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Chinas Einfluss auf Afrika – eine Gefahr für Europa?

Die Volksrepublik China hat vor allem in den letzten Jahren den politischen und wirtschaftlichen Einfluss auf die Staaten Afrikas erheblich ausgebaut. Mittlerweile stellt das Land, noch vor den Vereinigten Staaten, den größten Handelspartner des Kontinents dar. Die Großmacht aus Asien investiert in Infrastrukturen, Industriezweige, Energieanlagen und Banken und erhält im Gegenzug wichtige Ressourcen wie Erdöl, Metalle und Agrarprodukte. Auch im militärischen Bereich nimmt die Bedeutung Chinas zu, wie die Zunahme an Waffenexporten aufzeigt. Was sind die Gründe für das große Interesse des Reichs der Mitte an Afrika und welche Gefahren entstehen dadurch für die Europäische Union (EU)?

(Symbolbild: Artem Beliaikin via pexels.com)

Afrikachinaeuropa

Die Gründung des „Forum on China-Africa Cooperation“ im Jahr 2000 bildete einen wichtigen Schritt zur Vertiefung der chinesisch-afrikanischen Beziehungen. Vorausgegangen war eine Steigerung des Handelsvolumens von 700 Prozent in den 1990er Jahren – analog zum globalen wirtschaftlichen Aufstieg Chinas. Der erste Gipfel des Forums fand 2006 in Peking statt, wo die Gründung des „China-Africa Development Fund“ beschlossen wurde. Über diesen Fonds investiert das asiatische Land seitdem Milliarden Euro in Afrika. Auf dem zweiten Gipfel 2015 im südafrikanischen Johannesburg verkündete die chinesische Führung, weitere 60 Milliarden Euro an Krediten und Investitionen bereitzustellen. Ferner wurde ein Projekt entwickelt, das zehntausenden Dörfern in Afrika den Zugang zu digitalem Fernsehen ermöglichen soll. Die Bedeutung des Forums unterstrich der dritte Gipfel im Jahr 2018 in Peking, an dem mehr afrikanische Staatschefs teilnahmen als an der parallelen Generalversammlung der Vereinten Nationen (VN).

Wirtschaftliches Potenzial Afrikas

Viele westliche Regierungen – und auch Medien – stellen die politisch-wirtschaftliche Rückständigkeit Afrikas und das Thema Flucht in den Vordergrund. Die Weltbank, der Internationale Währungsfonds und Wirtschaftszeitschriften wie The Economist hingegen weisen auch auf das Potenzial des Kontinents hin. Demnach übersteigt das jährliche Wachstum in Afrika seit 2007 das Ostasiens und betrug in den letzten Jahren zwischen 3,5 und 5,6 Prozent. Ein Drittel der Staaten weist sogar Wachstumsraten von mehr als 6 Prozent auf. Parallel werde Berechnungen zufolge auch das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen zwischen 2013 und 2023 um 6 Prozent steigen. Laut Berechnungen der Weltbank werden die meisten afrikanischen Länder bis zum Jahr 2025 ein im Durchschnitt mittleres Einkommen aufweisen. Die arabischsprachigen Mittelmeerstaaten sowie Nigeria und Südafrika zählen bereits jetzt zu bedeutenden Schwellenmärkten. Ökonomische Beobachter wie die globale Strategieberater-Firma Boston Analytics betrachten Afrika als zukünftigen Motor des Wirtschaftswachstums in der Welt.

Der Kontinent weist eine große Vielfalt an wertvollen Ressourcen auf, die in den letzten Jahren die Wirtschaften vieler Entwicklungsländer massiv vorangetrieben hat. Hohe Erdölvorkommen in Angola, Gabun, Kongo und Nigeria tragen zur fortschreitenden Industrialisierung bei. In Ghana, Guinea, Sambia und Tansania nimmt der Abbau von Metallen wie Gold, Aluminium, Kupfer oder Platin eine bedeutsame wirtschaftliche Rolle ein. Botswana und Südafrika haben große Diamantenvorkommen, während Kenia, Marokko und die Elfenbeinküste vom Export landwirtschaftlicher Produkte profitieren. Parallel dazu steigt in Staaten wie Äthiopien und dem Senegal die Bedeutung des Service- und Transportsektors, auf dem sich der kleine Küstenstaat Djibouti konzentriert. Vor dem Hintergrund des ökonomischen Potenzials und Aufstiegs nimmt die Bedeutung Afrikas im globalen Handel zu. Wichtige Märkte für afrikanische Exporte stellen Indonesien, Malaysia, Saudi-Arabien, Thailand, die Vereinigten Arabischen Emirate, Indien und insbesondere China dar.

Auch im Energiebereich ist in vielen Ländern eine Modernisierung mit dem Fokus auf neue Technologien zu beobachten. Die geografischen und klimatischen Vorteile des Kontinents, wie die höchste Sonneneinstrahlung der Welt, werden zunehmend genutzt. So nimmt der Bau von Photovoltaikanlagen und Solarwasserpumpen rapide zu, auch in schwächer entwickelten Staaten wie Ruanda, dem Sudan und dem Tschad. In den wirtschaftlich stärkeren Ländern Algerien, Ghana und Südafrika sind große Solarparks geplant, während Kenia und Marokko den Ausbau von Windkraftanlagen vorantreiben. Das Potenzial erneuerbarer Energien werde Wirtschaftsexperten zufolge für den fortschreitenden ökonomischen Aufstieg und die zunehmend global orientierten und medial vernetzten Bevölkerungen benötigt.

Wachstum trotz struktureller Probleme und Konflikte

Die Bevölkerung Afrikas hat sich seit 1990 mehr als verdoppelt und beläuft sich im Jahr 2018 auf rund 1,3 Milliarden. Aufgrund der weiterhin sehr hohen Geburtenziffer beträgt die Wachstumsrate mehr als 2,5 Prozent, die zum niedrigen Durchschnittsalter von 20 Jahren beiträgt. Folglich weisen fast alle Staaten eine junge Bevölkerung auf, von denen nach Ansicht von Analysten bei effektivem Regierungshandeln die Ökonomien profitieren können. Die Gründe hierfür liegen in der höheren Migrationsbereitschaft und -möglichkeit der jungen Generation und ihrer stärkeren Affinität zu Globalisierungstrends. Sie machen einen Großteil der laut offiziellen Zahlen über 19 Millionen innerafrikanischen Migrantinnen und Migranten aus, die primär aus wirtschaftlichen Motiven und nicht aufgrund von Konflikten flüchten.

Die politische Karte Afrikas. (Bild: CIA World Factbook)

Das Bevölkerungswachstum ermöglicht einerseits das Potenzial einer jungen, für die Arbeitsmärkte flexiblen und bedeutsamen Generation. Andererseits legt es aber die strukturellen Defizite vieler Staaten offen dar. So kann die Entstehung einer Überbevölkerung die Gefahr von Hungersnöten, die vor dem Hintergrund des Klimawandels vermehrt auftreten, weiter erhöhen. Auch die schwachen Gesundheits- und Sozialsysteme stehen bei Fortsetzung der aktuellen Geburtenraten vor großen Schwierigkeiten. Ein weiteres Hemmnis für eine noch stärkere wirtschaftliche Entwicklung stellen die teils immer noch maroden Infrastrukturen dar. Diese Missstände sind vor allem auf die hohe Anzahl an ethnischen Konflikten und die langjährigen korrupten und autoritären Regime zurückzuführen.

Trotz der strukturellen Probleme verläuft der ökonomische Aufschwung des Kontinents rasant und die globale Vernetzung nimmt zu. Viele Länder profitieren hierbei von der Übernahme der ehemaligen Kolonialsprachen Englisch, Französisch und Portugiesisch. Des Weiteren bestehen politische und wirtschaftliche Netzwerke innerhalb Afrikas. Der auf politischen und wirtschaftlichen Austausch fokussierten Afrikanischen Union (AU) gehören alle 55 Staaten des Kontinents an. Die internationale Organisation unterhält unter anderem enge Beziehungen zu Europa und China. Daneben haben sich auch regionale Organisationen gebildet. Hierzu zählt die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) aus 15 Staaten, die die Einführung der gemeinsamen Währung Eco anstrebt. Weitere Beispiele sind die Ostafrikanische Gemeinschaft (EAC) und die Zollunion des Südlichen Afrika (SACU), die gegenseitige Freihandelsabkommen abgeschlossen haben.

Auch auf sozialer Ebene sind positive Entwicklungen zu beobachten. Trotz Verbreitung von Krankheiten wie HIV und Malaria, Epidemien wie dem Ebolafieber oder temporären Hungersnöten, nimmt die durchschnittliche Lebenserwartung stetig zu. Laut Daten der VN beträgt sie im Jahr 2020 mehr als 63 Jahre. Die Gründe hierfür liegen in der verbesserten medizinischen Versorgung und stärkeren innerafrikanischen Kooperation. Wichtig waren zudem die Erfahrungen aus vergangenen Epidemien, wie dem Ebola-Ausbruch in Westafrika 2013 bis 2016. Parallel zum sozioökonomischen Wachstum verzeichnen die meisten Staaten eine enorme Urbanisierung, die die Bildung weltwirtschaftlich attraktiver Metropolen in die Wege geleitet hat. Das „Globalization and World Cities Research Network“ führt 2020 als mittelstarke bis stärkere Megastädte Johannesburg (Südafrika), Kairo (Ägypten), Casablanca (Marokko), Nairobi (Kenia) und Lagos (Nigeria) auf. Aufstrebende kleinere Metropolen finden sich laut Auffassung der Denkfabrik in Uganda, Tansania, Ghana, Kamerun, Angola, Mozambique und im Senegal.

China und der neue Wettlauf um Afrika

Das Wirtschaftswachstum vieler afrikanischer Staaten und die positiven Prognosen hat China früh erkannt und in der Folge die diplomatischen und ökonomischen Beziehungen erheblich ausgebaut. Das Reich der Mitte unterhält unter anderem enge Beziehungen zu Angola, Äthiopien, Ghana, der Demokratischen Republik Kongo, Nigeria, Senegal, Tansania und dem Tschad. Hierbei spielt zum einen das Interesse an Ressourcen wie Erdöl und Metallen eine große Rolle. Neben dem Industriebereich investiert China aber auch massiv in den Telekommunikations-, Banken-, Energie- und Agrarsektor. Des Weiteren werden neue Krankenhäuser und Fabriken, zum Beispiel für die Textilindustrie, gebaut und das marode Straßennetz modernisiert. Laut Bericht der VN-Wirtschaftskommission für Afrika gingen 2020 mehr als 25 Prozent der Infrastrukturinvestitionen auf China zurück. Mit diesen vielfältigen Investitionen und Projekten will die asiatische Großmacht die Staaten Afrikas in sein globales wirtschaftliches Netzwerk und seine politische Einflusshemisphäre binden.

Die Strategie Chinas scheint aufzugehen. So wurden die Handelsbeziehungen und Partnerschaften zu afrikanischen Staaten deutlich ausgebaut. Dies wird sowohl von den dortigen Regierungen als auch von den Bevölkerungen überwiegend positiv bewertet. Vor diesem Hintergrund ist es nicht überraschend, dass die Mehrheit der Länder eine Fortführung oder Intensivierung der wirtschaftlichen und politischen Beziehungen anstrebt. Mittlerweile haben fast alle afrikanischen Regierungen im Rahmen der „Belt and Road Initiative“, dem interkontinentalen Handels- und Infrastruktur-Netzwerk Chinas, Kooperationsverträge abgeschlossen. Auch im Verteidigungssektor nimmt der Einfluss des asiatischen Landes zu. Neben steigenden Waffenexporten nach Afrika verdeutlicht dies die Fertigstellung des chinesischen Marinestützpunkts in Djibouti 2017. Die große Teilnehmerzahl am letzten „Forum on China-Africa Cooperation“ und die freundliche bis neutrale Haltung zum Hongkong-Gesetz 2020 weisen auf die erfolgreiche politische Einflussnahme Chinas hin.

Chinas ökonomischer und politischer Einfluss auf Afrika nimmt seit Jahren stark zu. (Bild: SW1994 via pixabay.com)

Diese Entwicklungen stellen eine Bedrohung für den wirtschaftlichen und politischen Einfluss Europas auf Afrika dar. Enge Verbindungen bestehen vor allem zu Kenia, Nigeria, Südafrika, Tansania und den Mittelmeerstaaten Ägypten, Marokko und Tunesien – allesamt relativ starke Ökonomien. Bei schwächer entwickelten Ländern hat der Einfluss europäischer Staaten hingegen abgenommen, auch wenn die ehemaligen Kolonialmächte Frankreich, Großbritannien und Portugal weiterhin wichtige strategische und wirtschaftliche Partner darstellen. Die EU hat ein starkes Interesse, die bestehenden Kooperationen mit der AU in den Bereichen Wirtschafts-, Gesundheits- und Sicherheitspolitik fortzuführen. Im Dezember 2020 haben die Staatenverbunde gemeinsame Strategiegruppen zu Gesundheit, Digitalisierung, Landwirtschaft, Energie und Transport gegründet. Dem zunehmenden Einfluss Chinas versucht Europa auch mit einer Vielzahl an Wirtschaftspartnerabkommen entgegenzuwirken. Von diesen wurden bis 2020 bereits 19 verbindlich oder provisorisch angewendet. Des Weiteren waren 21 Verträge finalisiert, für die noch gegenseitige Unterzeichnungen ausstehen. Ob und inwieweit diese Strategie die Bindung afrikanischer Länder an China reduzieren und den europäischen Einfluss erhöhen werden, werden die nächsten Jahre zeigen.

Gefahr für Europa

Die Wirtschafts- und Diplomatieoffensive Chinas in Afrika stellt für Europa eine gegenwärtige und zukünftige Bedrohung dar. Seit dem Jahrtausendwechsel hat die asiatische Großmacht massiv – und selbstverständlich nicht uneigennützig – in den wirtschaftlich florierenden Kontinent investiert. Auch in Zukunft erwarten Analysten eine Steigerung der ökonomischen Attraktivität Afrikas und eine höhere Lebenserwartung der Bevölkerungen. Heute betrachten viele afrikanische Regierungen China als wichtigen und zum Teil sogar als wichtigsten politökonomischen Partner, mit dem sie auch im militärischen Bereich kooperieren. Erst in den letzten Jahren hat die EU die Notwendigkeit des verstärkten Blicks auf den südlichen Nachbarkontinent erkannt. So wird unter anderem der Ausbau von Wirtschaftspartnerabkommen mit afrikanischen Staaten vorangetrieben. Nur wenn dieser Weg konsequent fortgesetzt wird, kann Europa seinen Einfluss wahren und China ökonomisch und diplomatisch Paroli bieten.

 

Literaturtipps:

 


Dieser Text stammt aus dem Sicherheitspolitischen Newsletter des Sachgebietes Sicherheitspolitische Arbeit. Diesen können Sie hier abonnieren.

 

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