Bereit für die Reserve!
Junge Menschen leisten Freiwilligen Wehrdienst im Heimatschutz. Ehemalige Wehrpflichtige nehmen regelmäßig an Ausbildungen teil. Andere sind in Verbindungskommandos eingesetzt und nutzen ihr Netzwerk. Mit ihrem zivilen Know-how sind sie alle eine wichtige Ressource für die Bundeswehr im Bundesland. Und die Möglichkeiten für die Reservistendienst Leistenden sind vielfältig. Hier berichten Reservistinnen und Reservisten aus Nordrhein-Westfalen über ihr Engagement.
Das Gelände ist unübersichtlich, die Entfernung zum Feind gering. Mit nur 1.000 Meter pro Stunde bewegt sich der Spähtrupp durch ein Waldstück auf dem Übungsplatz Dorbaum in Münster, nähert sich langsam einer freien Fläche. In der Entfernung ist Rauch zu erkennen. Die Freiwillig Wehrdienstleistenden (FWDL) im Heimatschutz stimmen sich ab: Wie bekommen sie Informationen über die feindlichen Kräfte? Der Spähtrupp ist eine Aufgabe ihrer Abschlussübung – neben dem Betrieb eines Alarmpostens, eines Checkpoints mit einer Kfz- und Personen-Schleuse sowie der „Streife“.
Vor sechs Monaten starteten die 23 Soldatinnen und Soldaten mit der allgemeinen Grundausbildung. Seit drei Monaten werden sie im Heimatschutzregiment 2 in Münster ausgebildet, erhalten die Spezialisierung für ihre zukünftigen Aufgaben als Heimatschutzkräfte. Dazu zählt etwa der Schutz kritischer Infrastruktur und die Unterstützung von Bündnispartnern im Rahmen des sognannten Host Nation Supports. Dieses Szenario ist auch die fiktive Lage für die Abschlussübung: Ein Staat hat einen unserer Bündnispartner angegriffen, Artikel 5 des NATO-Vertrags wurde ausgelöst – jetzt verlegen alliierte Streitkräfte durch Deutschland in ihren Einsatzraum im Osten. Aufgabe der Heimatschutzkräfte ist die Sicherung der NATO-Marschroute und der Versorgungswege. Sie werden dafür ausgebildet, immer auch mit zivilen Personen Kontakt zu haben. Ist der Jogger jetzt wirklich Freund – oder vielleicht doch Feind? Freundliches, wenn auch bestimmtes Auftreten ist für die Heimatschutzkräfte enorm wichtig.
Zurück auf dem Übungsplatz: Bei kühlen fünf Grad harrte Gefreiter Evi B. (18) bis eben im Alarmposten aus. Die junge Frau startete direkt nach dem Abitur bei der Bundeswehr: „Mein Vater hat mir den Freiwilligen Wehrdienst vorgeschlagen.“ Eigentlich hatte die 18-Jährige schon eine Einstellungszusage für die Ausbildung mit dualem Studium bei der Polizei. „Aber den Termin habe ich um ein Jahr verschoben, weil ich gerne mit einer Freundin für einige Monate ins Ausland möchte.“ Für den Trip wollte sie Geld verdienen, aber eben mit einer sinnvollen Aufgabe: „Für mich ist der Heimatschutz eine gute Sache. Auch, weil ich danach zur Polizei gehe.“ Ein Highlight in den vergangenen Monaten war für Gefreiter Evi das Feierliche Gelöbnis. Auch die anstrengenden Eilmärsche mit Gepäck meisterte die junge Frau souverän. Wann sie an ihre Grenzen kommt? „Mental nervenzehrend wird es in den kalten Nächten draußen. Wenn wir schon alle Klamotten anziehen und trotzdem nichts mehr hilft.“
Heimatschutzkräfte, Reservistendienst Leistende im Heimatschutzregiment oder einem der zahlreichen Verbindungskommandos im Bundesland – sie alle engagieren sich freiwillig und sind eine wertvolle Unterstützung für die Bundeswehr im Bundesland.
„Wir haben Vorteile, was die Zivil-Militärische Zusammenarbeit angeht“, weiß Feldwebel Roman K. (41). Der Justizvollzugsbeamte aus Bottrop ist in der Heimatschutzkompanie Ruhrgebiet beordert, war Wehrpflichtiger und übt seit vielen Jahren regelmäßig. In Münster unterstützt der Familienvater die Abschlussübung, hat mit seiner Gruppe den Checkpoint übernommen. „Ich bin Zivilist. Ich denke, wir sind sehr gut darin, wie wir mit unseren zivilen Bürgern umgehen. Denn wir sind Zivilisten und tauschen dann nur die Rolle. Da können wir die aktive Truppe sehr gut entlasten.“ Feldwebel K. weiß, welche Vorteile die Heimatschutzkräfte bieten: „Mein Schwerpunkt im Heimatschutz sind Katastrophenlagen wie Hochwasser. Ebenso der Schutz kritischer Infrastruktur – besonders bei der hybriden Kriegsführung, die wir erleben. Oder der Host Nation Support – wenn Konvois etwa von Vlissingen an die NATO-Ostflanke verlegen. Diese Aufgaben müssen Soldaten übernehmen. Aber wenn ich die Wahl habe: Für mich ist ein aktiver Panzergrenadier eine Hochwert-Ressource mit einer intensiven, mehrjährigen Ausbildung und Hochwert-Material – den würde ich so etwas nicht machen lassen. Da kommen eben wir ins Spiel – das können Reservisten gut.“
„Die Leute beißen sich durch“
Und natürlich braucht die Reserve Nachwuchs. Feldwebel Roman K.: „Es reizt mich, hier mit den jungen Männern und Frauen zu üben. Ich frage sie auch immer nach ihrer Motivation, denn sie sind Freiwillige, ich war Wehrpflichtiger. Ich bin total positiv überrascht, dass hier kein Abbrecher dabei ist. Zu meiner Zeit waren Viele den Herausforderungen nicht gewachsen. Hier beißen die Leute sich durch – sie wollen das mit ihren Kameraden durchstehen. Das beeindruckt mich als Familienvater, gerade wenn viele der Generation Z wenig zutrauen.“
Gefreiter Senan S. (20). ist einer, der sich der Herausforderung FWDL gestellt hat. Direkt nach der Schule startete er mit einem Studium, entschied sich dann aber doch für eine „Pause“. Der 20-jährige Bonner interessierte sich für den Arbeitgeber Bundeswehr: „Als ’normaler‘ FWDL hätte ich nicht gewusst, welche Truppengattung ich wählen soll. FWDL im Heimatschutz war relativ neu und hörte sich gut an: Sieben Monate bin ich aktiv, dann übe ich über sechs Jahre insgesamt mindestens weitere fünf Monate als Reservist.“ Dieses Jahr geht es für den 20-Jährigen wieder zurück an die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg: „Dann mache ich mein Maschinenbau-Studium fertig.“ Aber eine Zukunft als Feldwebel oder Offizier der Reserve kann sich der Bonner gut vorstellen. Und wie reagiert sein Umfeld auf sein Engagement? „Aus meiner Familie haben einige ihren Wehrdienst gemacht. Sie meinten: ‚Schau es Dir an.‘ Vor allem meine Großeltern fanden es richtig gut.“
Die Unterstützung durch das private und das berufliche Umfeld ist für die Reservistendienst Leistenden essenziell. Feldwebel Roman K. stellt klar: „Wenn ich hier bin, bin ich nicht in meiner Behörde, kann kein Familienvater sein. Natürlich geht es mir besser, wenn ich weiß, zu Hause ist alles cool und auch auf der Dienststelle läuft es. Die übrigen Bediensteten machen meinetwegen mehr Überstunden.“
„Verschärftes Ehrenamt“
Eine Erfahrung, die auch Fregattenkapitän Marko Z. (49) teilt. Im zivilen Leben ist der Familienvater Fachreferent für Kultur und Integration und sitzt im Büro von Düsseldorfs Oberbürgermeisters Dr. Stephan Keller. Als Reservist ist Fregattenkapitän Marko Z. als stellvertretender Leiter im Kreisverbindungskommando Düsseldorf eingesetzt.
Zum Hintergrund: Alle Landeskommandos haben Verbindungskommandos in ihren jeweiligen Bundesländern. Diese unterstehen dem jeweiligen Kommandeur des Landeskommandos. In Nordrhein-Westfalen gibt es diese Kommandos in den fünf Regierungsbezirken sowie den 54 Landkreisen und kreisfreien Städten. Dazu kommt ein Verbindungskommando im Innenministerium sowie aufgrund der gemeinsamen Grenze je eins in den Niederlanden und in Belgien. Die Verbindungskommandos sind mit Reservistendienst Leistenden besetzt, die in der Regel bestens mit den Kommunen vernetzt sind. Eine Qualifikation, die aktive Soldaten schon aufgrund der häufigen Versetzungen kaum bieten können. Dabei ist der konstante Austausch mit der Kommune und den Blaulichtorganisationen in der Region von großer Bedeutung. „In der Krise Köpfe kennen“ lautet das Motto.
Auch Marko Z. zählt zur Generation Wehrpflicht: „Nach meinem Abitur 1994 habe ich meinen Grundwehrdienst bei der Marine geleistet. Danach habe ich lange Zeit keinen Kontakt zur Bundeswehr gehabt. Bis mir vor rund 14 Jahren ein Arbeitskollege sagte, dass er regelmäßig als Reservist an Übungen teilnimmt. Das klang interessant. Also habe ich mich bei dem für die Reservisten zuständigen Landeskommando gemeldet. Ich wurde nach meinem Lebenslauf gefragt, es folgte ein persönliches Gespräch und dann hieß es schon: „Alles klar, wir machen sie zum Reserve-Offizier.“ Marko Z. verließ die Bundeswehr seinerzeit als Obergefreiter. Aufgrund seiner zivilen Ausbildung und Qualifikation ist er heute Fregattenkapitän – und seit September 2020 stellvertretender Leiter im Kreisverbindungskommando (KVK) Düsseldorf. Sein ziviler Beruf ist ein großer Vorteil für das KVK: „Im Büro des Oberbürgermeisters sind die Wege extrem kurz. Ich habe schon dienstlich einen direkten Draht zum Leiter der Feuerwehr in Düsseldorf. Das erspart Wege, wenn wir aus dem KVK ein Anliegen haben. Das persönliche Kennen hat – wie im überall Leben – einen positiven Effekt.“
Marko Z. nennt seine Reservistentätigkeit gerne „verschärftes Ehrenamt“. Denn wenn eine Kommune den Krisenstab einberuft, sitzt dort immer auch ein Reservist aus dem Verbindungskommando: „Als Mitglied des KVK ist das dann keine Form von Freiwilligkeit mehr.“ Da müssen Arbeitgeber und die Familie das Engagement unterstützen. Wie bei Feldwebel K. muss auch das Team von Fregattenkapitän Marko Z. seine Abwesenheit auffangen: „Und natürlich ist das Familienleben eine Herausforderung, wenn am Wochenende eine Übung ansteht.“
Auch zivile Stellen sind Teil der Landesverteidigung
Erst im Oktober 2024 fand die zweitägige Großübung LoKi24 (Lokale Katastrophenschutzübung interdisziplinär 2024) statt, die vom KVK Düsseldorf organisiert wurde – wir berichteten. Im Mittelpunkt stand dabei die Zusammenarbeit von zivilen und militärischen Kräften, wenn es zur Katastrophe kommt. Rund 300 von ihnen nahmen auf dem Düsseldorfer Mobilmachungsstützpunkt Knittkuhle an der Übung teil. Darunter waren etwa 100 Soldatinnen und Soldaten aus dem Landeskommando Nordrhein-Westfalen, dem Heimatschutzregiment 2 in Münster und der Sanitätsstaffel 1 aus Köln-Wahn. Von zivilen Hilfsorganisationen waren die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft (DLRG), das Deutsche Rote Kreuz (DRK), der Arbeiter-Samariterbund (ASB), das Technische Hilfswerk (THW), die Johanniter und Malteser vor Ort.
Marko Z.: „Es ist essenziell, zu den entscheidenden Akteuren einen guten Draht zu haben. Dafür ist so eine Übung wie LoKi wichtig. Und das Signal aller Teilnehmenden war positiv: ‚Das war toll, das wollen wir wiederholen.’“
Was sich der Soldat Marko Z. von der zivilen Seite wünscht: „Die Bundeswehr ist da, wenn eine Katastrophe passiert – das wird gesehen. Aber auch die zivilen Stellen und Kommunen müssen verstehen, dass sie Teil der Landesverteidigung sind.“ Eine Tatsache, die er auch im Büro des Oberbürgermeisters anspricht: „Es gibt ein zunehmendes Problembewusstsein.“ So profitiert dann auch der Arbeitgeber vom Bundeswehr-Know-how eines Marko Z.
Wer Interesse daran hat, in einem Verbindungskommando als Reservistendienst Leistender zu üben, kann mit dem Landeskommando Nordrhein-Westfalen in Kontakt treten.
Telefon: 02 11 / 9 59 – 34 37
E-Mail: LKdoNWS3AusbPlg@bundeswehr.org
Das Heimatschutzregiment 2 in Münster ist hier erreichbar:
Telefon: 02 51 / 9 36 10 00
E-Mail: HSchRgt2BewerberRes@bundeswehr.org