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Ein Monitor zeigt die Gruppe "Kooperation mit Wirtschaft und Arbeitgebern" in der Bundeswehr-Community bei der Auftaktveranstaltung zum hessischen Pilotprojekt im Frankfurter Airport Club.

Foto: Sören Peters

bundeswehr und wirtschaftwirtschaft

Das Landeskommando Hessen treibt die Kooperation zwischen Bundeswehr und Wirtschaft voran – wir berichteten. Benjamin Vorhölter sprach drei Monate nach der Auftaktveranstaltung noch einmal mit Oberstleutnant Alexander Sauer, der das Pilotprojekt leitet.

Herr Oberstleutnant, wie ist aus Ihrer Sicht die Veranstaltung im Februar in Frankfurt gelaufen?
Unsere Veranstaltung am 5. Februar 2020 im Airport Club Frankfurt am Main war aus Sicht der Projektgruppe sowohl qualitativ als auch quantitativ ein voller Erfolg. Das Interesse an der Veranstaltung aus der regionalen Wirtschaft war so groß, dass wir nicht nur die Bestuhlung des Vortragsraumes bis auf die maximal mögliche Zahl erhöhen mussten, sondern auch leider einigen Interessenten aufgrund Platzmangels absagen mussten.

Im Anschluss an die Vorträge bestand die Möglichkeit, noch im Rahmen einer informellen Gesprächsrunde im Airport Club mit den Vertretern aus Militär, Wirtschaft und Politik ins Gespräch zu kommen. Das wurde auch von einer großen Anzahl der Anwesenden genutzt.

Das Landeskommando Hessen ist nun verantwortlich für das Pilotprojekt Kooperation zwischen Bundeswehr und Wirtschaft. Was sind nun die ersten Maßnahmen?
In einer ersten Phase ab Mitte 2019 haben wir mit den organisatorischen Maßnahmen im Landeskommando Hessen begonnen. Neben dem Aufwuchs des Teams im Rahmen der Projektorganisation beinhaltete diese natürlich auch die konzeptionellen Planungen zum weiteren Vorgehen. Die Pilotgruppe ist jeweils zu 50 Prozent mit aktiven Soldaten und Reservisten besetzt, die ihrerseits umfangreiche Erfahrungen aus der freien Wirtschaft mitbringen. Die Planungen sind nun weitestgehend abgeschlossen, so dass wir nun bereits dabei waren, unsere Kooperationspartner aktiv zu informieren und ihnen unser Konzept organisatorisch und medial vorzustellen. Abhängig von dem Ende der Coronavirus-Maßnahmen werden wir dann in unterschiedlichen Organisationsformen in den Landkreisen und Kern-Regionen des Landes auf diese zugehen. Frühestens ab dem Jahreswechsel 2020/2021 werden wir erste verwertbare Daten in Einzelbereichen zur Evaluierung und erstmaligen Feststellung über den Erfolg des Pilotprojekts haben. Danach soll dann über den weiteren Verlauf entschieden werden.

Welche Vorteile können Unternehmen aus einer engen Kooperation mit der Bundeswehr ziehen?
Durch die Ausbildung bei der Bundeswehr erwerben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zusätzliche Qualifikationen, die auch für das Unternehmen gewinnbringend sein können. Im Rahmen einer Fachausbildung erwirbt man zumeist fachliche Grundqualifikationen, um einen Beruf auszuüben – die Führung von Menschen, Teamfähigkeit und multidisziplinäre Planungsfähigkeit werden zumeist nicht vermittelt. Diese Fähigkeiten werden aber auch erwartet und erfordern häufig eine dementsprechende Weiterbildung.

Dies kann sicherlich kostenaufwendig über diverse Seminare und Fortbildungen in zivilen Institutionen geschehen, allerdings auch vollfinanziert durch die Bundeswehr durch die Ausbildung zum Reserveoffizier beziehungsweise Reserveunteroffizier. Ein weiteres Denkmodell ist, dass Weiterbildungsmaßnahmen sich auch fachlich ergänzen können, so dass die zivilberufliche und militärische Fachqualifikation eng miteinander verbunden sind und sich langfristig deutlich ergänzen können. Hierbei kann zum Beispiel eine zivile Berufsausbildung die Basis für den Einstieg als Reservist sein. Nach Abschluss der eben angesprochenen Maßnahmen haben beide Seiten einen wertvollen und gut qualifizierten Mitarbeiter gewonnen, der auch zukünftig seine Qualifikation beiderseits gewinnbringend einbringen kann.

Außerdem kann die Bundeswehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Reservisten in konjunkturell schlechten Perioden oder gut planbar außerhalb von Saisonspitzen einsetzen und für einen Übergangszeitraum beschäftigen – dies kann dann eine gute Alternative zur Kurzarbeit sein.

Was sind die Vorteile für die Bundeswehr in Hessen?
Der Wegfall der Wehrpflicht bedeutete auch den Wegfall der Möglichkeit, unmittelbare Informationen und Erfahrungen über die Bundeswehr mittels des Wehrpflichtigen oder ehemaligen Wehrpflichten an die zivile Seite zu vermitteln. So ist es auch ein Zwischenziel dieses Pilotprojektes, grundsätzlich wieder über die Bundeswehr, deren Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten zu informieren und dabei die Bereitschaft zu erhöhen, Reservistinnen und Reservisten für Weiterbildungen und Reservistendienstleistungen freizustellen. Das Hauptziel ist es natürlich, langfristig und nachhaltig aktive Reservisten zu gewinnen, um so zeitlich begrenzt Fachkräfte zur Verfügung zu haben, die den Einsatz- und Grundbetrieb der Streitkräfte unterstützen können.

Welche Vorteile kann der Arbeitnehmer oder Reservist daraus ziehen?
Hier geht es vor allem um die Wechselwirkung zwischen militärischen Aus- und Weiterbildungen und zivilen Qualifikationen, die eine ergänzende Möglichkeit darstellen, sich für höherwertige Aufgaben in einem Unternehmen zu qualifizieren, oder auch bei persönlichen Bewerbungen zusätzliche Fähigkeiten für den Arbeitgeber abbilden zu können.

Welche Möglichkeiten gibt es seitens der Bundeswehr, den Unternehmen bei einem Reservistendienst (von 21 bis 30 Tagen) entgegenzukommen?
Seit dem 1. Januar 2020 besteht die Möglichkeit für Unternehmen, bei Freistellung eines Arbeitnehmers zu einer Reservedienstleistung, sich den Einsatz eines Ersatzes durch die Bundeswehr finanziell vergüten zu lassen. Mit anderen Worten: es wird für den Zeitraum einer Reservistendienstleistung ein Ersatz im Unternehmen eingestellt, trägt die Bundeswehr einen Teil dieses Gehaltes.

Gibt es konkretere Pläne, wie man gezielt an Unternehmen herantreten möchte?
In den jeweiligen Landkreisen und Regionen gehen wir bereits in Form von Einladungen, Einzelgesprächen und Informationsveranstaltungen auf Unternehmen zu – letztendlich sollen in der Zukunft auf regionaler Ebene eine Art „Runder Tische“ entstehen, die als feste Institution dem zielführenden Informationsaustausch aller Beteiligten – also auch dem konkreten unternehmerischen Interesse – dienen. Diese haben dann den Zweck, den „richtigen“ Truppenteil mit dem „richtigen“ Arbeitgeber zu vernetzen.

Gibt es eine bestimmte Zielgruppe an Unternehmern (große Unternehmen, Mittelstand, Handwerk, bestimmte Branchen), die gezielt angesprochen werden sollen?
Generell wollen wir keine Unternehmen ausschließen, wobei es in Zeiten des Fachkräftemangels natürlich für größere Unternehmen einfacher ist, Reservisten freizustellen als es dies für ein mittelständisches Unternehmen mit wenigen Arbeitnehmern der Fall ist. Aufgrund der uns zur Verfügung stehenden Kräfte nach Raum und Zeit müssen wir natürlich eine Eingrenzung vornehmen. Hierbei werden wir die zu besetzenden regionalen Reservistendienstposten mit den regionalen Arbeitgebern/Branchen in Verbindung bringen, eine Auswahl treffen und diese dann gezielt ansprechen.

Wie soll es mit dem Projekt Kooperation mit der Wirtschaft weitergehen?
Die nächsten Schritte werden sein, die innerhalb Hessens zu besetzenden Reservedienstposten zu identifizieren und mit diesem Wissen gezielt an Unternehmen in Hessen heran zu treten. Selbstverständlich gilt es auch, ein Evaluationskonzept zu erstellen, um unsere unterschiedlichen Maßnahmen auf deren Wirksamkeit zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen.

Gibt es in Zeiten der Coronavirus-Krise ein gesteigertes Interesse der Wirtschaft an „kreativen Möglichkeiten“, um Arbeitnehmer kurzzeitig vom Gehaltszettel zu bekommen?
Generell sollte diese Frage eher durch die Interessenvertretungen der Arbeitgeber beantwortet werden. Vor dem Hintergrund der noch nicht erfolgten Institutionalisierung unseres Pilotprojektes und der noch nicht vorhandenen flächendeckenden Information über unser Projekt, gab es bislang nur punktuelle Anfragen von hessischen Logistik- und Dienstleistungsunternehmen, die wir zu den aktuellen Möglichkeiten informiert haben.

Gibt es noch einen wichtigen Aspekt, den Sie beisteuern möchten?
Ein wesentlicher Erfahrungswert für uns ist, dass wir bei den zahlreichen von uns besuchten Veranstaltungen mit Vertretern aus Politik, öffentlichem Dienst und Wirtschaft immer auf ein großes Interesse an der Bundeswehr und unserem Projekt gestoßen sind. Dies ist umso bemerkenswerter, als dass die Bundeswehr als Institution in Hessen weitestgehend aus dem Blick der Allgemeinheit verschwunden ist. Dieser Zuspruch bestärkt uns in unserer Überzeugung, mit unserem Projekt auf dem richtigen Weg zu sein.

Vielen Dank für das Gespräch!

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