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Das Gesundheitssystem und die Bundeswehr im Krisenmodus

Das Coronavirus verbreitet sich rasend schnell in Deutschland. In den Bundesländern steht das öffentliche Leben nahezu komplett still. In der wohl größten Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg ist auch die Bundeswehr gefordert. Die Streitkräfte leisten wichtige Amtshilfe und waren schon involviert, als die ersten China-Reisenden nach Deutschland zurückgeholt wurden. Die Quarantäne in der Luftwaffen-Kaserne in Germersheim zeigt, wie gut die Behörden, das zivile Gesundheitssystem und Bundeswehr zusammenarbeiten.

Der Inspekteur des Sanitätsdienstes, Generaloberstabsarzt Ulrich Baumgärtner (links), besucht die Kaserne in Germersheim und lässt sich über die Quarantäne der China-Rückkehrer unterrichten.

Foto: Bundeswehr/Wiedemann

coronaviruscovid-19

Stündlich melden Newsblogs und Medien neue Fallzahlen. Die Telefone in den Gesundheitsämtern und bei den Hausärzten in den betroffenen Regionen laufen heiß. Tausende Menschen müssen für mehrere Tage in häusliche Quarantäne. Städte und Kommunen richten Untersuchungsstellen ein, bei denen sich Menschen auf das Coronavirus testen lassen können. Die Finanzmärkte brechen ein. Veranstalter sagen Großveranstaltungen wie Messen, Tagungen und Konzerte ab. In den Supermärkten und Drogerieläden sind Regale mit Hygieneartikeln und Atemschutzmasken leergekauft. Die Menschen hamstern Mehl, Dosennahrung und Klopapier. Krankenhaus-Besucher stehlen Desinfektionsflaschen aus den öffentlichen Spendern. Der Krisenstab der Bundesregierung schränkt den Export von Schutzausrüstung ein. Wenige Tage später – Mitte März – schätzt das Robert-Koch-Institut das Risiko einer Infektion für die Bevölkerung als hoch ein. Mittlerweile schnellen die Fallzahlen exponentiell in die Höhe. Als der erste Entwurf dieses Beitrages Anfang März fertig war, lagen sie noch deutlich unter 1.000. Mittlerweile sind sie auf eine fünfstellige Zahl angewachsen.

Ein Blick nach Italien genügt. Dort transportieren Lastwagen der Armee die Verstorbenen, die dem Coronavirus zum Opfer gefallen sind, ab. Die Krematorien und Friedhöfe in Norditalien sind überlastet und überfordert. In Deutschland fahren die Bundesländer das öffentliche Leben herunter. Schulen, öffentliche Einrichtungen, Einkaufsläden haben geschlossen, sämtliche Veranstaltungen sind abgesagt. Nur noch Supermärkte, Drogerien, Tankstellen, Banken, Wochenmärkte, Poststellen, Tierbedarfsmärkte und Reinigungen bleiben geöffnet. Am 22. März 2020 einigen sich Bund und Länder auf eine Verschärfung der Maßnahmen im Kampf gegen das Coronavirus. Es herrscht seitdem zunächst ein zeitlich beschränktes Kontaktverbot in der Öffentlichkeit. Das heißt, es dürfen sich nicht mehr als zwei Personen in der Öffentlichkeit versammeln. Spazierengehen, Einkaufen und der Gang zur Arbeit bleiben erlaubt. Allerdings ist ein Sicherheitsabstand einzuhalten.  Zuvor sind die Bundesländer Bayern und Saarland mit strengen Ausgangsbeschränkungen vorgeprescht.  Sogar das Vereinsleben ist komplett eingestellt. Versammlungen sind untersagt. Das betrifft auch den Reservistenverband. Bis Ende April finden zunächst sämtliche Verbandsveranstaltungen nicht statt. Auch die Landeskommandos stoppen die Ausrichtung ihrer Dienstlichen Veranstaltungen. „Bleib zu Hause!“, ist das Gebot der Stunde. Es kommt auf jeden Einzelnen an. Jeder trägt dazu bei, die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Virus zu stoppen und dafür zu sorgen, dass die Kapazitäten in den Krankhäusern und Arztpraxen nicht völlig überlastet werden.

Herausforderung für die gesamte Gesellschaft

Arbeitgeber schicken ihre Mitarbeiter ins Home-Office, in die Kurzarbeit oder sogar in die Arbeitslosigkeit. Die Wirtschaft sorgt sich um die katastrophalen Folgen, die in der Coronavirus-Krise jetzt schon absehbar sind. Kleine Unternehmen und Selbstständige bangen um ihre Existenz. Der Erreger Sars-CoV-2 stellt nicht nur das Gesundheitssystem in Deutschland auf die Probe. Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht in einer TV-Ansprache von der größten Herausforderung nach dem Zweiten Weltkrieg. Jüngst schwörte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer die Öffentlichkeit auf einen langen Marathon im Kampf gegen das Coronavirus ein. Die Bundeswehr leistet Amtshilfe bei der Beschaffung von Schutzkleidung, Atemschutzmasken und medizinischen Geräten. Der Sanitätsdienst der Bundeswehr bereitet sich auf eine steigende Zahl von Infizierten vor. Die Bundeswehrkrankenhäuser, in denen auch zivile Patienten versorgt werden, erhöhen ihre Kapazitäten. Reservisten sind aufgerufen, sich bei der Bundeswehr zu melden.

Vorbereitung der Unterkunft für die China-Rückkehrer in Gemersheim. (Foto: Bundeswehr/Wiedemann)

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer verspricht: Die Bundeswehr werde so lange unterstützen, wie sie gebraucht werde und dazu materiell sowie personell in der Lage sei.  Die Bundeswehr beschäftigt sich seit dem Ausbruch der neuartigen Krankheit in China mit dem Thema Coronavirus. Das Mikrobiologische Institut der Bundeswehr weist das Virus bei dem ersten Fall in Bayern nach. Die Luftwaffe fliegt die ersten China-Rückkehrer heim, die in der Luftwaffen-Kaserne Germersheim für 14 Tage in Quarantäne müssen. Das neuartige Virus, das die Lungenkrankheit Covid-19 auslöst, erreicht Ende Februar auch erstmals direkt die Bundeswehr. Ein Soldat der Flugbereitschaft der Bundesregierung hat sich mit Sars-CoV-2 infiziert. Als sein Test positiv ausfällt, schließt die Luftwaffe kurzzeitig die Kaserne in Köln-Wahn. Der Soldat wird ins Bundeswehrkrankenhaus Koblenz verlegt und dort behandelt. Wenige Tage später ist sogar die Ausbildung durch die der Bundeswehr-Einsatz im Irak aufgrund des Coronavirus zunächst ausgesetzt. Im Nachbarland Iran steigen die Fallzahlen rasant.

Kontaktpersonen ermitteln und gegebenenfalls häuslich absondern sind im Fall des infizierten Soldaten der Flugbereitschaft und bei den vielen anderen Fällen zu diesem Zeitpunkt im Land die ersten Maßnahmen, um die Infektketten zu durchbrechen. Die jeweiligen Gesundheitsämter in den Städten und Kommunen ermitteln Kontaktpersonen und ordnen meist Quarantäne für die Betroffenen und für Verdachtsfälle an. Mittlerweile sind die Infektketten nicht mehr nachvollziehbar. Das Gesundheitswesen bereitet sich auf eine große Anzahl an Coronavirus-Patienten vor. Gemäß Paragraph 70 des Infektionsschutzgesetzes ist die Bundeswehr innerhalb ihrer Standorte selbst für den Schutz der Truppe vor Infektionskrankheiten zuständig. Hierfür gibt es den öffentlichen Gesundheitsdienst der Bundeswehr. Er unterhält unter anderem vier Überwachungsstellen Nord (Kiel), Ost (Potsdam), West (Koblenz) und Süd (München).

Die Abteilungen I übernehmen in der Bundeswehr die Aufgaben eines zivilen Gesundheitsamts. Ihr Schwerpunkt liegt dabei auf der Überwachung der Trinkwasserqualität in Liegenschaften und dem Meldewesen ansteckender Krankheiten. Weiterhin sitzen die Vertreter dieser Überwachungsstellen in zivilen Gremien wie der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Epidemiologische Surveillance (Überwachung) des Robert-Koch-Instituts oder in der Trinkwasserkommission des Bundesministeriums für Gesundheit, die beim Umweltbundesamt angesiedelt ist. Darüber hinaus arbeiten die Überwachungsstellen im Rahmen ihrer Auftragserfüllung eng mit den zivilen Gesundheitsämtern zusammen.

Welche Mechanismen im Krisenmodus greifen

Im Referat VI 1 des Kommandos Sanitätsdienst der Bundeswehr, der mittleren Ebene des öffentlichen Gesundheitsdienstes der Bundeswehr, spielt der Umgang mit dem Erreger Sars CoV-2 eine große Rolle. „Wir treffen Vorkehrungen, bei denen die Erfahrungen aus Germersheim mit einfließen“, sagt Oberfeldarzt Dr. Roland Brosow, Leitender Amtsarzt der Bundeswehr. Die Unterbringung der China-Rückkehrer in einem Unterkunftsgebäude in der Kaserne Germersheim ist ein Beispiel dafür, wie gut und erfolgreich Behörden, Deutsches Rotes Kreuz und Bundeswehr im Umgang mit dem Coronavirus zusammenarbeiten. Es zeigt auch, welche Mechanismen im Krisenmodus greifen. Nun gehe es darum, die Handlungsleitfäden an den Umgang mit dem Erreger Sars CoV-2 anzupassen. Es werde geprüft, ob für die Kontingente im Auslandseinsatz über genügend Schutzausstattung vorhanden sind oder ob aufgestockt werden muss. Mit einem Auftreten von Infektionskrankheiten sei man im Auslandseinsatz grundsätzlich immer zu rechnen, zum Beispiel Influenza, Masern oder einer Meningitis, vorbereitet, sagt Dr. Brosow. Dementsprechend habe man bereits routinemäßig Vorkehrungen getroffen. Soldaten, die in einen Auslandseinsatz gehen, sollen nun zusätzlich zum Beispiel vorab über ihre letzten Reiseorte und den Impfschutz abgefragt und vorsorglich 14 Tage in Quarantäne gestellt werden, damit das Virus nicht in die Kontingente eingeschleppt wird.

Auch auf Coronavirus-Verdachtsfälle im Inland ist die Bundeswehr vorbereitet. Ist zum Beispiel wegen der familiären Situation eine häusliche Absonderung nicht möglich, werden in den Kasernen einzelne Unterbringungsmöglichkeiten bereitgehalten, informiert der Sanitätsdienst der Bundeswehr am 28. Februar auf seiner Homepage. Die Betreuung der zu isolierenden Personen erfolgt vorwiegend durch medizinisches Fachpersonal aus Sanitätsregimentern. Durch die Einrichtung dieser Betreuungsmöglichkeiten stehen zunächst mehr als 1.200 Plätze zur Verfügung. Darüber hinaus sind die Bundeswehrkrankenhäuser darauf eingerichtet, mit dem Coronavirus infizierte Personen in Einzelisolierung behandeln zu können. Zusätzlich stellt jedes der Bundeswehrkrankenhäuser Plätze für intensivpflichtig Coronavirus-Erkrankte bereit. „Sollten diese Kapazitäten aufgrund erhöhter Fallzahlen nicht ausreichen, liegen Planungen vor, die eine Betreuung von weiteren Betroffenen ermöglichen. Ebenfalls geregelt sind mögliche personelle Unterstützungen in Spitzenzeiten vor allem durch Personal der Sanitätsregimenter“, heißt es auf der Homepage des Sanitätsdienstes.

Fieberambulanz in Koblenz. (Foto: Bundeswehr/Dittrich)

Das Coronavirus Sars-CoV-2 taucht erstmals am 31. Dezember 2019 öffentlich in der chinesischen Großstadt Wuhan in der Provinz Hubei auf. Der Erreger verbreitet sich so rasant, dass die Volksrepublik ganze Städte und Provinzen abriegelt. Das Virus lässt sich trotzdem nicht eindämmen. Das Auswärtige Amt, zuständig für den Schutz deutscher Staatsbürger im Ausland, stimmt sich mit dem Bundesministerium für Gesundheit, dem Verteidigungsministerium und dem Robert-Koch-Institut ab, als es darum geht, 124 China-Reisende zurückzuholen. Zuvor ist klar, dass die Rückkehrer 14 Tage in Quarantäne müssen. Die Unterbringung fällt in die Zuständigkeit der Bundesländer. Das bedeutet, es müssen innerhalb kürzester Zeit wichtige Fragen geklärt werden. Wo sollen die Reisenden untergebracht werden? Wie kommt man kurzfristig an eine geeignete Liegenschaft heran? Das Bundesgesundheitsministerium wendet sich an das Verteidigungsministerium. Das wiederum prüft vorsorglich Kapazitäten zur Unterbringung. Die Bundeswehr gibt ein positives Signal. Ein neues Unterkunftsgebäude in der Kaserne Germersheim, das zuvor noch nicht genutzt wurde, erweist sich als mögliche Option, weil es über 128 Zweimannstuben mit jeweils eigener Nasszelle verfügt.

Dann geht alles schnell

Am 30. Januar klingelt Dr. Sascha Streichers Telefon. Der Oberfeldarzt ist Amtsarzt der Bundeswehr an der Überwachungsstelle für öffentlich-rechtliche Aufgaben West. Sein Fachvorgesetzte meldet sich: „Sascha, du bist der Held des Tages.“ Der Bundeswehr-Arzt bekommt den Auftrag, die Truppe in der Luftwaffenkaserne Germersheim bei der Vorbereitung des Gebäudes 4 unter infektionshygienischen Gesichtspunkten zu unterstützen, so dass dort China-Rückkehrer untergebracht werden können. Streicher verschafft sich einen Überblick über die Lage vor Ort und schaut sich das Gebäude an. Zeitgleich wird ein Zaun um das Gebäude errichtet. Dieser sollte plötzlich wieder weichen, als eine Meldung aus dem Verteidigungsministerium in Germersheim ankommt: Die Luftwaffen-Kaserne wird die Rückkehrer aufnehmen. „Dann habe ich gesagt: Nein, der Zaun bleibt stehen. Das hier ist ein Quarantänebereich. Das war meine erste Maßnahme“, berichtet Sascha Streicher

Für die Gäste stehen nun Zweibett-Stuben bereit. Sie enthalten Doppelstockbetten, einen Tisch, Stühle, zwei Kleiderspinde und Nasszellen. Darüber hinaus sind ein Flachbildschirm, ein Kühlschrank und WLAN vorhanden. In kürzester Zeit organisieren die Bundeswehrsoldaten in der Kaserne Waschmaschinen, Trockner und einen Caterer, der Essen für die Gäste kocht. Oberfeldarzt  Streicher veranlasst Trinkwasserproben im Haus. Sicherheit geht vor. Er ordnet an, dass die Kaserne ein Infektionsschutzbereich ist, damit niemand hereinkommt, der nicht in der Liegenschaft seinen Dienst verrichtet oder kein begründetes dienstliches Interesse hat. Des Weiteren sind einige Fragen zu klären. Kann die Lüftung im Unterkunftsgebäude laufen? Was passiert, wenn jemand erkrankt? Wohin mit erkrankten Gästen? Wo wird die Schleuse aufgebaut? Wie soll die Wegeführung sein? In welchem Krankenhaus werden infizierte Personen behandelt?

Ankunft der China-Rückkehrer in Germersheim. (Foto: Bundeswehr/Wiedemann)

Gleichzeitig informiert er die Kompaniechefs über die Situation. Streicher klärt die Soldatinnen und Soldaten auf und versichert: „Es gibt keine Ansteckungsgefahr.“ Er spricht mit den Wachleuten und weist diese in die Lage ein. Es muss sichergestellt sein, dass ein Krankenwagen im Ernstfall schnell aus der Kaserne raus oder hineinfahren kann. Am Abend ist Streichers Arbeit zunächst beendet. Das Gesundheitsamt Germersheim übernimmt. Der Oberfeldarzt steht aber als Ansprechpartner bereit. Es gibt viele Fragen aus dem Verteidigungsministerium, vom Kommando Territoriale Aufgaben, dem Kommando Sanitätsdienst und vom Landkreis. Am 1. Februar kehrt er in die Kaserne zurück. „Meine kleine Tochter hatte gerade eine Eisenbahn aufgebaut und wollte mit mir spielen. Da musste ich weg. Das hat mir fast das Herz gebrochen, weil ich auch nicht wusste, wann ich wiederkomme“, sagt Sascha Streicher. Er geht an diesem Tag noch einmal durch die Zimmer. Alle sind gereinigt und mit Bettzeug, Decken und Handtüchern versehen. „Das sah gut aus“, schildert der Oberfeldarzt.

Um 22.45 kommen die Gäste an. Die Busse fahren nach und nach in die Schleuse. Die China-Rückkehrer steigen aus. Ein Transporter bringt die Koffer. Sie werden rausgeräumt und desinfiziert. „Die Ankunft der Gäste war erhebend“, sagt Sascha Streicher. Die Luftwaffen-Soldaten stellen sich entlang der Fahrbahn auf. Sie empfangen die China-Rückkehrer mit militärischem Gruß. Streicher begibt sich um zwei Uhr nachts ins Bett. Um 5.45 Uhr klingelte schon wieder das Telefon. Der Anruf bringt schlechte Nachrichten: Zwei Rückkehrer sind positiv auf Sars-CoV-2 getestet und müssen ins Krankenhaus überführt werden.  „Das war ein Schock“, verrät Streicher. „Natürlich stand auch die Frage im Raum, ob jemand ungeschützten Kontakt zu den positiv getesteten Personen hatte. Wenn nun jemand im Verlauf erkrankt wäre, hätte sich die Quarantäne automatisch für alle um 14 Tage verlängert. Das ist auch eine Abwärtsspirale. Jemand, der in solch einem zwar gut ausgestatteten, aber engen Zimmer ist, braucht auch ein Ziel vor Augen. Wenn es dann immer wieder heißt, Du fängst wieder bei Null mit der Quarantäne an, ist das echter psychischer Stress. Deshalb waren wir und unsere Gäste immer angespannt, wenn wir Resultate von Abstrichen erwarteten.”

Sorgentelefon für China-Rückkehrer

Die Mitarbeiter des DRK und der Amtsarzt des Gesundheitsamtes Germersheim kommunizieren über eine Ansprechstelle mit den 20 DRK-Kollegen innerhalb der Unterkunft und mit den Gästen. Dort etabliert sich ein Sorgentelefon zu einer der wichtigsten psychologischen Maßnahmen für die China-Rückkehrer, die während der Quarantäne mit Alltagsproblemen zu kämpfen haben: Woher bekomme ich einen Föhn? Wie erreichen mich Post oder Pakete? Wie gelange ich an mehr Anziehsachen oder Unterwäsche? Wie komme ich an eine Insulinpumpe? Die DRK-Helfer bemühen sich um schnelle Lösungen. Die Kameraden der Luftwaffe unterstützen. Sie helfen, Lösungen zu finden, zum Beispiel Antibiotika für eine Person zu besorgen, die unter einem Harnwegsinfekt leidet. Es sind kleine Gesten, die Dampf aus dem Kessel nehmen. Man habe gemerkt, dass die Gäste angespannt waren, sagt Dr. Sascha Streicher.

Er bespricht mit seinem zivilen Amtsarztkollegen, ob es Alternativen zu einer Verlängerung der Quarantäne gibt, falls erneut Gäste positiv getestet werden. Das Ziel wäre dann gewesen, Personen mit Kindern oder Schwangere in eine andere Unterbringung zu bekommen. „Wir wussten, es hätte Probleme geben können, wenn wir dann wieder bei Null anfangen“, sagt Streicher und fährt fort: „Eine Familie, Mutter, Vater, Kleinkind und Baby harren zwei Wochen in der Zweimann-Stube aus und haben einen Termin vor Augen, an dem alles vorbei ist. Und plötzlich kommt es zu einer Verlängerung und dann zu noch einer. Das wäre auf Dauer nicht gegangen. Wir wissen es selbst wie es ist, wenn man im Einsatz ist. Mit mehreren Kameraden in einem engen Container zu wohnen, ist schon Stress genug. Jetzt hat man diese Situation auch noch mit Kleinkindern, die auch raus wollen, die Bewegungsdrang haben. Hier müssen wir Handlungsoptionen schaffen.“  Aus seiner Sicht verhalten sich die Gäste sehr diszipliniert. Sie tragen Mundschutz, wenn sie ihr Zimmer verlassen, und halten meist eine Armlänge Abstand zueinander. Nur in den Raucherecken stehen sie oft enger beieinander.

Die China-Rückkehrer in Quarantäne bleiben vom Coronavirus unbehelligt. Wenn eine Ansteckung erfolgt wäre, wäre das aus Sicht der Experten in Wuhan passiert, als die Reisenden dort am Flughafen zusammengetroffen sind. Eine Gefahr für die Rückkehrer habe nicht mehr bestanden, sagt Dr. Roland Brosow. Mit Betreten des Luftfahrzeugs seien die Passagiere geschützt gewesen. „Die Möglichkeit einer Infektion oder einer Weitergabe während des Fluges oder auf dem Weg zur Unterbringung ist quasi ausgeschlossen“, betont der Oberfeldarzt, der den zweiten Rückflug mit begleitet. An Bord weist er das Personal in die Schutzausstattung ein und überwacht deren korrektes Anlegen und Abnehmen.

Froh, dass die Quarantäne vorbei ist

„Wir haben Glück gehabt“, sagt Dr. Sascha Streicher dazu, dass sich außer zwei Rückkehrern keine weiteren Gäste mit dem Coronavirus angesteckt haben. Er geht am 14. Tag der Quarantäne von Stube zu Stube, untersucht die Reisenden, die kurz zuvor ein letztes Mal allesamt noch einmal abgestrichenwurden. Jedem ist die Erleichterung anzumerken, als die ärztliche Untersuchung keine Beanstandungen ergibt. Die China-Rückkehrer sind gesund. „Das war das Ticket in die Freiheit“, sagt Streicher. „Es war schön. Man konnte den Leuten auf eine einfache Art eine Freude machen.“  Der Oberfeldarzt ist an diesem Wochenende froh, dass die Quarantäne vorbei und erfolgreich verlaufen ist. Er sei dankbar, dass er immer bei gewissen Entscheidungen auch noch einmal mit seinen Vorgesetzten und dem Verteidigungsministerium absprechen konnte. „Ich bin es gewohnt, Entscheidungen zu treffen. Aber das enorme mediale Interesse war neu für mich“, gibt er zu. Aus seiner Sicht ist die Zivil-Militärische Zusammenarbeit im Fall Germersheim konstruktiv, vorbildlich und beispielgebend.

Gut eine Woche nach dem Ende der Quarantäne in der Luftwaffen-Kaserne tritt das ein, womit niemand so schnell gerechnet hat. Die Bundeswehr kämpft an vorderster Front gegen das Coronavirus mit. Oberfeldarzt Dr. Sascha Streicher ist es, der in diesem Zusammenhang die ersten Covid-19-Fälle in der Bundeswehr gemeinsam mit seinem Team zu bearbeiten und zu managen hat. Die Erkenntnisse aus dem Landkreis Germersheim – das heißt, Kontaktpersonen ermitteln und Absonderungsmaßnahmen vorzunehmen, um Infektketten zu durchbrechen – sind nun sehr wertvoll. Die Zusammenarbeit zwischen Bundeswehr und Behörden wird in diesen Tagen wohl noch wichtiger werden.

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