den Bereichen IT, Elektronik und Sanitätsdienst. Fachleute sind auch in der zivilen Wirtschaft und in anderen Behörden gefragt. Die Bundeswehr hat hier harte Konkurrenz.

Die Folgen dieses Fachkräftemangels spürt Oberfeldwebel Reinhold Polzer jeden Tag. Er leitet ein Team von sechs Mechanikern beim Kampfhubschrauberregiment 36 "Kurhessen" in Fritzlar. Eigentlich habe seine Teileinheit eine Sollstärke von 15 Mann, sagt er. Die qualitativ hochwertige Ausbildung von spezialisierten Kameraden dauere aber ihre Zeit. So kämen nur langsam Leute nach.

Um zu verhindern, dass Soldaten mit Spezialwissen in die zivile Wirtschaft abwandern, gibt es künftig einen "Personalbindungszuschlag". Soldaten, die in dauerhaft unterbesetzten Bereichen arbeiten, erhalten Zusatzzahlungen. Ein verheirateter Oberfeldwebel bekommt dadurch neben dem Grundgehalt von 2.261 Euro brutto bis zu 440 Euro mehr im Monat, und das für eine Dauer von bis zu vier Jahren. Bis nach Fritzlar scheint sich das allerdings noch nicht herumgesprochen zu haben. "Ich bekomme keinen solchen Zuschlag und bisher hat auch noch kein Kamerad aus meiner Einheit davon gehört", sagt Polzer.

Auch bei der zivilen Bundeswehrverwaltung sind Ingenieure gefragt. Von 155 Stellen zur Vorbereitung auf den höheren technischen Verwaltungsdienst – Fachrichtung Wehrtechnik – konnte 2013 nur die Hälfte besetzt werden. Deshalb legen sich die Beamten bei der Berufsmesse an der Universität Darmstadt auch besonders ins Zeug. Sie informieren die Maschinenbaustudenten freundlich, aber bestimmt über die Vielfalt der Tätigkeiten im Verwaltungsdienst der Streitkräfte. Von der neuen Attraktivitätsagenda haben aber auch die meisten Studenten noch nichts gehört.

Fazit: Die Bundeswehr will attraktiver werden. Jetzt muss sie es nur noch richtig kommunizieren.


Symbolfoto oben:
Mit der Kampagne "Wir. Dienen. Deutschland."
drückte die Bundeswehr vor wenigen Jahren
ihr Selbstverständnis aus. (Quelle: Bundeswehr)

Symbolbild Mitte:
Abschied vom Papa. Die Vereinbarkeit von
Familie und Beruf ist einer der Eckpunkte der
Attraktivitätsoffensive. (Foto: Bundeswehr/Herholt)

Bild unten:
Oberfeldwebel Reinhold Polzer.
(Foto: Jonas Ratermann / loyal)

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