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Die Ukraine wird auch mit „Thors Hammer“ verteidigt

Rund 30.000 ukrainische Soldaten wollen die Armeen der EU-Staaten in diesem und im nächsten Jahr auf ihrem jeweiligen Grund und Boden ausbilden – also 15.000 pro Jahr. Den Rahmen dafür bildet die European Military Assistance Mission Ukraine (EUMAM UA), an der sich auch die Bundeswehr beteiligt. Ein Schlüssel zum Erfolg sind die Sprachmittler. Sie erläutern, was es mit „Thors Hammer” auf sich hat.

Symbolbild: Die ukrainischen Soldaten werden in Deutschland unter anderem an Schützenpanzern vom Typ Marder ausgebildet. Dieses Foto entstand bei einer Übung in Litauen.

Foto: Bundeswehr/Jana Neumann

AusbildungUkraine

Waffen- und Geräteausbildung, Schießausbildung und Gefechtsdienst: Ukrainische Soldaten werden derzeit exakt nach ihrem Bedarf am jeweiligen Gerät kriegsbefähigt. Zuletzt waren es der Schützenpanzer Marder und der Leopard 2. Zwölf Stunden am Tag, sechs Tage die Woche lernen die ukrainischen Soldaten. Die deutschen Ausbilder stehen ihnen fast rund um die Uhr zur Verfügung. „Wir wissen um die Dringlichkeit“, sagt einer von ihnen. „Wenn sie Fragen haben, gehe ich mit ihnen jederzeit nochmal an den Panzer und erkläre das.“ Dass die EU-Arbeitszeitrichtlinie hier kurzfristig ausgesetzt ist – geschenkt. Nach der Ausbildung wird das Zeitkonto ausgeglichen und die Soldaten können sich erholen.

Der Lehrgang ist intensiv, die Motivation der Teilnehmer und der Ausbilder riesig. Den Lehrgangsteilnehmern steht dabei die doppelte Anzahl von Ausbildern beziehungsweise Unterstützern gegenüber. Neben den Mentoren werden beispielsweise auch Logistiker, Instandsetzer oder die Truppenküche benötigt. Eine ganz entscheidende Rolle kommt den Übersetzern und Sprachmittlern zu. Sie sind aus der gesamten Bundeswehr zusammengezogen worden. Die Ausbildung erfolgt meist auf Russisch. „Wir haben den Kameraden gleich zu Beginn klar kommuniziert, dass es kaum deutsche Soldaten mit Ukrainisch-Kenntnissen gibt“, berichtet einer der Ausbilder. „Aber das hat gepasst, es gab keine Verständigungsschwierigkeiten.“

Unterstützung durch den Reservistenverband

Der Reservistenverband unterstützte bei der Suche nach Sprachmittlern mit einem internen Aufruf. Denn: Eine Bedarfsmeldung an das Bundessprachenamt etwa, um ziviles Personal anzufordern, war aufgrund der besonderen Sicherheitsvorkehrungen keine Option. 80 Reservistinnen und Reservisten mit Russisch-Kenntnissen meldeten sich. „Das zeigt einmal mehr: Die Reserve ist da, wenn man sie braucht“, freut sich der Präsident des Reservistenverbandes, Oberst d.R. Professor Dr. Patrick Sensburg. Der Verband biete gerne an, die Zusammenarbeit für die kurzfristige Abfrage solcher Spezialkenntnisse zu intensivieren und gemeinsam zu professionalisieren. „Der Reservistenverband ist ein starkes Netzwerk, das die Bundeswehr professionell unterstützen kann, wenn sie dies will.“

Ausbildung an der Panzerhaubitze 2000 an der Artillerieschule in Idar-Oberstein. (Foto: Rainer Wenning)

Wie viele der Sprachmittler nun konkret eingesetzt wurden, konnte die Bundeswehr bis Redaktionsschluss mit Verweis auf den Datenschutz und die Sensibilität der Ausbildungsmission nicht sagen. Fest steht aber: Die ukrainischen Soldaten nehmen die Ausbildung mit Dankbarkeit an. „Die Bedingungen sind super, Deutschland und die Bundeswehr unterstützen uns mit allem, was wir für eine gute Ausbildung brauchen“, lobt ein ukrainischer Panzerkommandant nach der Leopard-Ausbildung. Er kam direkt von der Front und hat dort mit den russischen Panzern T64 und T72 gekämpft. Er ist überzeugt davon, dass der Leopard 2 ihm und seinen Kameraden bei der Verteidigung der Frontlinie einen entscheidenden Vorteil verschaffen wird. Ein Richtschütze ergänzt: „Russland wird nur dann aufgeben, wenn es sieht, dass weitere Kämpfe sinnlos sind. Jede Hilfe unserer Partner bringt das Kriegsende näher.“ Ukrainische Kräfte hätten bereits zweimal gezeigt, dass westliche Systeme ihnen dabei helfen würden, besetzte Gebiete zurückzugewinnen.

Faktor Zeit ist entscheidend

Die Sprachmittler werden quasi mit ausgebildet, berichtet einer der deutschen Teamleiter: „Damit sie das Systemverständnis haben, um es dann an die ukrainischen Kameraden weiterzugeben.“ Das funktioniert sehr gut – und auch die Übersetzer eignen sich rasch die notwendige Expertise an, so dass sie gelegentlich Anweisungen der Ausbilder schon vortragen, bevor diese überhaupt ausgesprochen haben. Wie wichtig solche Übersetzer sind, erklärt Oberst Michael Sack, Leiter der Schule für gepanzerte Kampftruppen an der Panzertruppenschule in Munster, an einem Beispiel: „Bevor die Sprachmittler eintrafen, haben wir Taschenkarten mit Google Translator übersetzt. Da wurde dann aus dem ‚T-Schlüssel‘ beim Schützenpanzer Marder ‚Thors Hammer‘ in der Übersetzung.“ Das sorgte natürlich für Verwirrung auf ukrainischer Seite. Durch den zwischengeschalteten Sprachmittler dauerte eine ohnehin schon gestraffte Ausbildungseinheit drei Mal so lange wie sonst. „Aber Zeit ist eben das, was die Ukrainer nicht haben“, sagte ein in die Ausbildung involvierter Hauptmann. „Selbst nach Dienstende sitzen die noch auf den Stuben und arbeiten mit den Taschenkarten, die wir für sie erstellt haben“, hat auch Oberst Sack beobachtet.

Symbolbild. (Quelle: Bundeswehr)

Unter den Teilnehmern sind junge Soldaten ebenso wie kampferfahrene Krieger. Alle seien wissbegierig, aufnahmefähig und handwerklich sehr geschickt. Jeweils von Montag bis Sonntag waren die ukrainischen Kameraden in Deutschland. Die Ausbildung wurde dabei so gestaltet, dass die Ukrainer in ihrer Heimat als Multiplikatoren fungieren und ihre Kenntnisse weitergeben können. Denn: Sollte einer der ausgebildeten Soldaten fallen, soll so das Wissen in den Streitkräften erhalten bleiben. „Man gibt das nicht so zu, man liegt sich auch nicht Arm in Arm, aber es entsteht eine emotionale Verbindung“, sagt ein Ausbilder. „Man weiß ja, dass sie an die Front gehen und in Kriegshandlungen verwickelt werden. Natürlich denkt man darüber nach, wer überlebt.“

Bedarfsorientierte Ausbildung

Neben den EU-Staaten bilden auch die USA und Großbritannien ukrainische Soldaten aus. Teils sind es Rekrutinnen und Rekruten, die noch in der Grundausbildung stecken. Andere Soldatinnen und Soldaten dagegen bringen Jahre an Kriegserfahrung mit: Schließlich wird in der Ukraine seit 2014 gekämpft. Der Ausbildungsstand der ukrainischen Truppen ist also sehr unterschiedlich. Auch zivile Qualifikationen spielen eine Rolle: Ein ukrainischer Kfz-Mechaniker etwa bringt gute Voraussetzungen mit, um zum Instandsetzungssoldaten für Panzer ausgebildet zu werden. Die Bundeswehr stellt der Ukraine eine Fülle von Ausbildungsmodulen zur Verfügung. Wer genau worin ausgebildet wird, orientiert sich am Bedarf der ukrainischen Streitkräfte. Die Bundesregierung hat der Ukraine 40 Marder-Schützenpanzer und 18 Kampfpanzer des Modells Leopard 2 A6 schon geliefert. Daran orientierte sich auch die Ausbildung. Außerdem werden Sanitäter für die Kampftruppe und Pioniere ausgebildet, letztere insbesondere im Räumen von Minensperren. Schon 2022 absolvierten ukrainische Soldatinnen und Soldaten Ausbildungen an Waffensystemen wie der Panzerhaubitze 2000 und dem MARS-Raketenwerfer. Beide Systeme setzen die ukrainischen Streitkräfte inzwischen mit großem Erfolg ein.

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