Aus der aktuellen loyal: „Wir sind schließlich in einem Krieg“
loyal: Mit welchem Auftrag sind Sie geflogen?
Hauptmann Hendrik H.: Immer zur Aufklärung. Die Aufträge, wohin wir fliegen sollten, kamen vom Combined Air Operations Center in Katar. Dort wird der gesamte Anti-IS Einsatz von den US-Amerikanern kontrolliert und koordiniert. Wir haben immer genau gewusst, wonach wir Ausschau halten.
loyal: Wann waren Sie im Einsatz und wo waren Sie stationiert?
H. H.: Ich bin mit dem ersten Kontingent von Januar bis März 2016 nach Incirlik im Süden der Türkei gegangen und war dann wieder von April bis Juni 2016 dort.
loyal: Wie oft sind sie in diesem Zeitraum mit ihrem Aufklärungstornado aufgestiegen?
H.H.: Ich bin im Schnitt drei bis viermal die Woche geflogen. Es gab aber auch Wochen, da waren es nur ein, zwei Flüge, je nach Auftragslage. Wir hatten immer sechs Crews gleichzeitig in Incirlik und zehn bis zwölf Piloten. Wir sind immer mit zwei Flugzeugen hoch, einmal vormittags und einmal nachmittags.
loyal: Wie hoch sind Sie geflogen und wo genau sind Sie hingeflogen?
H.H.: Ich möchte keine konkrete Höhe und auch keine konkreten Orte nennen. Aber wir sind so geflogen, dass wir gegen Bedrohungen vom Boden geschützt waren, gleichzeitig aber auch unsere Bilder eine gute Qualität aufweisen konnten. Die Kamera am Rumpf des Jets hat mitunter so genau aufgezeichnet, dass unsere Bildauswerter nach dem Flug sogar einzelne Personen darauf erkennen konnten.
loyal: Wie lief die Zusammenarbeit innerhalb der Anti-IS-Koalition ab?
H.H.: Schon bevor wir den Auftrag zur Aufklärung bekommen haben, hatten die Amerikaner ihre Hotspots erkundet, also die Gebiete identifiziert, über die sie mehr Informationen haben wollten. Dann sind wir dort hingeflogen und haben unsere Bilder beim Landeanflug an unsere Spezialisten von der Bildauswertung in Incirlik gesendet. Gemeinsam mit ihnen haben wir dann die Aufnahmen durchgesehen. Wo ist viel Verkehr, wohin fährt ein Lastwagen? Das waren zum Beispiel Informationen, nach denen wir gesucht haben.
loyal: Im syrischen Luftraum sind Flugzeuge verschiedener Nationen unterwegs. Kommt es da vor, dass man plötzlich einem russischen Jet in die Quere kommt?
H.H.: Über dem syrischen und irakischen Luftraum findet ein sogenanntes Battle Management statt. Die Anti-IS-Koalition überwacht also den Luftraum mit eigenen Flugzeugen. In Deutschland wird der Luftraum ja auch kontrolliert. Als Pilot bekomme ich Anweisungen, wenn ich in die Nähe von anderen Flugzeugen komme. Das Personal von der taktischen Luftraumüberwachung sagt mir zum Beispiel, wie weit das andere Flugzeug entfernt ist. Dann manövriere ich meinen Jet so, dass wir uns nicht in die Quere kommen. Wenn man allerdings ein russisches Flugzeug antrifft, ist das auch nicht schlimm. Wir sind ja weder Freund noch Feind in Syrien, sondern neutral. Man duldet sich gegenseitig.
loyal: Assads Luftwaffe ist ja ebenfalls über Syrien unterwegs. Sind Sie auch einmal auf ein syrisches Flugzeug gestoßen?
H.H.: Die syrische Luftwaffe ist natürlich über Syrien unterwegs, aber ich habe nie eines ihrer Flugzeuge getroffen.
loyal: Die Lage zwischen der Türkei und Deutschland ist ja im Moment angespannt. Wie hat sich das auf die Stimmung im Camp ausgewirkt?
H.H.: Auf operationeller Ebene hatten wir nicht viele Berührungspunkte mit dem türkischen Militär. Die Stimmung unter unseren Soldaten war sehr professionell. Wir haben uns von den Medienberichten nicht beunruhigen lassen. Wir haben unseren Job gemacht und uns auf das Wesentliche fokussiert. Unsere Kontingentführung hat sich um die politischen Fragen gekümmert.
loyal: Gab es noch andere Nationen im Camp?
H.H.: Ja, aber wir hatten wenig Kontakt zu ihnen. Man sah sich in der Kantine und mit den Amerikanern hat man hie und da mal ein Schwätzchen gehalten. Sie haben viele Tankflugzeuge Incirlik. Aber es gab wenige Schnittpunkte mit unserer Arbeit.
loyal: Die Bundesregierung plant, in Incirlik mehrere Millionen Euro zu investieren. Wie muss man sich das Leben auf dem Stützpunkt vorstellen?
H.H.: Die fliegenden Besatzungen sind sehr gut untergebracht. Wir können in festen Häusern angenehm wohnen und schlafen. Auch die Hygienebedingungen, zum Beispiel die Duschen, sind sehr gut. Das gilt so aber nur für uns Piloten. Andere Teile des deutschen Kontingents sind in weniger gut ausgestatteten Unterkünften und Containern gelandet. Dort gibt es meist keine Einzelzimmer. Die Verpflegung ist super, das organisieren die US-Amerikaner. Sie kümmern sich immer sehr gut um ihr Personal.
loyal: Würden Sie wieder in den Einsatz nach Incirlik gehen?
H.H.: Ja, ich werde diesen Sommer wieder in den Anti-IS-Einsatz gehen. Ich habe immer gesagt: Ich will nicht nur im "Tornado" trainieren, ich will auch im Einsatz fliegen. Doch geht man immer mit gemischten Gefühlen in diesen Einsatz, es handelt sich schließlich um ein Kriegsszenario. Aber wir sind gut ausgebildet und ich sehe den Einsatz als äußerst sinnvoll an.
Symbolbild oben: Bundeswehr-Pilot und "Tornado".
(Foto: Falk Bärwald/ Bundeswehr)