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Die Reserve

„Da kommt eine Menge Spaß auf die Reserve zu“




Brigadegeneral Andreas Henne.

Foto: Michael Mey

amtshilfeheimatschutzterritoriale reserve

Nicht allein die Coronavirus-Krise zeigt, wie wichtig die Reserve ist. Die loyal-Redaktion sprach mit Brigadegeneral Andreas Henne, Stellvertretender Kommandeur des Kommandos Territoriale Aufgaben, über Herausforderungen und die künftige Struktur der Territorialen Reserve.

Herr Brigadegeneral, Sie sind seit September 2020 Stellvertretender Kommandeur des Kommandos Territoriale Aufgaben der Bundeswehr und damit auch Beauftragter für Reservistenangelegenheiten. Ist das Thema Reserve neu für Sie?

Nein, ich habe vorher auch schon mit der Reserve zusammengearbeitet. Als General für Standortaufgaben Berlin verfügten wir über eine eigene Regionale Sicherungs- und Unterstützungskompanie, die wir eingesetzt haben. In der Abteilung Standortaufgaben haben wir von Beginn an sicherlich zu einem Drittel Reservisten eingesetzt, um dort Aufgaben wahrzunehmen. Darum spreche ich immer gern über die Reserve.

Berlin hat nun ein Landeskommando aufgebaut, woran Sie maßgeblich beteiligt waren. Was bedeutet das für die Reserve in der Hauptstadt?

Dass ein Landeskommando Berlin aufgebaut wurde, ist weniger mir als vielmehr sehr wichtigen Personen aus Verwaltung und Politik zu verdanken. Anfangs mochten sogar noch Zweifel bestehen, ob ein Landeskommando Berlin notwendig ist, jedoch spätestens mit Ausbruch der Coronavirus-Pandemie sind sämtliche Zweifel aufgegeben worden und man will nun dem Landeskommando Berlin weitere Aufgaben übertragen. Es wird auf jeden Fall keine Zeit haben, fertig in Ruhe zu wachsen, sondern es muss gleich in die Vollen gehen. Noch sind nicht alle für das aktive Personal vorgesehenen Dienstposten besetzt und so greift das Landeskommando auf die bewährten Reservisten zurück. Wir müssen die Kreis- und Bezirksverbindungskommandos rasch aufbauen. Da kommt für Berlin jede Menge Spaß auf die Reserve zu. Ich meine das auch so mit Spaß. Denn das ist ein spannendes, forderndes und tolles Betätigungsfeld. Durch die hervorragenden Leistungen, die die Soldaten in Ämtern und Behörden geleistet haben, sind nun auch die Bezirke von den Fähigkeiten und der Unverzichtbarkeit unserer Strukturen und den Soldaten nachhaltig überzeugt. Mit dem Ausbruch der Pandemie ist in den Bezirken ein Paradigmenwechsel eingetreten. Eine anfängliche Skepsis ist gewichen und das ist eine gute Botschaft für die Bundeswehr und damit auch für die Reserve.

Welche Rolle spielt die Territoriale Reserve bei der Bewältigung der Covid-19-Krise?

Wir haben natürlich diejenigen Reservistinnen und Reservisten, die beordert sind, frühzeitig gebeten, uns zu unterstützen; in den Kreis- und Bezirksverbindungskommandos ohnehin. Ansonsten unterstützt die Bundeswehr in allen Bereichen: in der Kontaktnachverfolgung in den Gesundheitsämtern, in Pflegeheimen, bei der Abstrichentnahme bis hin – ich sprach von der Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskompanie hier in Berlin – zur Bewachung von Liegenschaften der Bundeswehr. Gleichzeitig muss man sagen, dass die Reserve die aktive Truppe stark entlastet, nämlich dort, wo die Bundeswehr weitere Aufgaben übernimmt. Wir haben strenggenommen nicht nur eine, sondern zwei Infektionskrankheiten zu bekämpfen: natürlich das Covid-19-Virus und die weit weniger beachtete, aber genauso gefährliche Afrikanische Schweinepest. Eine bedeutende Anzahl von Reservistinnen und Reservisten aus mehreren RSU-Kompanien aus ganz Deutschland hat in Brandenburg Dienst geleistet und mit der Unterstützung bei der Kadavernachverfolgung die aktive Truppe entlastet, die damit durchgängig im Schwerpunkt in der Amtshilfe Covid-19 eingesetzt bleiben konnte.

Der Aufruf für die Unterstützung im Kampf gegen das Coronavirus im Frühjahr 2020 war wichtig, weil wir so noch mehr qualifizierte Reservistinnen und Reservisten erreichen und in unsere Strukturen einbauen konnten. Das war ein großer Erfolg und ich meine auch ein Indikator dafür, dass unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger etwas für die Allgemeinheit tun und sich einbringen wollen. Das ist eine klasse Perspektive hinsichtlich des Projekts „Dein Jahr für Deutschland“. Das Coronavirus hat gezeigt, dass wir es eben ohne Bürgerengagement nicht schaffen können, so eine Pandemie zu bekämpfen. Dass es uns in Deutschland nicht schlechter geht, liegt auch an den Leistungen der Reservistinnen und Reservisten.

Wird die Reserve beim Impfen zum Einsatz kommen?

Die Reserve kommt zum Einsatz beim Schutz von militärischen Liegenschaften, in denen vorübergehend und abgegrenzt zivile Einrichtungen für das Impfen Platz gefunden haben (zum Beispiel Lagerstätten für Impfstoffe). Sie erlauben, dass ich zum derzeitigen Zeitpunkt zum Ort und der zum Einsatz kommenden Kräfte nicht mehr sagen kann, weil wir unsere militärischen Liegenschaften auch geschützt lassen wollen. Die Reserve wird unabhängig davon außerhalb aber sicherlich auch innerhalb der Impfzentren zum Einsatz kommen.

Im Rahmen der Amtshilfe?

Ja, auf jeden Fall. Denn hoheitliche Eingriffsmaßnahmen sind den zuständigen Behörden des Bundes und der Länder vorbehalten.

Welche Aufgaben und Herausforderungen kommen auf die Territoriale Reserve künftig zu?

Das ist ein weites Feld. Ich habe schon ein Schlaglicht darauf geworfen, als ich von der Initiative „Dein Jahr für Deutschland“ sprach, den freiwillig Wehrdienstleistenden im Heimatschutz, mit dem wir 2021 beginnen. Damit werden wir nicht nur mittelfristig die Aufgabe haben, diese Kräfte in unsere RSU- sowie Bezirks- und Kreisverbindungskommando-Strukturen einzugliedern, sondern letztendlich erleben wir mit diesen neuen Kameradinnen und Kameraden eine richtungsweisende Neuausrichtung. Wir werden uns auf den Schutz von sicherheitsrelevanten Objekten und auf den Raumschutz konzentrieren. Das ist eine andere Ausbildungs- und Aufgabenqualität als wir bisher hatten. Dafür sind eine Menge Voraussetzungen zu treffen.

Der Schutz von Objekten und im Raum, hat das etwas mit Host Nation Support zu tun?

Das hat auch etwas mit Host Nation Support zu tun. Ich habe das – ich komme jetzt wieder auf Berlin zurück – bei der Übung Defender gesehen. Da wäre eine RSU-Kompanie beispielsweise auch eingesetzt worden, um einen Support-Point der Bundeswehr zu überwachen. Das kann man sich unter dem Aspekt Host Nation Support durchaus vorstellen.

Falls einmal tatsächlich Bundeswehr-Truppen an die EU-Außengrenzen zur Verteidigung von angegriffenen Mitgliedsstaaten geschickt werden würden, wären das Szenarien, die dann auch geübt werden müssen?

Ja ganz genau, wir haben die verschiedenen Szenarien vom Krisen-, zum Spannungs- bis hin zum Verteidigungsfall. In allen diesen Fällen wird die Territoriale Reserve zukünftig verfassungskonform Aufgaben übernehmen, bis hin zum Objektschutz.

Generalleutnant Markus Laubenthal, Stellvertreter des Generalinspekteurs, spricht zum Landesregiment Bayern.

Das Pilotprojekt Landesregiment Bayern wird in diesem Jahr überprüft und ausgewertet. Wie ist da der Stand der Dinge? Es gibt bereits Bundesländer, die auch Interesse an einem Regiment in ihrem Land geäußert haben. Werden bald weitere Regimenter aufgestellt?

Zum Landesregiment Bayern kann man, obwohl das Pilotprojekt noch nicht abgeschlossen ist, sagen, dass es ein Erfolgsmodell ist. Bei der Winterausbildung des Landesregiments in Wildflecken haben wir den Ausbildungs- und Leistungsstand überprüft. Das war tipptopp. Die wirklich beeindruckende Einsatzbereitschaft und hohe Motivation der Soldatinnen und Soldaten, die ihren Einsatz im Übrigen unter Covid-19-Bedingungen zu leisten hatten, ist hervorzuheben. Weil das so ist, kann man auch sagen, dass wir dem Erfolgsmodell weitere Truppenteile folgen lassen. Ob die Landesregiment heißen, oder einen anderen Namen haben, werden wir sehen.

Wie könnte eine zukünftige Struktur mit weiteren Regimentern aussehen, mit Bereichen Nord, Süd, Ost und West?

Ich möchte hier nicht über ungelegte Eier gackern. Wir überlegen, wie eine zukünftige Struktur aussehen könnte. Dass man mit regionalen Bereichen plant, ist naheliegend. Da es aber nicht nur Überlegungen um die Reserve, sondern um weitere Strukturen geht und das abschließend noch nicht entschieden ist, möchte ich jetzt nicht näher darauf eingehen. Es wird Strukturen geben, die militärischen Gesichtspunkten entsprechen.

Durch die Grundbeorderung und den neuen Freiwilligendienst im Heimatschutz wäre durchaus personelles Potenzial für solche Landesregimenter vorhanden. Man spricht auch schon von Heimatschutzregimentern.

Jetzt haben Sie es gesagt.

Ja klar, wir werden durch gut ausgebildete ehemalige aktive Soldatinnen und Soldaten und freiwillig Wehrdienstleistende Heimatschutz bekommen und sie in die Strukturen integrieren. Wir müssen schauen, wie das regionale Aufkommen ist. Dann muss entschieden werden, was Vorrang hat: Manöverelemente (Kompanien) oder Führungselemente (Bataillone). Daraus wird man Mitte bis Ende dieses Jahres klarer sehen und Entscheidungen treffen können.

Was bedeutet die Grundbeorderung, die ab Oktober 2021 kommen soll, für die Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskompanien?

Das bedeutet eine qualitative und hoffentlich auch quantitative Aufwertung. Wir versprechen uns schon davon, gut ausgebildete ehemalige Zeitsoldaten in den RSU-Kompanien aber auch in den anderen Strukturen binden zu können. Das ist eine qualitative Verbesserung und erhöht die Glaubwürdigkeit der territorialen Reserve in der Landes- und Bündnisverteidigung. Das ist der richtige Schritt zur richtigen Zeit. Im Zusammenhang mit dem Freiwilligendienst Heimatschutz glauben wir, dass da sehr gute Truppenteile entstehen werden.

Wie bewerten Sie die Projekte zur Ausbildung zum Soldaten der Reserve?

Ich bin von dem Konzept und seiner Umsetzung überzeugt. Es ist prima, dass diejenigen, die alle Ausbildungsschritte durchlaufen, so motiviert und überzeugt sind, dass sie auch langfristig der Bundeswehr erhalten bleiben. Es ist mir wichtig, den Interessierten einen attraktiven Einstieg in die Reserve zu ermöglichen. Es kann nur im Interesse der Bundeswehr sein, eine Vielzahl von Menschen mit unterschiedlicher Lebens- und Berufserfahrung zu gewinnen. Damit diese Kameradinnen und Kameraden auf den gleichen Ausbildungsstand mit den Freiwillig Wehrdienstleistenden oder den Kameradinnen und Kameraden, die in den RSU-Kompanien dienen, zu bekommen, ist Ausbildungszeit das Entscheidende. Da wir auf die individuelle Verfügbarkeit Rücksicht zu nehmen haben, mussten die Ausbildungsschritte zeitlich auseinandergezogen werden. Im Rückschluss heißt das, dass es eben seine Zeit dauert bis ein Reservist voll einsatzfähig ist. Bei meinen Dienstaufsichtsbesuchen stelle ich immer wieder fest, dass die Reservisten immer hochmotiviert sind und nun müssen wir alles daransetzen, dass Reservisten auch das notwendige Ausbildungsniveau erreichen.

Wie gesagt, das ist eine Aufgabe, die wir gern annehmen, weil wir hier sehr viele interessante Menschen mit unterschiedlicher Lebenserfahrung und Berufserfahrung in die Reserve bekommen. Das ist ein klasse Projekt. Ich habe es selbst in Berlin begleitet. Es ist immer wieder eine Freude, bei der Dienstaufsicht die hochmotivierten Kameradinnen und Kameraden zu sehen.

Was kann der Reservistenverband tun, um die Ausbildung der Reserve zu unterstützen?

Seitens des Reservistenverbandes wird schon vorzügliche Arbeit geleistet, weil wir die unbeorderte und beorderte Reservistenarbeit durch den Verband gut betreut sehen und auch immer neue Reservisten für uns erschlossen werden. Der Reservistenverband schafft den Rahmen für Wettbewerbe und Veranstaltungen. Das ist wichtig für die Teambildung innerhalb der Reserve. Und es ist im politischen Rahmen wichtig, dass die Reserve in unseren politischen Vertretungen Widerhall findet. Die verschiedenen Landesgruppen machen das in ihrem Bereich und bringen dort die Reserve immer wieder ins Gespräch. Insofern glaube ich, dass das bisher sehr gut läuft. Wir sind im engen Kontakt auf verschiedenen Ebenen. Dafür bin ich sehr dankbar. Ich glaube auch, dass wir gemeinsam die Reserve, die Territoriale Reserve, Landes- und Bündnisverteidigung in eine sichere Zukunft führen können.

Herr General, vielen Dank für das Gespräch!

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