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Aus der ‚loyal‘: „Keine Unterscheidung mehr von Aktiven und Reservisten“




Sie führen die Reservisten-Organisationen der Bundeswehr. Markus Kneip und Oswin Veith pflegen einen engen und vertrauensvollen Umgang. Deshalb wollten sie auch nur gemeinsam über die Zukunft der Reserve sprechen.

Interview: Marco Seliger
Transkription: Jan Melber

Herr Veith, Herr General Kneip, im Verteidigungsministerium ist in den vergangenen Monaten ein Maßnahmenpaket für Reservisten geschnürt worden. Was ist darin verpackt?
General Kneip: Als ich auf meinem Dienstposten anfing, gab es viele Klagen von Reservisten über Hemmnisse beim Reservistendienst. Ich wollte wissen, ob sie berechtigt sind und stellte fest, dass es tatsächlich viele Mängel gibt. Da sind die Bürokratie in der Bundeswehr, künstliche Barrieren und Pauschalisierungen. Schnell war klar, dass wir etwas tun mussten, um nicht noch mehr Reservisten zu verlieren. Der Reservistendienst musste attraktiver und flexibler werden und wir mussten den Reservisten auch endlich mal richtig zuhören. Denn sie wissen am besten, wo der Schuh drückt. Unser Ziel war und ist es, künftig zwischen Reservisten und Aktiven nicht mehr zu unterscheiden. Jeder hat seine Aufgabe, sein Alter und seine militärischen und zivilberuflichen Fähigkeiten, aber vor allem persönliche Anlagen und Stärken. Das unterscheidet ihn von den anderen. Aber alle zusammen sind Soldaten und dienen unserem Land. Ich muss zugeben, dass ich mich in meinen Kommandeurszeiten, so wie viele andere vermutlich auch, schwer getan habe, Pauschalisierungen in diesem Zusammenhang zu vermeiden. Es hieß einfach "die Reservisten". Dabei sind diese Hunderttausende Männer und Frauen nicht über einen Kamm zu scheren.
Veith: Das Ministerium hat eine Attraktivitätsoffensive gestartet, die wir im Deutschen Bundestag und als Reservistenverband unterstützt haben. Das war erfreulich. Es sind ganz wichtige Maßnahmen getroffen worden, die zum Teil Jahrzehnte lang diskutiert worden sind. Dazu zählt etwa die Verbesserung der Unterhaltssicherung. Mit dem Maßnahmenpaket wurde die Attraktivität des Reservistendienstes erheblich gesteigert. Die rege Nachfrage von Reservisten im abgelaufenen Jahr zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Ich habe in den vergangenen Jahren mit einigen Stellvertretern des Generalinspekteurs über die Reserve gesprochen und immer wieder gehört, Reserve sei wichtig, es werde sich etwas ändern. Wirklich verbessert hat sich für die Reservisten aber kaum etwas. Warum sollte das jetzt anders sein?
Kneip: Die Bedrohungen für unsere Sicherheit und ihre politische und gesellschaftliche Wahrnehmung haben sich verändert. Auch die Herangehensweise an Reservistenthemen ist heute eine andere als noch vor wenigen Jahren. Es ist schlicht notwendig, das allgemeine Potenzial der Bundeswehr zu vergrößern. Dazu sind wir auf unsere Reserve und auf den Reservistenverband angewiesen. Vor allem aber müssen wir auf den einzelnen Menschen offen zugehen.

Das Maßnahmenpaket sieht unter anderem vor, dass Reservisten statt sechs nun zehn Monate Dienst am Stück leisten können und dass auch der Seiteneinstieg als Reserveoffizier mit höherem Dienstgrad möglich sein sollte. Ist das die richtige Richtung?
Veith: Beide Maßnahmen stehen für die stärkere Flexibilisierung und die Individualisierung. Es geht um die Fachexpertise, die ein Reservist mitbringt, um seine Lebenserfahrung, seinen Gesundheitszustand, seine Motivation. Das ist bei jedem anders. Also müssen wir ihm ein individuelles Paket schnüren, immer mit der Maßgabe: Wie nützt dies der Bundeswehr und dem Land am besten. Wir müssen weg vom Massenprodukt "Reserve", weg von den aggregierten Zahlen; das Individuum zählt. Auch in der Reserve kämpfen wir um die klügsten Köpfe. Deshalb dürfen es auch mal ein paar Gramm mehr sein, wenn der Mann oder die Frau nicht gerade dort verwendet wird, wo das Körpergewicht entscheidend ist, etwa im Stab oder in der Logistik.
Kneip: Das neue Unterhaltsicherungsgesetz, vereinfachter Gesundheitscheck, ein leichterer Seiteneinstieg, vorläufiger Dienstgrad, höherer Dienstgrad aufgrund zivilberuflicher Qualifikation – all dies sind Maßnahmen gewesen, um den Reservistendienst den Herausforderungen unserer Zeit anzupassen. Wir sind überzeugt, dass das ein gutes Maßnahmenpaket ist. Jeden Reservisten einzeln zu betrachten, ist sicher mühselig. Aber es gibt keine Alternative. Und es lohnt sich für den Menschen und für die Bundeswehr.

Hat die Bundeswehr überhaupt eine Personalorganisation, die diesen Mehraufwand leisten kann?
Kneip: Die Personalberater, die Reservisten-Feldwebel, die Ärzte, das ganze Personal ist noch überwiegend an der alten Zeit ausgerichtet. Nicht im Kopf, das meine ich nicht. Sondern an der Anzahl der Menschen, der Zahl der Dienstposten. Da leben wir immer noch in der Zeit, als es nur um Abbau ging, sowohl in der aktiven Truppe als auch in der Reserve. Es gibt schlicht zu wenig Personal für eine differenziertere und intensivere Betreuung von Reservisten. Das gilt für alle Bereiche: Truppe, Ämter, Schulen usw. Das muss sich ändern. Und es wird sich ändern. Wir müssen in der Beratung und der Betreuung von Reservisten ihren gestiegenen Bedeutungsgrad auch numerisch abbilden.
Veith: Bei der Jahrestagung Reserve im Oktober ist genau das deutlich geworden. Viele Reservisten sind mit ihrer Beratung und Betreuung durch die Bundeswehr unzufrieden. General Kneip und ich mussten uns vielen kritischen Fragen stellen. Selbst die Ministerin, die statt einer Dreiviertelstunde zwei Stunden geblieben ist, hat sich tapfer der Diskussion gestellt.
Kneip: Und das waren teilweise sehr unbequeme Fragen.
Veith: Die lange Anwesenheit der Ministerin auf der Jahrestagung hat gezeigt, dass sich auf höchster Ebene etwas verändert hat. Die Bedeutung von Reservisten für die Bundeswehr und das Land ist erkannt worden. Für unseren Verband heißt das, dass wir im neuen Jahr noch mehr Interessenten für einen Dienst in der nationalen Reserve gewinnen wollen. Wir brauchen auch diejenigen, die einfach nur Interesse an der Verteidigungsfähigkeit unseres Landes haben, bei uns mitmachen wollen und damit treu an der Seite der Bundeswehr stehen.

Die Abschaffung der Wehrpflicht hat dafür gesorgt, dass sich Reservisten nur noch aus dem Kreis der ausscheidenden Zeit- und Berufssoldaten rekrutieren lassen. Die "Abschöpfungsquote" liegt derzeit bei niedrigen zwölf Prozent. Was wollen Sie dagegen tun?
Kneip: Das ist wahrlich kein Ruhmesblatt für die Bundeswehr, wenn sich ausscheidende Zeit- und Berufssoldaten nur in geringer Prozentzahl bereit erklären, als Reservist zur Verfügung zu stehen. Man muss natürlich sehen, dass beide Statusgruppen zuerst mal ihren privaten, zivilberuflichen Lebensweg finden müssen. Aber es ist der Anspruch an uns Aktive, und zwar vom Kompaniefeldwebel aufwärts bis zum General, bis zu mir selbst, dass wir Soldaten so gut führen und informieren, dass sie uns gewogen bleiben. Wenn Soldaten mit der Bundeswehr abschließen, weil sie schlecht geführt und informiert sind, dann tut mir das weh.
Veith: Ich würde mir wünschen, das jeder, der Führungsverantwortung in der Bundeswehr trägt, ausscheidenden Soldaten den Hinweis gibt, dass sie Reservistendienst leisten und Mitglied im Reservistenverband werden können und dass sie am kompletten Füllhorn des Angebotes des Reservistenverbands teilhaben und nebenbei auch noch elf Exemplare einer hochkarätigen sicherheitspolitischen Zeitschrift bekommen können. Hier geht es um eine nationale Aufgabe, diejenigen zu halten, die ein Herz für die Bundeswehr haben und bereit sind, weiter unserem Land zu dienen. Unser Verband wird sich dabei noch intensiver einbringen. Die Bundeswehr sollte das auch tun.

Das Ministerium hat eine Studie beauftragt, herauszufinden, was Reservisten motiviert, in der Bundeswehr zu dienen. Was ist dabei herausgekommen?
Kneip: Die Studie ist noch nicht abgeschlossen. Aber sagen lässt sich bereits, dass die Motivationslage breit gefächert ist. Das reicht von monetären Gründen, was überhaupt nicht ehrenrührig ist, bis hin zur Überzeugung, unbedingt etwas für das Land tun zu müssen. Es ist ja stets eine Mischung von unterschiedlichen Gründen. Die meisten Befragten äußern übrigens, dass sie eine Wertschätzung für ihren Dienst erfahren wollen. Also auch hier geht es wieder um die individuellen Bedürfnisse und Belange. Um Zuwendung. Und wenn dann auch noch das Finanzielle stimmt, treffen sich Sinnstiftung und Nutzen.
Veith: Wenn die Ergebnisse der Untersuchung vorliegen, dann werden wir sehen, wo wir noch nachjustieren müssen, um den Reservisten noch stärker eine militärische Heimat zu geben.

Die weltpolitische und die sicherheitspolitische Lage haben sich erheblich verändert. Heimatverteidigung hat eine neue Bedeutung gewonnen. Welche Rolle sollte die Reserve hierbei künftig spielen?
Veith: Der Veränderungsdruck wächst. Das spüren wir Politiker sehr konkret. Die Menschen erwarten von uns, dass sie weiter in Sicherheit leben können und wir alles Notwendige dafür tun. Im Verband haben wir uns dazu erste Gedanken gemacht und werden das weiter tun. Ich frage mich: Ist das, was wir in den vergangenen Jahren als RSU-Kompanien geschaffen haben, zukunftsfähig? Und ich sage: Nein, ist es nicht. Ich bin überzeugt, dass es in zehn, 15 Jahren keine RSU-Kompanien mehr geben wird, sondern größere Verbände. Ich denke da etwa an Landesregimenter, die zur Unterstützung der Sicherheitsbehörden und Blaulichtorganisationen eingesetzt werden können. Wir müssen jetzt darüber nachdenken, damit wir nicht immer wieder von den Entwicklungen getrieben werden.
Kneip: Wir stützen diese Gedanken im Grundsatz. Durch die Fokussierung auf Landes- und Bündnisverteidigung wird Deutschland wieder zur Logistikdrehscheibe der Nato. Das ist eine riesige Aufgabe für uns alle, zuvorderst für die Streitkräftebasis, die zum Beispiel die großen Truppenbewegungen der US-Streitkräfte managen muss. Da sollen und müssen auch Reservisten angedockt werden. Das wird sich auch in der nächsten Konzeption der Bundeswehr niederschlagen, die wir im neuen Jahr vorlegen werden. Der Reserve wird in diesem Zusammenhang eine sehr konkrete Rolle zugeordnet. Sie muss uns helfen, dass die Bundeswehr in allen Bereichen durchhaltefähiger wird. Und damit sie das kann, müssen wir sie wieder besser aufstellen. Genau das haben wir vor.

Meine Herren, vielen Dank für das Gespräch.

 

Bild oben: Interview im Dienstzimmer des Stellvertreters des Generalinspekteurs:
Oswin Veith, Generalleutnant Markus Kneip und loyal-Chefredakteur Marco Seliger.
(Foto: Stephan Pramme)

Bild Mitte: Markus Kneip (links), geboren 1956,
seit 1. Oktober 2015 Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr
und Beauftragter für Reservistenangelegenheiten;
ab Mitte 2017 Chef des Stabes im Operativen Hauptquartier der Nato (Shape).
Oswin Veith, geboren 1961, seit 2013 Mitglied des Deutschen Bundestags (Wahlkreis Wetterau)
und ordentliches Mitglied im Innenausschuss;
seit August 2016 Präsident des Reservistenverbands, Oberst d.R.
(Foto: Stephan Pramme)

Bild unten: Interview im Dienstzimmer des Stellvertreters des Generalinspekteurs:
Oswin Veith, Generalleutnant Markus Kneip.
(Foto: Stephan Pramme)

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