Handreichung: Das steckt im Artikelgesetz
Das Bundeswehr-Einsatzbereitschaftsstärkungsgesetz wurde am Donnerstag vom Deutschen Bundestag beschlossen. Es bringt viele Vorteile für die Reserve. Manche davon sind sehr versteckt. Wir bringen es auf den Punkt!
Bei einem komplizierten Regelwerk wie diesem Artikelgesetz sind die Änderungen manchmal sehr versteckt – wir haben sie klar und verständlich aufgelistet.
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Dienstgeld bei Kurzübungen
Über das Dienstgeld gab es viel Aufregung im Prozess der Gesetzgebung. Das Dienstgeld ist ein besonderer Zuschlag, den die Bundeswehr für den Dienst am Wochenende zahlt. Das Bundesministerium der Verteidigung wollte mit der Einführung des Dienstgeldes Kurzübungen attraktiver machen, indem es an Samstagen, Sonn- und Feiertagen stets das höhere Dienstgeld gewährt und an allen Montagen bis Freitagen Kurzübende wie länger Dienende behandelt: Also einen Anspruch auf den Ersatz eines Verdienstausfalls oder auf die Mindestleistung zuzüglich der Reservistendienstleistungsprämie einräumt. An Samstagen, Sonntagen und Feiertagen sollte demnach jedoch kein Verlust von Erwerbseinkommen erstattet bzw. nicht die Mindestleistung ausgezahlt werden. Hintergrund war die Annahme, dass am Wochenende normalerweise kein Verdienstausfall für das zivile Gehalt zu ersetzen sein sollte, also auch keine Mindestleistung gezahlt werden sollte.
Im Dialog mit dem Bundesministerium der Verteidigung haben wir jedoch die Notwendigkeit unterstreichen können, dass sich die Arbeitswelt weiterentwickelt hat und sich mittlerweile auch auf die Wochenenden erstreckt. Das Ministerium hat diesen Hinweis gerne aufgenommen und daraufhin vorgeschlagen, Kurzübende zukünftig im Unterhaltssicherungsgesetz (USG) länger Übenden gleichzustellen, sodass die Mindestleistung bzw. alternativ der Ersatz für Verdienstausfall an jedem Tag der Woche nebst Reservistendienstleistungsprämie und Zuschlägen zu zahlen ist.
An dem eigentlichen Dienstgeld als Ausgleich für die Aufopferung der Freizeit am Wochenende wurde auf unseren Wunsch dabei festgehalten. Zusätzlich zählen nun auch Kurzübungen zu den Verpflichtungszuschlägen hinzu.
Im Klartext bedeutet das: An jedem Tag Reservedienst wird Verdienstausfall gezahlt, wenn wirklich das Einkommen aus dem Zivilberuf entfällt. An Tagen, an denen kein ziviles Einkommen besteht, das entfallen könnte, z.B. bei Dienst an einem Sonn- oder Feiertag, wird nun die Mindestleistung gezahlt – auch dann, wenn der Reservist sein Einkommen unter der Woche beibehält.
Die Kordel kommt weg!
Bei der Bundesdelegiertenversammlung (BDV) 2015 wurde die Kennzeichnung für Reservisten ausführlich diskutiert. Denn für viele Reservistinnen und Reservisten, ganz besonders für Marienuniformträger, ist die bestehende Kennzeichnung ein großes Ärgernis. Sie müssen oberhalb ihres Sternes in die Uniform ein Loch bohren und dann dort ein R aus Metall oder textilem Material anbringen. Immer dann, wenn sie im Dienst sind, machen sie es ab, und wenn sie nicht im Dienst sind, bringen sie es wieder an. Doch auch die einfach anzubringende „Kordel“ gab vielen unserer Reservistinnen und Reservisten das Gefühl, als Soldaten zweiter Klasse gekennzeichnet zu sein. Dieses Anliegen haben wir ernst genommen und den klaren Auftrag der BDV, das Bändchen abzuschaffen, umgesetzt.
Lange hat niemand an eine Gesetzesänderung geglaubt, die eine Abschaffung möglich machen würde. Das diese Kennzeichnung nun abgeschafft wurde, ist eine große Wertschätzung und ein Vertrauensbeweis für die ganze Allgemeine Reserve.
Achtung: Das Gesetz tritt formal erst mit der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt in Kraft, manche Regelungen sogar etwas zeitlich verzögert.
Sehr wichtig: Bis dahin muss die Kordel also noch getragen werden.
Wann es genau soweit ist, erfahren Sie hier auf reservistenverband.de.
Zuschläge für die Verpflichtung zum längeren Dienst: Höhere Tagessätze, ohne Antrag!
Nach der alten Regelung gab es zwei Verpflichtungszuschläge: einen kurzen für Übungen von insgesamt mindestens 19 Tagen pro Jahr, und einen langen, für mindestens 33 Tage pro Jahr. Verpflichtungszuschläge sind dazu gedacht, Reservisten zu einer Dienstlänge zu motivieren, die in die militärische Planung des Dienstherrn passt.
Sofern dem Reservisten der kleine Verpflichtungszuschlag angeboten wurde, unterschrieb er zu Beginn des Jahres, dass er mindestens 19 Tage Dienst tun würde. Dafür erhielt er 25 EUR pro Tag mehr, bis zu maximal 1.470 EUR.
Der große Verpflichtungszuschlag funktionierte genauso, nur, dass es für eine Verpflichtung von mindestens 33 Tagen pro Jahr sodann 35 EUR pro Tag mehr gab – ebenfalls bis zur Höchstgrenze von 1.470 EUR pro Jahr.
Der große Verpflichtungszuschlag wurde gerne angenommen und wurde deshalb beibehalten.
Der kleine Verpflichtungszuschlag wurde so gut wie nicht genutzt und zumeist auch nicht annähernd in voller Höhe. Daher hat sich der Gesetzgeber entschieden, das dafür vorgesehene Geld anders zu nutzen.
Der neue „kleine“ Verpflichtungszuschlag beträgt deshalb 70 EUR pro Tag. Diese werden – ohne, dass ein Angebot der Einheit oder ein Antrag des Reservisten notwendig ist (!) – vom 15. bis zum 24. Tag der Dienstleistung im Jahr gezahlt. Als Ausgleich für die besondere Höhe – und weil der Dienstherr vor allem in diesem Zeitraum Reservisten benötigt – ist er auf 10 Tage begrenzt. Mit dem kleinen Verpflichtungszuschlag können somit bis zu 700 EUR erlangt werden. Der Reservist kann sich aber auch für den noch längeren Dienst entscheiden: Reservistinnen und Reservisten, die die vollen 1470 EUR Zuschlag mitnehmen wollen, können dies noch immer über den großen Zuschlag tun.
Im Klartext: Auch hier ergibt sich ein sattes finanzielles Plus für unsere Reserve. Die finanzielle Wertschätzung des längeren Dienstes hängt endlich nicht mehr von der Zustimmung der Einheit ab. Und obendrein kommt Sie jetzt in großer Höhe allen Kameradinnen und Kameraden zugute!
Der große Verpflichtungszuschlag von max. 1470 EUR bleibt, wer stattdessen den kleinen Zuschlag wählt, kann sich über einen mehr als verdoppelten Tagessatz freuen.
Anhebung des Höchstbetrags für Nicht-Selbstständige
Wer durch den Dienst Einkommensverluste hat, kriegt diese ersetzt. Bislang war die Höhe des Ersatzes auf 215 bzw. 258 EUR pro Tag gedeckelt. Gerade das Tageseinkommen von dringend benötigten Spezialisten lag oftmals deutlich oberhalb dieser Grenze. Diese Deckelung wurde daher auf 301 EUR pro Tag angehoben.
Streichung der Höchstgrenze bei Härtefällen
Das USG soll sicherstellen, dass niemand durch den Dienst schlechter steht, als wenn er seinem zivilen Beruf nachgegangen wäre. Es gibt jedoch auch immer wieder Fälle, in denen jede noch so gute Regelung nicht greift. Für diese Situationen gibt es eine Härtefallregelung. Bislang war diese Härtefallregelung auf 59,06 EUR pro Tag begrenzt. Um ganz sicher zu gehen, dass jede unbeabsichtigte Härte abgefedert werden kann, entfällt nun die Deckelung vollständig.
Wegfall der Anrechnung von privatem Erwerbseinkommen auf die Mindestleistung
Aufgrund der gesetzlichen Regelung im Arbeitsplatzschutzgesetz ruht während des Reservistendienstes der zivile Erwerbsberuf – und damit hat der Reservist auch kein privates Erwerbseinkommen. In einigen Fällen gab es jedoch Kameradinnen und Kameraden, die aufgrund privater Nebenjobs nachwirkendes Einkommen hatten und denen so die Mindestleistung reduziert wurde.
In Zukunft fließen solche privaten Nebenerwerbe nicht mehr in die Berechnung der Mindestleistung ein.
Wahlrecht zwischen dem Ersatz für den Verlust von Erwerbseinkommen und der Mindestleistung
Mit dem Wahlrecht zwischen dem Ersatz des Erwerbseinkommens oder der Mindestleistung entlastet die Bundeswehr alle jene Kameradinnen und Kameraden, die das höhere Erwerbseinkommen ersetzt bekommen haben, statt der Mindestleistung, aber durch die kalte Progression im Steuerrecht am Ende netto deutlich weniger raushatten. Diese können in Zukunft stattdessen die Mindestleistung erhalten und haben damit unterm Strich mehr in der Tasche.
Gleichzeitig eröffnen wir damit für Selbstständige die Möglichkeit, über die Wahl der Mindestleistung Rentenanwartschaftspunkte in der gesetzlichen Rente zu sammeln.
Wegfall der Antragspflicht für die RDL-Prämie
Die RDL-Prämie wird nun automatisch gezahlt und muss nicht mehr beantragt werden.
Angleichung des Auslandszuschlags
Bislang war für den Bezug des Auslandszuschlags ein Standort im Ausland notwendig. Dies bedeutete, dass Kameraden, die beispielsweise in der Deutsch-Französischen Brigade über die Grenze pendelten oder auf Dienstreise waren, im Gegensatz zu Soldaten auf Zeit (SaZ) oder Berufssoldaten (BS) keinen Zuschlag erhielten. Mit dem neuen Gesetz gilt auch hier: gleicher Dienst, gleiche Anerkennung – auch bei den Zuschlägen!
Teilnahme an der Gemeinschaftsverpflegung bzw. Verpflegungsgeld
Bei der Neuordnung des USG im Jahr 2015 wurden die RDL-Prämien leicht angehoben. Dafür mussten Reservisten ihre Verpflegung selbst bezahlen. Für einige Dienstgradgruppen bedeutete dies, dass sie am Ende draufzahlen mussten, weil die Erhöhung der Prämie nicht ganz die Kosten für die Truppenverpflegung am Standort deckte.
Die Erhöhung der Prämie wird beibehalten, trotzdem erhalten Reservisten nun wieder unentgeltliche Truppenverpflegung in zwei Sonderfällen gemäß Artikel 22, Paragraph 23.bzw., an Dienstorten, an denen diese nicht gestellt werden kann, zusätzlich den entsprechenden Tagessatz ausgezahlt.
Zulagen und Zuschläge an den aktiven Dienst angepasst
Wir kämpfen für den Grundsatz: Gleicher Dienst, gleiche Vergütung! Mit dem neuen Gesetz erhalten nun Reservisten eine Vielzahl von Zulagen, die auch aktiven Soldaten zustehen.
Neu hinzugekommen sind vor allem:
- Die Zuschläge für herausgehobene Funktionen nach § 42 Abs. 1 & § Bundesbesoldungsgesetz (die „Amts- und Stellenzulagen“ nach Anlage IX des Bundesbesoldungsgesetzes)
- Die Erschwerniszulage nach § 47 des Bundesbesoldungsgesetzes
- Der Zuschlag für besondere zeitliche Belastungen nach §§ 50-50b Bundesbesoldungsgesetz
Geplanter Wegfall der Antragspflicht für das Dienstgeld
Neben diesen deutlichen finanziellen Verbesserungen arbeitet die USG-Stelle intensiv an der Vereinfachung der Beantragungsverfahren. Ziel ist es, in Zukunft auch das Dienstgeld direkt auszuzahlen, wenn alle notwendigen Daten dazu im Personalwirtschaftssystem hinterlegt sind.
Einbezug Angehöriger in die Therapie von Einsatzfolgen
Soldaten und Reservisten gehen keiner gewöhnlichen Tätigkeit nach. Sie alle haben gelobt bzw. geschworen, das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen – in letzter Konsequenz unter Einsatz ihrer physischen und psychischen Gesundheit oder gar ihres Lebens.
Diesen Menschen, die bereit sind, ein solches Risiko auf sich zu nehmen, ist unsere Gesellschaft zu besonderer Fürsorge verpflichtet. Die Folgen ihres Dienstes betreffen jedoch nicht nur Soldaten und Reservisten allein. Ihren Familien und Angehörigen, die Entbehrungen, Belastungen und Risiken des Soldatenberufes mittragen, muss ebenfalls unser Augenmerk gelten. Die Folgen einer Gesundheitsschädigung, insbesondere einer psychischen Gesundheitsschädigung wie einer Posttraumatischen Belastungsstörung, wirken sich auch auf die Familie und die Angehörigen aus.
Wir begrüßen es daher sehr, dass nun Bezugspersonen in die Therapiemaßnahmen von Kameraden, die gesundheitliche Schäden durch ihren Dienst erlitten haben, im Rahmen des Einsatzweiterverwendungsgesetzes (EinsWVG) einbezogen werden können und somit unsere Soldatenfamilien die Möglichkeit erhalten, gemeinsam zu heilen.
Von der ursprünglichen Begrenzung auf eine höchstens dreiwöchige Maßnahme pro Jahr und insgesamt höchstens drei Maßnahmen haben wir, gemeinsam mit den anderen Interessensverbänden, in der Anhörung im Verteidigungsausschuss zumindest die Begrenzung auf eine Maßnahme pro Jahr erkämpfen können.
Wir werden weiterhin – insbesondere zusammen mit unseren Partnern aus der Veteranenarbeit – dafür streiten, dass der einzige Maßstab hier nur noch die Fürsorge für die Kameradinnen und Kameraden und ihre Familien ist.
Anpassung der Rentenbemessungsgrundlage
Die Bemessungsgrundlage für Reservisten wurde nochmals um 20% angehoben. Ein deutlicher Fortschritt, um die Versorgung im Alter zu sichern.
Verlängerung der Gültigkeit der Dienstfähigkeitsbegutachtung
Weiterhin beinhaltet das beschlossene Gesetz die Verlängerung der Gültigkeit der Dienstfähigkeitsbegutachtung – also der Gesundheitsüberprüfung – für Reservistinnen und Reservisten auf drei Jahre, statt zuvor zwei.
Neue Wehrdienstart
Das neue Gesetz sieht insbesondere eine neue Wehrdienstart vor. Der „Wehrdienst zur temporären Verbesserung der personellen Einsatzbereitschaft“ bildet die gesetzliche Grundlage, dass Reservistinnen und Reservisten, aktive Soldatinnen und Soldaten bei längerer Abwesenheit bis zu zehn Monate vertreten können. Dadurch wird die seit Jahren in der Bundeswehr gelebte Praxis rechtlich fixiert und gleichzeitig erfährt der Reservistendienst eine Aufwertung. Zudem ist es nun möglich, den Reservedienst in Teilzeit abzuleisten, was zu einer besseren Vereinbarkeit etwa mit dem zivilen Beschäftigungsverhältnis führt.
Bewertung
Insgesamt ist mit diesem Gesetz ein großer Schritt getan, um den Dienst in Reserve und Bundeswehr deutlich attraktiver zu machen.
Dies ist jedoch nicht das Ende der Fahnenstange. Der Reservistenverband wird, insbesondere in Hinblick auf das Besoldungsstrukturmodernisierungsgesezt (BesStMG), das im Herbst auf die Zielgerade geht, weiter vorne für die Reserve kämpfen!
Haben Sie noch Fragen? Dann wenden Sie sich direkt an unseren Fachreferenten Herrn Walravens h.walravens@reservistenverband.de – wir beantworten Ihre Fragen gern.