Bangladesch – Terroristische Bedrohung
Report der "International Crisis Group"
Allein für den Zeitraum 2005-2010 hat das "South Asia Terrorism Portal" (SATP) für Pakistan 24 018 und für Indien 12 719 Terroropfer registriert; in den ersten beiden Monaten dieses Jahres waren es bereits 1 004 respektive 295. Bangladesch, das
vormalige Ost-Pakistan, stellt mit 59 Opfern in den letzten fünf Jahren und dreien seit Jahresbeginn regional gleichsam eine Oase des Friedens dar. Aber wird dieser Zustand von Dauer sein? Die "International Crisis Group" (ICG) meldet Zweifel an und verweist auf beunruhigende Entwicklungen.
In ihrem Anfang März vorgelegten Report "The Threat from Jamaat-ul Mujhideen Bangladesh" stellen die Verfasser zunächst fest, dass die JMB trotz der Dezimierung ihrer Kräfte in den letzten fünf Jahren eine bedrohliche terroristische Organisation geblieben sei. Gerade auch ihre Verbindung zur pakistanischen Lashkar-e-Tayyaba (LeT) gäbe zu ernsten Sorgen Anlass. Seit der Bombenanschläge vom August 2005 habe die Polizei Hunderte von JMB-Mitgliedern festgenommen und überdies seien sämtliche Granden der ursprünglichen Führungsriege, einschließlich des Gründers Scheich Abdur Rahman, inzwischen hingerichtet worden, so der Report.
In toto sei es den staatlichen Organen gelungen, die terroristische Bedrohung so in den Griff zu bekommen, dass Organisationen wie die JMB ums Überleben kämpfen müssten. Niemand solle deswegen allerdings den Niedergang der Gruppierung als gesichert ansehen: Die Gerichtsunterlagen nach den Razzien von 2005 hätten eine Menge Informationen über die Herkunft der JMB, ihre Ziele, Ausbildung, Finanzierung und Führung geliefert. Abdur Rahman sei angetreten, Bangladesch islamischem Recht zu unterwerfen. Demnach, so der Report, habe er keine internationalistisch angelegte Jihad-Agenda gehabt. Außerdem habe die JMB ihre Anschläge auf staatliche Einrichtungen konzentriert, insbesondere auf Gerichte und Richter.
Die JMB ist nach Recherchen der ICG in einen religiös-propagandistischen und einen militärischen Flügel gegliedert. Mitte der Dekade soll die JMB 2 000 Kämpfer gehabt haben; heute dürften es noch etwa 250 sein. Seit 2005 sei die Organisation bei der Rekrutierung sehr viel vorsichtiger geworden. Der Nachwuchs käme nunmehr primär aus vier JMB-kontrollierten Madrassas sowie von ausgewählten Schulen und Universitäten, sagen die Verfasser.
Die Mittel beziehe die Organisation aus Spenden ihrer Mitglieder, von Auslandsbangladeschi und von Förderern insbesondere in Saudi-Arabien und Kuwait; hinzu kämen, so der Report, Gewinne aus einer Anzahl lokaler Unternehmungen. Die JMB sei überdies auch an einem von der LeT organisierten, in ganz Südasien wirksamen Fälscherring beteiligt und betreibe Waffenschmuggel über die indische Grenze. Dennoch seien die Mittel knapp geworden.
Derzeit bemüht sich die JMB nach Auffassung der ICG darum, mit einer "talibanähnlichen" militärischen Machtübernahme ein Gebiet im Nordwesten zu gewinnen, um von dieser Basis aus das Land schrittweise zu übernehmen. Angesichts der angespannten Finanzlage und der neuen Aufklärungsmitteln der Behörden, erscheine eine Umsetzung dieses Planes heuer allerdings eher unrealistisch, meint man in London; auf der anderen Seite sehe sich die JMB-Führung nicht unter Zeitdruck.
Bangladeschs politische Elite habe seit längerer Zeit die Gefahr erkannt, die von der JMB auch weiterhin ausgeht; die derzeitige von der Awami Liga geführte Regierung Hasina Wajet sei sich dieses Problems besonders bewusst, da Partei-Mitglieder wiederholt Ziel von Anschlägen gewesen seien, sagt der Report. Aber interne Streitigkeiten, fehlende Koordination zwischen den Diensten und die Abwesenheit
einer Spezialeinheit zur Terrorismusbekämpfung hätten jegliche nachhaltige Bemühung unterminiert, die Organisation völlig zu demontieren. Die Möglichkeit erneuter Anschläge bleibe, und daher rät die ICG der Regierung in Dhaka, die geplante Anti-Terror-Einheit baldmöglichst aufzustellen und die Zusammenarbeit insbesondere mit dem Nachbarn Indien zu verstärken. (Günter F.C. Forsteneichner)