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Gesellschaft

CIR-Projekt: Ist agiles Arbeiten unter realen Bedingungen möglich?

Weltweit gilt der Juni als „Monat der Vielfalt“. Auch bei der Bundeswehr. Die Truppe sucht neue Wege im Teamwork, um die Vielfalt ihrer Menschen zu nutzen. Dies könnte am Ende sogar zu einer Reform des Beschaffungswesens beitragen.

Symbolbild: Ein bunt zusammengewürfeltes Team am Konferenztisch. Jeder bringt seine Fähigkeiten ins Projekt ein. Wo funktioniert agiles Arbeiten? Wo braucht man klare Hierarchien? Das war Thema bei einem Webinar des Kommandos CIR.

Foto: Christina@wocintechchat.com via unsplash.com

vielfalt

Diversität! Viele denken dabei oft nur an die Vielfalt der Geschlechter, mancher schüttelt darüber nur den Kopf und meint: „Haben wir nicht andere, wichtigere Sorgen?“

Die Bundeswehr hat vor zehn Jahren die „Charta der Vielfalt“ unterschrieben und lebt seitdem immer mehr den Gedanken, der dahintersteckt. Und darum geht es: Übersetzt heißt Diversität nichts anderes als Vielfalt. Damit greift eine moderne Gesellschaft nur das auf, was längst vorhanden ist: Die bunte Gesellschaft in einem demokratischen Gemeinwesen. Sie ermöglicht nicht nur dem Einzelnen, sich frei zu entfalten, sondern bringt – richtig gelebt – die ganze Gesellschaft voran.

Das Kommando CIR (Cyber- und Informationsraum) hat nun ein Pilotprojekt abgeschlossen und ausgewertet. Am zehnten Diversity Day veranstaltete der Org-Bereich ein Webinar mit 190 Teilnehmenden. Moderatorin Lena Wilk vom Zentrum Innere Führung in Koblenz erläuterte zum Beginn, was die Bundeswehr unter Vielfalt versteht und brachte es mit einem einzigen Bild auf den Punkt.

Die Avengers als Vorbild

Die Oberregierungsrätin zeigte auf einer Folie das Foto von Marvel’s Avengers. „Eine Gruppe schließt sich zusammen. Sie ist vielfältig. Bei den Avengers sind Frauen, Männer, alle Altersgruppen, alle Religionen vertreten, sogar der Gott Thor ist dabei. Alle Mitglieder sind mit ihren besonderen Fähigkeiten Helden auf ihrem Gebiet. Gemeinsam ist diese Gruppe bekanntermaßen unschlagbar. Sie rettet damit die Welt!“

Ob dieses Zusammenspiel auch in der Bundeswehr funktioniert, hat der Org-Bereich CIR nun getestet. Von 2020 bis 2021 lief das Projekt: „Wir sind agil! Führen mit Auftrag im digitalen Zeitalter“. Begleitet hat das Projekt Oberstleutnant Katja Büchner vom Kommando CIR in Bonn. „Wir haben uns die Frage gestellt, ist agiles Arbeiten unter realen Bedingungen möglich?“ Dabei kam im Jahr 2020 die Corona-Krise. Plötzlich wurde das normal, was in dem Projekt noch theoretisch geplant war. „Wir hatten alle Teilnehmer mit einem Notebook ausgestattet und alle Gruppenmitglieder waren in Zivil. Wir haben uns mit vollem Namen ohne Dienstgrad angesprochen. Kaum jemand wusste, welchen Rang jemand hat, ob aktiver Soldat, ob Reservist oder ziviler Mitarbeitender.“

(Quelle: Bundeswehr)

In Projekten denken

Vizeadmiral Dr. Thomas Daum, Inspekteur CIR, sagte bei der Auftaktveranstaltung: „Wir müssen es etablieren, Expertise zusammen zu holen und in Projekten zu denken.“ Denn bei der Bundeswehr sei es mit dem angestrebten Verwendungsaufbau so, dass jeder ein paar Jahre auf einem Dienstposten ist, sich einarbeitet, Expertise gewinnt, dann geht derjenige fort und hinterlässt eine Lücke.“ Mit den Projektmitarbeitenden könne man so die Expertise bei Bedarf wieder zusammenholen und abrufen.

In dem Pilotprojekt gab es in den vier gebildeten Gruppen keine Führer, keine Leitenden. Alle haben auf Augenhöhe miteinander zusammengearbeitet. Büchner berichtet, dass „das Projekt auch eine schwere Krise durchlebte. Es gab darauf sogar Beschwerden, denn es gäbe keine Führung, keine Zielvorgaben. Das stimmt. Das war der Sinn des Projektes. Gerade Mannschaftsdienstgrade und junge Unteroffiziere sind es bei der Bundeswehr oft nicht gewohnt, dass sie selbst Teil des Ziels sein können. Das war Teil des Projektes, dass die Teilnehmer selbst dazu kommen, dies zu lösen.“

Eigentlich ist die Bundeswehr stolz darauf, eine Armee der Auftragstaktik zu sein. So wird es Rekruten schon immer in der Grundausbildung beigebracht. Sie erhalten einen Auftrag, den sie auch weiterführen, sollte der Führer ausfallen.

„Agiles Arbeiten ersetzt keine Hierarchien“

Darum entbrannte während des Webinars im Chat eine rege Diskussion. Ein Oberleutnant kommentierte: „Der Auftrag der Bundeswehr ist nicht unbedingt der der Betriebe in der freien Wirtschaft. Hierarchien haben einen Grund. Dass auch in der Bundeswehr bei vielen die Front nur noch im Büro und im digitalen Raum verläuft, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Bundeswehr am Ende einen sicherheitspolitischen Auftrag hat und diesen entsprechend umsetzen muss.“

Eine Frau antwortete: „Solche Aussagen führen leider häufig dazu, dass veraltete Denkweisen unterstützt werden.“ Eine andere untermauert: „Ich kenne beides. Agiles Arbeiten in der Softwareentwicklung und den Einsatz, wo man klare Hierarchien braucht und dann auch gemacht wird, was gemacht werden muss.“

Für das Webinar wurde auch externe Expertise eingeladen. Hoai Anh Nguyen von der GASAG – einem überregionalem Energieversorger aus Berlin – ist dort die Leiterin Change & Culture. Sie sagt: „Crossfunktionale Teams finden kreative Lösungen.“ Und sie antwortet auf die Bedenken: „Will ich denn als Führungskraft immer alles entscheiden müssen? Will ich alle Details kennen? Reicht nicht das Ergebnis aus? Unsere Erfahrung ist: Wer Verantwortung abgibt, fördert Verantwortung aller, ein gutes Ziel zu erreichen. Jedoch: Agiles Arbeiten ersetzt keine Hierarchien. Sie wird punktuell eingesetzt!“

Die richtigen Rahmenbedingungen schaffen

Insgesamt sei das Pilotprojekt ein Erfolg gewesen, so Oberstleutnant Büchner. „Nun wollen wir schauen, ob das auch in anderen Org-Bereichen und Teilstreitkräften funktioniert? Wir wollen auch Teams aus unterschiedlichen Bereichen – eventuell auch mit Teilnehmenden aus der Zivilwirtschaft, national und international bilden. Doch wir haben im Projekt auch gesehen, dass agiles Arbeiten nicht befohlen werden kann. Die Menschen müssen sich frei dafür entscheiden dürfen und Vorgesetzte müssen darauf achten, dass sich die Leute nicht selbst ausbeuten.“

Aktuell könnte der Beschaffungsprozess der Bundeswehr mit den gemachten Erfahrungen verändert werden. Vielleicht ist es eine Überlegung wert, alle bisherigen Vorschriften zum Beschaffungsprozess abzuschaffen und nur noch mit den aktuellen Gesetzen zu arbeiten, die eine linke und rechte Grenze vorgeben, so ein denkwürdiger Diskussionsbeitrag aus dem Webinar. Ja, warum nicht, denn dies ist doch im Grunde ein erfolgreich erprobtes Prinzip im soldatischen Bereich.

Wer sich – auch als Reservist – für die Weiterentwicklung des agilen Arbeitens in der Bundeswehr interessiert, kann Kontakt mit der zentralen Ansprechstelle für den Umgang mit Vielfalt beim Zentrum Innere Führung aufnehmen. E-Mail: vier@bundeswehr.org

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