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Das ist der erste Militärrabbiner seit 100 Jahren




Zsolt Balla in der Online-Konferenz mit der Landesgruppe Niedersachsen.

Foto: Screenshot

Am 21. Juni wird Zsolt Balla offiziell als Militärrabbiner der Bundeswehr in sein neues Amt eingeführt. Bereits im Vorfeld ist es der Landesgruppe Niedersachsen in Kooperation mit der Politischen Bildungsstätte Helmstedt gelungen, den 42-Jährigen für einen Themenabend zu gewinnen. Vor rund 80 Zuhörern sprach Balla über das, was ihn antreibt.

Und das ist nicht etwa die neue Position oder der Titel, sondern schlichtweg die Arbeit mit den Soldatinnen und Soldaten. Balla wuchs als Sohn eines Oberstleutnants der ungarischen Armee auf. Die Wochenenden seiner Kindheit verbrachte er oft auf Militärbasen in der Nähe von Budapest. Und wenn man ihm so zuhört, scheint die soldatische Ethik seines Vaters ihn nachhaltig geprägt zu haben. Balla beschreibt ihn als sanften Menschen, der seine Untergebenen stets respektiert hat. „Ich erinnere mich bis heute an seine Menschlichkeit. Von ihm habe ich gelernt, die Arbeit der Soldaten wertzuschätzen.“ Im Gespräch macht Balla einen aufgeräumten und bescheidenen Eindruck, der mediale Rummel um seine Person scheint ihm schon etwas unangenehm. „Dennoch fühle ich das historische Gewicht auf meinen Schultern“, gibt Balla zu. Er ist der erste Militärrabbiner seit rund 100 Jahren.

Seelsorge ist für alle da

Im deutschsprachigen Raum gab es seit 1875 Feldrabbiner, seinerzeit in den österreich-ungarischen Streitkräften. Das Deutsche Reich führt das Feldrabbinat zu Beginn des Ersten Weltkrieges ein, rund 30 Feldrabbiner sind bis heute bekannt. Mit dem aufkommenden Nationalsozialismus wurde diese Tradition beendet – und auch danach war es für junge jüdische Männer undenkbar, in den deutschen Streitkräften zu dienen. Sie konnten sich zudem von der Wehrpflicht befreien lassen. Die Frage nach einer militärischen Seelsorge stellte sich nicht – bis vor sieben Jahren ein Brief des Verteidigungsministeriums einging bei der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschlands, deren Vorstand Balla angehört. „Ich war glücklich, wieder mit Soldaten in Kontakt treten zu können“, erinnert er sich.

Dabei gibt es aber auch Kritik an der Einrichtung des Militärrabbinats, wie beispielsweise die taz berichtet. Um sich weltoffen zu geben, nenne das Verteidigungsministerium – gefragt nach der Zahl jüdischer Soldatinnen und Soldaten – die Zahl 300. Diese wäre jedoch zu hoch gegriffen, der Betreuungsschlüssel mit zehn Dienstposten übertrieben. Das ordnete Balla in der Online-Sitzung ein: Zum einen sehen die Planungen bis zu zehn Dienstposten vor, verteilt in der Republik. Zum anderen werde die Glaubenszugehörigkeit der Soldatinnen und Soldaten statistisch nicht erfasst. „Wir müssen jetzt erst einmal feststellen, wo Bedarf besteht. Daran werden wir uns orientieren und uns vernünftig aufstellen“, kündigte der designierte Militärrabbiner an und betonte, konfessionsübergreifend arbeiten zu wollen: „Wie ein Militärpfarrer für alle Soldaten da ist – ist auch ein Militärrabbiner für alle da!“

Der Weg zur Religion

Ballas Weg zur Religion glich dabei eher einer Achterbahnfahrt als einer geraden Linie. Als Kind interessierte er sich für Bibeltexte und wollte in die christliche Sonntagsschule gehen, um mehr zu erfahren. „Da sagte dann meine Mutter: ‚Wir müssen reden‘“. Erst mit neun Jahren erfuhr er auf diesem Umweg, dass er Jude ist. Die Beschneidung wurde als medizinischer Eingriff abgetan, in Abwesenheit des Vaters. So etwas wäre undenkbar gewesen für einen Offizier der ungarischen Armee. Nach dem Abitur studierte er schließlich Ingenieurswissenschaften an der TU Budapest. Erst nach dem Abschluss im Jahr 2002 entschied er sich für eine weitere Ausbildung an der Talmud-Hochschule „Beis Zion“ in Berlin. Ausgerechnet Deutschland? „Dieses unbehagliche Gefühl, was mir von allen Seiten eingeredet wurde, war nach 24 Stunden verschwunden“, erinnert sich Balla.

Nach dem Abschluss 2009 erfolgte schließlich die Ordination in München. Damit war Balla zusammen mit Avraham Radbil der erste in Deutschland ausgebildete orthodoxe Rabbiner seit 1938. Ebenfalls 2009 wechselte er nach Leipzig und ist seit zwei Jahren sächsischer Landesrabbiner. Über seine Funktion in der Orthodoxen Rabbinerkonferenz fand er dann schließlich den Weg zur Bundeswehr, wo er mit offenen Armen empfangen wird.

Rückenwind aus dem Verband

„Das Militärrabbinat ist eine Bereicherung für die Bundeswehr“, sagte Oberstleutnant d.R. Patrick Sensburg MdB, Präsident des Reservistenverbandes, zu Beginn der Online-Veranstaltung. „Ich wundere mich oft, warum an den Ortseingängen ganz oft die Messezeiten der christlichen Gemeinden ausgeschrieben sind, nicht aber die Synagogenzeiten, so dass man mal wieder vorbeischaut und in die Diskussion kommt.“ Gleichzeitig zeige die Veranstaltung aber auch die Bandbreite der politischen und militärischen Bildung im Reservistenverband.

„Gerade in dieser Zeit ist es wichtig, dass wir uns über die Religion hinaus verständigen. Wir möchten Ihnen über die Konfessionen hinaus Rückenwind geben für Ihre neue Aufgabe“, sagte Oberst d.R. Manfred Schreiber, Vorsitzender der Landesgruppe Niedersachsen.

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