Im April 2022 macht es „Klick“ bei Daniel Gay. Bis dato hatte er den Dienst an der Waffe verweigert, dann sieht er ein Bild aus Butscha. Ein älterer Radfahrer liegt auf der Straße, die Füße noch auf den Pedalen. „Sieht aus, als wäre er gestürzt“, sagt Gay. Doch der Kontext verrät es bereits. Die Bilder der Kriegsverbrechen beschäftigen den dreifachen Familienvater. Er fasst den Entschluss, sich zur Ausbildung Ungedienter zu melden.
Was mit einem Pilotprojekt in Kooperation von Bundeswehr und Reservistenverband in Berlin im Jahr 2020 begann, ist heute eine kleine Erfolgsgeschichte. Um die 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren es 2021 und 2022. Nach dem Beginn des Ukraine-Krieges schnellte die Zahl 2023 auf 500 rauf – knapp doppelt so viele wie im Freiwilligen Wehrdienst im Heimatschutz („Dein Jahr für Deutschland“). Für das laufende Jahr rechnet die Bundeswehr mit 700 Ungedienten, die sich für diesen niedrigschwelligen Einstieg in die Bundeswehr entscheiden. „Informieren, Bewerben, Ausbilden, Binden“, fasst es Gay in der jüngsten Digitalen Ausbildung für Reservisten (DA Res) zusammen. Auf seinem Blog ungedient.de berichtet er über seine Erfahrungen und bündelt Informationen für alle, die sich für diese modulare Ausbildung interessieren.
Türöffner für die Bundeswehr
Dass es kein „klassischer“ Einstieg in die Truppe ist, etwa als Wehrpflichtiger oder als Soldat auf Zeit, dem ist sich Gay bewusst. „Manchmal wird die Kürze der Ausbildung belächelt, die Motivation in einigen Fällen missverstanden“, sagt er. Doch seine persönlichen Erfahrungen bestätigen ihn in seiner Entscheidung. „Wir konnten auf dem Truppenübungsplatz mit den freiwillig Wehrdienstleistenden gut mithalten.“ Die Grundausbildung erfolgt in mehreren Modulen, die im Selbststudium vorbereitet und vertieft werden. Im vergangenen Sommer durchlief er die Ausbildung in Rheinland-Pfalz. Sie diente ihm als Türöffner für die Bundeswehr. Und die Truppe gewinnt Menschen, die sich mit ihren Fähigkeiten einbringen möchten. Aktuell leistet Gefreiter Gay einen längeren Reservistendienst im Territorialen Führungskommando.
Wie eine solche Ausbildung Ungedienter aussehen kann, schilderte der Vorsitzende der Landesgruppe Baden-Württemberg im Reservistenverband, Oberst d.R. Joachim Fallert. Am Beispiel „seines“ Bundeslandes stellte er das Konzept vor, das zunächst aus einer viertägigen Dienstlichen Veranstaltung besteht. Hier geht es um soldatische Pflichten, abgerundet vom Feierlichen Gelöbnis. Danach folgen drei Reservistendienstleistungen, unter anderem mit Waffenausbildung, einem Marsch, dem Basis-Fitness-Test und der abschließenden Rekrutenprüfung mit Wachausbildung, Gefechtsdienst und Schießen. Alles möglichst Arbeitgeberfreundlich gestaltet. Gay ordnet ein: „Die Ausbildung Ungedienter legt nur die Grundlagen. Das eigentliche Handwerkzeug kriegen wir anschließend bei den Übungen mit den Heimatschutzkompanien an die Hand.“
Soldatische Grundlagen – nicht mehr, nicht weniger
Und genau das ist es, worum es bei diesem Konzept geht. Die Ausbildung ist kein Abenteuercamp für Bürohengste, sondern vermittelt soldatische Grundlagen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind Rohdiamanten, die dann nach und nach in den Heimatschutzkompanien oder auch in anderen Verwendungen geschliffen werden.
Wie immer bei der DA Res räumten Veranstalter und Vortragende viel Zeit für Fragen und Rückmeldungen ein. Dabei kam auch auf den Tisch, woran es hapert: lange Bewerbungsprozesse, gesellschaftliche Anerkennung – vor allem auf Arbeitgeber-Seite – und Kritik, warum etwas nicht geht. Dem gegenüber gab es aber auch positive Stimmen: reden über das, was geht und was möglich ist.
Antreten und mitmachen!
Besonders für Ungediente dürften zwei Termine des Territorialen Führungskommandos spannend sein. Für den Tag der Bundeswehr an den Standorten Gotha und Holzdorf (6. bis 9. Juni) werden Reservisten gesucht, die den Dienst in der Reserve vorstellen. Am 28. März und am 25. April führt die Projektgruppe im Territorialen Führungskommando dazu Infoveranstaltungen durch. Anmeldung unter antreten.jetzt@bundeswehr.org.
Zudem lebt die Digitale Ausbildung von Rückmeldungen zu Veranstaltungen und Themenwünschen. Diese können Sie an DigitaleAusbildung@reservistenverband.de adressieren.
Der SWR hat über den Ausbildungsdurchgang im vergangenen Sommer berichtet – hier reinschauen!