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Sicherheitspolitische Hochschularbeit

Von schnellen Kriegen und langsamen Einsichten

Was fehlt Deutschland (noch) im strategischen Denken? Antworten auf diese Frage sucht Necati Naran, Mitglied im Bundesverband Sicherheitspolitik an Hochschulen (BSH) von der Universität Passau.

Symbolbild: Vorbei sind die Zeiten einer entscheidenden Schlacht wie etwa bei Waterloo. Wenn sich heute zwei Kriegsparteien gegenüberstehen, geht es eher um langfristige Zermürbung des Gegners.

Foto: pixabay

BSHsicherheitspolitik

Die Überzeugungen von Politikerinnen und Politikern, Kriege schnell gewinnen zu können, haben lange Tradition, oft getrieben von der Idee in entscheidenden Schlachten den Feind zu besiegen. Nicht nur im Kreml lebt diese Überzeugung weiter. Auch der Westen erhoffte sich durch die ukrainische Gegenoffensive im Herbst 2023 ein rasches Ende des Ukrainekrieges. Die erfolgreiche Verteidigung Kiews und die massiven Landgewinne im Osten erzeugten eine verfrühte Siegeseuphorie und ließen Politiker in jenes Denkmuster vom schnellen Krieg verfallen. Verständlich, denn die Geschichte ist voll von solchen Erzählungen: Stalingrad, Omaha Beach, Midway oder Waterloo, um nur einige Beispiele zu nennen.

„Auf den ersten Blick scheinen Kriege voller offensichtlicher Wendepunkte zu sein, die sich auf entscheidende Schlachten konzentrieren. In langwierigen Kriegen haben die meisten einzelnen Schlachten nicht viel mehr bewirkt, als die Zermürbung zu beschleunigen“, schreibt der Historiker Cathal Nolan im Jahr 2017. Worauf kommt es also stattdessen an?

Vergebliche Suche nach der entscheidenden Schlacht

Für die Entscheidungsträger in Moskau wurde die wahre Natur des selbst initiierten und völkerrechtswidrigen Angriffskrieges gegen die Ukraine bald klar: Eine langwierige Abnutzungs- und Zermürbungskampagne. Deutlich wurde dies an der Veränderung der Kriegsführung in der Ostukraine. Mit langanhaltendem indirektem Beschuss und so genannten Wellenangriffen, in denen dutzende Soldaten mutwillig für ein paar Zentimeter Landgewinn geopfert werden, versucht der Kreml die Ukraine zu zermürben. In der so genannten Surovikin-Linie haben sich die russischen Streitkräfte zudem kilometerbreit mit Schützengräben, Panzerfallen und Minenfeldern verschanzt. Durch die Teilmobilisierung erreichte Russland zusätzlich ein Vielfaches der ursprünglichen Truppenstärke.

Technologien wie Drohnen und KI-gestützte Systeme erzeugen obendrein ein gläsernes Gefechtsfeld, auf dem jede feindliche Bewegung binnen kürzester Zeit von den Kriegsparteien aufgeklärt und mithilfe von präzisionsgelenkten Systemen und immer ausgeklügelteren „Kill Chains“ (Angriffskette, die aus militärischer Sicht für die Eliminierung eines Ziels zuständig ist) bekämpft werden kann. Die Konzentration von großen Truppenverbänden wird daher immer gefährlicher und lässt Kampf- und Kommandostrukturen kleiner und dezentraler werden, wodurch sich Offensivaktionen deutlich erschweren. Unter solchen Bedingungen sucht man vergeblich nach der alles entscheidenden Schlacht, die einen Krieg rasch beenden kann. Hier zählt nicht der Moment, sondern welche Seite länger durchhält.

Wie schreckt man diese Art von Krieg ab?

Um einen solchen langfristigen Krieg glaubhaft abzuschrecken, reicht der Fokus auf die operativen Elemente von Abschreckung und Verteidigung wie beispielsweise Logistik, industrielle Kapazität oder Personalstärke nicht aus. Zur Glaubhaftigkeit sind politische und gesellschaftliche Elemente von ebenso zentraler Bedeutung. Ihre Wirkungen sind in einer offenen Demokratie eng miteinander verzahnt. So müssen politische Entscheidungsträger mit der Gesellschaft in „schonungsloser Offenheit“ darüber sprechen, sagt Friedens- und Konfliktforscherin Nicole Deitelhoff.

Die Verantwortung der Gesellschaft ist es, wie der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr, Generalleutnant Andreas Hoppe, es im Format „Nachgefragt” formulierte, sich die Frage zu stellen: „Wo könnte denn meine Rolle sein, einen Beitrag zu leisten?“. Die strategische Neuausrichtung allein als Aufgabe der Politik und Wirtschaft zu verstehen ist daher zu kurz gedacht. „Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf“ heißt es im Grundgesetz. Es ist die Aufgabe der Gesellschaft, den Bund dazu zu befähigen.

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