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Auf Katastrophen gut vorbereitet

Eine unübersichtliche Lage, zahlreiche Verletzte und lebensgefährliche Schadstoffe. Bei einem Chemie-Unfall kann eine schnelle Reaktion der Rettungskräfte Leben retten. Kreisverbindungskommandos aus Nordhessen, Thüringen und Brandenburg übten die Abläufe bei einer Chemie-Havarie. Wie schnell die Realität die Reservisten und Rettungsdienste das fiktive Szenario einholen kann, zeigte sich im vergangenen Jahr.

Reservisten aus Kreisverbindungskommandos übten gemeinsam mit zivilen Kräften, was bei einem Chemie-Unfall zu tun ist.

Foto: privat

Reservisten aus Kreisverbindungskommandos übten gemeinsam mit zivilen Kräften, was bei einem Chemie-Unfall zu tun ist.

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Reservisten aus Kreisverbindungskommandos übten gemeinsam mit zivilen Kräften, was bei einem Chemie-Unfall zu tun ist.

Foto: privat

Reservisten aus Kreisverbindungskommandos übten gemeinsam mit zivilen Kräften, was bei einem Chemie-Unfall zu tun ist.

Foto: privat

Cyanwasserstoff ist eine brennbare und sehr wasserlösliche Flüssigkeit. Sie ist besser bekannt unter dem Namen Blausäure. Ein berüchtigter Giftstoff. Zyklon B bestand aus Blausäure. Die Nazis setzten das Giftgas in den Vernichtungslagern für den industriell organisierten Massenmord ein. Die französische Armee setzte im Ersten Weltkrieg Blausäure als Giftgas ein. In Kriminalromanen ist das Cyanid ein beliebtes Mordinstrument. Weniger bekannt ist, dass Blausäure in großen Mengen für die Herstellung von Plastik-Kunststoff verwendet wird.

Dementsprechend kommt es vor, dass Gefahrengut-Transporte mit Blausäure oder entsprechend kontaminierte Produktionsabfälle über deutsche Straßen fahren. Nach Angaben der Bundesanstalt für Straßenwesen ereigneten sich im Jahr 2018 148 Gefahrengut-Unfälle im Straßenverkehr. Bei drei von diesen Unfällen handelte es sich um einen Transport der Gefahrenstufe 6.1, giftige Stoffe. In diese Kategorie fällt auch Blausäure. Was bei einer Havarie mit Cyanwasserstoff zu tun ist, übten Kreisverbindungskommandos aus Nordthüringen, Nordhessen und Brandenburg im Grenzmuseum Schifflersgrund Bad Sooden-Allendorf. Dort spielten sie zusammen mit Vertretern der örtlichen Kommunen, der Feuerwehr, der Polizei, des Deutschen Roten Kreuzes, der Rettungshundestaffel und des Technischen Hilfswerks einen kniffeligen Chemie-Unfall durch.

Blausäure, Gefahrenstufe 6.1

Das Szenario: Ein Lkw fährt zwischen Nordhausen und Göttingen auf der A 38 in den Heidkopf-Tunnel. Es kommt zu einem Unfall. Der Lkw fällt um. Der Verkehr staut sich. Die Polizei fährt hin. Die Beamten sehen, es kommt Rauch aus dem Tunnel. Einige Leute liegen bewusstlos neben ihren Autos. Es riecht eigenartig. Mittlerweile rückt die Feuerwehr mit einem Dekontaminierungs-Trupp an. Sie gehen in den Tunnel und verlassen ihn aber wieder sofort, nachdem sie die Beschriftung auf dem umgestürzten Lkw gesehen haben: Blausäure, Gefahrenstufe 6.1. Die Rettungskräfte informieren den Landrat in Heiligenstadt. Dieser ruft umgehend den Katastrophenfall aus. Nun tritt der Krisenstab zusammen.

Lagebesprechung. (Foto: privat)

Die an der Übung beteiligten KVK-Leiter mussten nun den Landrat beraten. Dabei erhielten die Reservisten fachkundige Unterstützung von Dr. Dirk Freudenberg vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe sowie von Oberstleutnant d.R. Prof. Dr. Roland Schnurpfeil, Prodekan und Studiengangsleiter für Biomedizinische/Medizinische Technik an der Hochschule Ansbach. „Wir wollten einen Unfall an der Grenze zwischen Hessen und Thüringen und mehrerer Landkreise üben. Die Herausforderung bestand darin, länder-, behörden- und ebenenübergreifend so schnell wie möglich alle Beteiligten zu sensibilisieren und effektiv zusammenzuarbeiten“, erläuterte Oberst d.R. Martin Ruske, der bei Reservistendienstleistungen den Kommandeur oder den Chef des Stabes im Landeskommando Brandenburg vertritt. Er hat das Übungsszenario entworfen und die Übung im Grenzmuseum Schifflersgrund organisiert. Sein Drehbuch sah nach wenigen Stunden ein verschärftes Szenario vor: Im Tunnel brennt ein weiterer verunglückter Lkw, der Müll geladen hat. Wenn der den Gefahrengut-Transporter mit Blausäure angesteckt, könnte es zu einer gewaltigen Explosion im Tunnel kommen. Zum Leidwesen der Rettungskräfte dreht zudem der Wind. Der Rauch, der aus dem Tunnel austritt, bedroht naheliegende Ortschaften.

„Die Königsklasse der Unfälle“

Die an der Übung beteiligten Reservisten und Rettungskräfte spielten die ernste Lage durch. Sie sorgten für eine Evakuierung der Ortschaften. Wie sollen die Verletzen aus dem Tunnel gerettet werden? Wo werden sie versorgt? Welche Klinik nimmt Patienten mit besonderen Verletzungen wie Verätzungen auf? Wer räumt die Fahrzeuge aus dem Tunnel? Wann und wie wird die Bevölkerung über den Unfall informiert? Wie löscht man bei einem Chemie-Unfall, so dass kontaminiertes Löschwasser nicht ins Grundwasser fließen kann? Kann die Bundeswehr Amtshilfe leisten? Wenn ja, unter welchen Voraussetzungen? Das waren die Fragen, mit denen sich die Reservisten und beteiligten Rettungsdienste beschäftigten. „Ein Massenanfall von Verletzten und Toten, Evakuierungen – es müssen verschiedene Teilnehmer der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit berücksichtigt werden. Das sind Großlagen, bei denen alle Beteiligten Hand in Hand zusammenarbeiten, sozusagen die Königsklasse der Unfälle“, sagte Martin Ruske. Er ist sich sicher, dass die beteiligten Kreisverbindungskommandos nun ideal auf einen Chemie-Unfall in ähnlicher Form vorbereitet sind.

Dass die Realität die fiktiven Übungen im Grenzmuseum schnell einholen kann, hat sich im vergangenen Jahr bewahrheitet. Die Reservisten spielten ein Szenario mit Afrikanischer Schweinepest durch. In der fiktiven Lage hatte befallenes Schwarzwild den Erreger der Tierseuche auf Schweinezuchtbetriebe geschleppt. Nun musste der Katastrophenstab dafür sorgen, unter hohem Einsatz von Personal Fallwild zu suchen und es zu entsorgen. Gleichzeitig mussten die Gebiete mit befallenem Wild abgesperrt werden. „Während der Übung wurde schnell klar, dass hier eine besonders enge Zusammenarbeit zwischen zivilen Stellen und Bundeswehr notwendig ist“, sagte Oberst d.R. Ruske.

Unterstützung wird gern gesehen

Für vier von fünf der im Grenzmuseum beteiligten Kreisverbindungskommandos wurde es wenige Tage später ernst. Die Afrikanische Schweinepest hatte in Brandenburg tatsächlich erreicht. Dank der Ausbildung wussten die Reservisten ganz genau, wie für diese Lage die Abläufe sein müssen und mit welchen Verwaltungsstäben sie zu reden hatten. Es war schnell absehbar, dass die Landkreise nicht dauerhaft aus eigener Kraft hunderte Quadratkilometer große Gebiete nach Fallwild absuchen kann. Somit forderten die Landkreise subsidiäre Amtshilfe bei der Bundeswehr an. Unterstützung kam u.a. von der Marine aus Wilhelmshaven und von den Heimatschutzkompanien mehrerer Bundesländer, unter anderem aus Bayern. „Soldaten und Reservisten sind gut ausgerüstet und ausgebildet. Sie wissen, wie man in Reihe läuft, wie man sich im Gelände orientieren muss, sich fit hält und gegenseitig motiviert. Diese Unterstützung wird von den zivilen Stellen gern gesehen“, schilderte Oberst d.R. Martin Ruske.

Wie gut die Hilfe der Soldaten und Reservisten ankommt, zeigt auch die Coronavirus-Krise. Dieser Einsatz ist aus der Sicht des Reserveoffiziers ein absoluter Meilenstein hinsichtlich der Länge und der Intensität des Einsatzes sowie der damit verbundenen Herausforderungen. Aber auch für die Bundeswehr insgesamt: „Es gibt seit Corona ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen ziviler Verwaltung und Bundeswehr. Wir haben unheimlich davon profitiert. Das Ansehen und Akzeptanz der Truppe in der Bevölkerung ist gewachsen. Es ist selbstverständlich, dass sich Uniformierte in der Kommunalverwaltung bewegen und mit Bürgern auf dem Marktplatz austauschen.“

Die KVK-Übung im Grenzmuseum Schifflersgrund ist offen für KVK-Leiter bundesweit. Wer teilnehmen möchte, kann sich bei Oberst d.R. Martin Ruske melden.

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