Boris Barschow öffnet den anderen Blickwinkel
reservistenverband.de: Blog, Artikel und Reportagen zum Thema Afghanistan – was hat Ihr Interesse am Land geweckt und warum lässt es sie nicht los?
Boris Barschow: Über die Bundeswehr habe ich als Reserveoffizier den Weg nach Afghanistan gefunden. Ein Journalist in Uniform ist ja immer ein bisschen grenzwertig für die Militärs. Da ich ja trotz Uniform mein Journalistenhirn nicht abschalten konnte, wunderte ich mich, dass sich das Land aus meiner subjektiven Perspektive 2007 nicht so zeigte, wie es unsere Massenmedien zeichneten. Ich traf auf hoffnungsfrohe Menschen, die dem Westen vertrauten und ihn nicht missen wollten. Ich sah mit eigenen Augen Isaf-Erfolgsprojekte, die von unseren Medien nicht transportiert wurden. Es hat sich auch niemand für diese Geschichten interessiert, etwa die von "Afghan Coke", das sogar mit Investitionen aus Deutschland zustande kam.
reservistenverband.de: War das ein Knackpunkt, mehr für Afghanistan zu tun?
Barschow: Ich bin nicht der einzige Mensch, der vom Hindukusch fasziniert ist, von Land und Leuten. Ein Versprechen an einen Kabuler Schuldirektor hat mich wohl dazu gebracht, mich medial mehr für Afghanistan einzusetzen. Daraus entstand auch das Buch "Kabul, ich komme wieder". Ich blogge seit 2007 über Afghanistan, um andere Perspektiven aufzuzeigen, möchte die Menschen fürs Land interessieren und begeistern, möchte ihnen die sicherheitspolitischen Scheuklappen nehmen. Mit Afghanen auf Augenhöhe kommunizieren, ihnen Aufmerksamkeit schenken, das ist mein Ziel.
Und nach drei Einsätzen hat sich mein Leben stark verändert. Ich bin dankbarer geworden, in Deutschland leben zu dürfen, ohne Angst und Armut wie die Afghanen am Hindukusch. Und letztendlich wünsche ich mir, dass mein persönliches Engagement als Soldat und als Journalist nicht umsonst war in diesem Leben, dass man am Ende hoffentlich denken kann: Es war gut, das zu tun, was Du getan hast."
reservistenverband.de: Sie konnten sich in Afghanistan frei bewegen. Wie war Ihr Sicherheitsempfinden?
Barschow: Wir sind durch Kabul gelaufen wie durch eine deutsche Fußgängerzone. Angst mussten wir nicht haben. Die Leute dachten wohl, wir sind bescheuert, weil wir aus Deutschland kamen, nur um einen Film zu drehen. Aber es war eine Herzensangelegenheit, mal zu zeigen, dass es in Afghanistan mehr gibt als Blut und Terror. Zwar gab es während unseres Aufenthaltes auch Anschläge im Land, aber unser Sicherheitsempfinden hat das nicht beeinflusst.
reservistenverband.de: Sie haben Afghanistan aus den Augen eines Soldaten und eines zivilen Journalisten erlebt – wo lagen Gemeinsamkeiten und wo die gravierenden Unterschiede?
Barschow: Ganz einfach: Als Soldat hatte ich Vorschriften und Regeln zu beachten, als Zivilist konnte ich mich frei im Land bewegen. Aber es gab keinen Unterschied im Umgang mit Afghanen.
reservistenverband.de: Sie haben einen afghanischen Profiboxer zum Kampf herausgefordert. Ist Ihnen die mediale Aufmerksamkeit wichtiger als Ihre Gesundheit?
Barschow: "Fight4Peace" ist eine unterhaltsame Variante, das Augenmerk auf Afghanistan zu richten. In den deutschen Medien wird immer noch ein Bild gezeichnet, das von Blut und Terror geprägt ist, aber dann blättern und schalten die Leute schnell weiter. Das interessiert niemanden mehr. Leider.
"Fight4Peace" soll alle Menschen, die am Friedensprozess in Afghanistan beteiligt sind, in einer Boxhalle in Hamburg zusammenbringen. Das wird eine gute Sache. Vom Erlös der Einnahmen wollen Hamid Rahimi und ich eine Journalistenschule in Afghanistan errichten. Und auch das Boxen ist nicht so schlimm wie viele denken. Das ist wie Schach spielen. Und für Körper und Geist ist es der beste und effektivste Sport, den man machen kann. Seit einem halben Jahr werde ich vom Boxprofi Rüdiger May in Köln trainiert. Angeblich soll ich mit meinen 45 Jahren gar nicht so schlecht sein. Nein, um meine Gesundheit mache ich mir keine Sorgen. Für einen guten Zweck riskiere ich gerne ein blaues Auge.
reservistenverband.de: Rechnen Sie sich Chancen aus und wie bereiten sie sich vor?
Barschow: Da muss ich ja grinsen. Na klar rechne ich mir Chancen aus: den Lucky Punch. Rahimi hat mir versprochen, all seine Titel zu schenken, sollte er verlieren. Aber keine Sorge, ich werde die Boxwelt nicht verwirren. Die Geschichte des Kampfes ist ganz einfach: Mann beißt Hund…that´s the story… und das macht sie auch so interessant.
reservistenverband.de: Heute Abend läuft auf Phoenix Ihre Afghanistan-Dokumentation "Salam Alaikum Kabul – die Zukunft Afghanistans". Was dürfen wir erwarten?
Barschow: Es kommt kein selbst ernannter Afghanistanexperte zu Wort, sondern die Afghanen selber. Als Journalist habe ich die Chronistenpflicht, mit den Leuten zu reden, für die wir da sind. Und was die Zukunft ihres Landes angeht, sind die Afghanen zweigeteilt: Die einen wollen "richtige Muslime" an der Macht haben, die anderen sehen nur an der Seite der internationalen Community eine Chance auf wirtschaftliche Entwicklung. Der Rest befindet sich in der Mitte zwischen diesen Polen. Dabei muss man aber auch beachten, dass Kabul nicht unbedingt repräsentativ für das ganze Land steht.
reservistenverband.de: Werden Sie in der heutigen Phoenix-Runde im Anschluss an Ihre Reportage auch von Ihrer Laufbahn als Reserveoffizier erzählen?
Barschow: "Na klar!"
Die Dokumentation "Salam Alaikum Kabul" läuft heute Abend (Dienstag, 30. April) um 21.45 Uhr auf Phoenix (bis 22.15 Uhr). Auch in der anschließenden Talkrunde zum Thema Afghanistan wird Barschow zu Gast sein und unter anderem über sein Engagement als Reserveoffizier sprechen.
Das Interview führte Sören Peters
Bild oben: Journalist Boris Barschow war dreimal im Einsatz
in Afghanistan. Seit 2007 betreibt er die Webseite
www.afghanistan-blog.de. (Foto: privat)
Bild unten: Hamid Rahimi (rechts) ist Box-Weltmeister
im Mittelgewicht – gegen ihn steigt Barschow
beim Projekt "Fight4Peace" in den Ring. (Foto: privat)