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Das ist der erste weib­li­che Gar­de­of­fi­zier Deutsch­lands




Wen­cke Sar­rach steigt in den Hub­schrau­ber CH53. Sie weiß, jetzt gibt es kein Zu­rück mehr. Die Rampe schlie­ßt. Der Hub­schrau­ber steigt in den Him­mel. Plötz­lich der Be­fehl: "Ach­tung, Auf­ste­hen!" Letz­te Kon­trol­le am Schirm, die Auf­zieh­lei­ne ein­ge­klinkt. Die Fall­schirm­jä­ger ste­hen dicht ge­drängt in der Ma­schi­ne.

Plötz­lich ein lau­ter Hupton, grü­nes Licht: Im Se­kun­den­takt ver­las­sen sie das Luft­fahr­zeug. Wen­cke Sar­rach ist an der Reihe. Sie springt aus gut 400 Me­tern Höhe. Was folgt, ist ein 50 Se­kun­den-Ad­re­na­lin-Rausch in­klu­si­ve ein­ge­drill­tem Lan­de­fall. We­ni­ge Se­kun­den spä­ter packt sie ihren Fall­schirm ein und be­gibt sich zur Sam­mel­sta­ti­on. Ihre Augen fun­keln. Ein Kind­heits­traum ist wahr ge­wor­den.

Wen­cke Sar­rach er­in­nert sich an ihren ers­ten Fall­schirm­sprung als wäre er ges­tern ge­we­sen. Sie ist Haupt­mann d.R. und ar­bei­tet als Mar­ke­ting­lei­te­rin beim Stutt­gar­ter Un­ter­neh­men In­ter­flex Da­ten­sys­te­me GmbH. Dort prak­ti­ziert sie einen Füh­rungs­stil, den sie wäh­rend ihres zwölf­jäh­ri­gen Diens­tes in Uni­form ver­in­ner­licht hat: Füh­ren durch per­sön­li­ches Vor­bild, Be­geis­te­rung und Au­then­ti­zi­tät.

Als sie 2015 aus der Bun­des­wehr aus­schei­det und ihren Job beim An­bie­ter für Zu­tritts­kon­trol­le, Zeit­er­fas­sung und Per­so­nal­ein­satz­pla­nung an­tritt, be­äu­gen sie ei­ni­ge Mit­ar­bei­ter zu­nächst skep­tisch: Kann die Neue über­haupt Mar­ke­ting? Herrscht ab jetzt Be­fehl und Ge­hor­sam? Die Be­fürch­tun­gen zer­streu­en sich schnell. Eine der wich­tigs­ten Lek­tio­nen, die Sar­rach bei der Bun­des­wehr ge­lernt hat, lau­tet: "Füh­ren mit Auf­trag". Bei der Bun­des­wehr be­kom­men die Sol­da­ten von ihren Vor­ge­setz­ten ein Ziel vor­ge­ge­ben. Wie er es er­reicht, bleibt ihm über­las­sen. "Of­fi­zie­re haben volls­tes Ver­trau­en in ihre Sol­da­ten und kön­nen Auf­ga­ben de­le­gie­ren. Im Zi­vi­len ist das ge­nau­so", sagt die 33-Jäh­ri­ge. Sie gibt ihren Mit­ar­bei­tern die Rich­tung vor. Die Ideen spru­deln dann von al­lein – wie bei einer neuen An­zei­gen­kam­pa­gne, die eine Mit­ar­bei­te­rin ei­gen­ver­ant­wort­lich er­ar­bei­tet und um­ge­setzt hat. "Ich war über­zeugt von der Idee", sagt Sar­rach.

Ihr Team von einer Sache zu be­geis­tern und mit­zu­rei­ßen, sieht sie als eine ihrer wich­tigs­ten Auf­ga­ben. Vor­ge­lebt hat das be­reits ihr Vater. Uwe Sar­rach, als Chef der fünf­ten Kom­pa­nie des Pan­zer­gre­na­dier­ba­tail­lons 72 aus der Bun­des­wehr aus­ge­schie­den, steckt seine Toch­ter schon früh mit der Be­geis­te­rung für den Dienst in Uni­form an. An­stel­le von klas­si­schen Gute-Nacht-Ge­schich­ten, wie sie in Kin­der­bü­chern ste­hen, be­rich­tet er von der Bun­des­wehr, zum Bei­spiel wie er sich bei einer Übung zu sei­nen Ka­me­ra­den durch­ge­schla­gen hat ohne ent­deckt zu wer­den und wie es sich an­fühlt als Fall­schirm­sprin­ger kurz vor dem Sprung zu ste­hen.

Als Elf­jäh­ri­ge be­sucht Wen­cke Sar­rach mit ihrem Vater den Aus­bil­dungs­stütz­punkt Luft­lan­de/Luft­lan­de­trans­port­schu­le im ober­baye­ri­schen Al­ten­stadt. Dort sieht sie zum ers­ten Mal wie Fall­schirm­jä­ger in die CH53 stei­gen, sprin­gen und am Boden lan­den. Spä­ter in der Schu­le schwärmt Sar­rach von Aben­teu­er, Span­nung und dem Reiz bei der Bun­des­wehr Er­fah­run­gen zu sam­meln, die nicht jeder macht. Doch erst ab 2001 ist es Frau­en er­laubt, in sämt­li­chen Teil­streit­kräf­ten der Bun­des­wehr zu die­nen. Im Ab­itur­buch ihres Jahr­gangs steht: "Ich möch­te Sol­dat wer­den".

Sie ver­pflich­tet sich für zwölf Jahre. Im Juli 2003 star­tet ihre All­ge­mei­ne Grund­aus­bil­dung in der sieb­ten Kom­pa­nie des Fall­schirm­jä­ger­ba­tail­lons 261 in Saar­lou­is. We­ni­ge Mo­na­te spä­ter führt die Spe­zi­al­grund­aus­bil­dung Wen­cke Sar­rach zu­rück nach Al­ten­stadt. "Ich habe als Kind vol­ler Ehr­furcht vor der Ka­ser­ne ge­stan­den. Da­mals bin ich vol­ler Ehr­furcht zu­rück­ge­kehrt", schil­dert Sar­rach. Der Sprin­ger­lehr­gang ist an­spruchs­voll. Die Aus­bil­der scheu­chen die Sol­da­ten im Lauf­schritt durch die Ka­ser­ne. Die Fall­schirm­jä­ger trai­nie­ren im so ge­nann­ten Hän­ger das Ver­hal­ten am Schirm, üben am Pen­del die kor­rek­te Kör­per­hal­tung beim Lan­de­fall und fei­len am Sprung­turm an der rich­ti­gen Ab­sprung­hal­tung. Wen­cke Sar­rach be­steht die Prü­fun­gen vor ihrem ers­ten Fall­schirm­sprung.

Sie stößt wäh­rend der Of­fi­zier­an­wär­ter­aus­bil­dung in der In­fan­tie­rie­schu­le Ham­mel­burg erst­mals an ihre Gren­zen. Der da­ma­li­gen Of­fi­zier­an­wär­te­rin un­ter­lau­fen bei der Aus­bil­dung Grup­pen- und Zug­füh­rer im Ge­fecht Feh­ler und sie fällt durch die ent­schei­den­de Prü­fung. Sie steht unter Druck. Wenn sie die­sen Lehr­gang nicht be­steht, kann sie sich von einer Kar­rie­re als Of­fi­zier ver­ab­schie­den. Im zwei­ten An­lauf schafft die Sol­da­tin die Prü­fung. "In Ham­mel­burg bin ich cha­rak­ter­lich ge­reift. Ich habe ge­lernt, wie man mit Nie­der­la­gen um­geht", sagt Wen­cke Sar­rach.

Sie ab­sol­viert die Of­fi­zier­aus­bil­dung an der Of­fi­zier­schu­le des Hee­res in Dres­den und stu­diert Be­triebs­wirt­schafts­leh­re an der Hel­mut-Schmidt-Uni­ver­si­tät in Ham­burg. Im Sep­tem­ber 2011 wird sie Zug­füh­rer und stell­ver­tre­ten­der Kom­pa­nie­chef im Pro­to­kol­la­ri­schen Eh­ren­dienst des Wach­ba­tail­lons beim Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung. Damit ist Sar­rach der erste weib­li­che Gar­de­of­fi­zier in der deut­schen Ge­schich­te.

Beim Gro­ßen Zap­fen­streich für den ehe­ma­li­gen Bun­des­prä­si­den­ten Chris­ti­an Wulff gerät die Frau Haupt­mann für einen kur­zen Mo­ment in den Mit­tel­punkt. Es ist der 8. März 2012, Welt­frau­en­tag. Die Sol­da­ten des Wach­ba­tail­lons stel­len sich zum Ze­re­mo­ni­ell im Gar­ten des Schlos­ses Bel­le­vue auf. Oberst­leut­nant Mi­cha­el Kro­bok, Kom­man­deur des Wach­ba­tail­lons, mel­det seine Sol­da­ten zum Gro­ßen Zap­fen­streich an­ge­tre­ten. Dann tritt Haupt­mann Wen­cke Sar­rach vor. Unter ihrem lin­ken Arm hält sie die Eh­ren­ur­kun­de des Wach­ba­tail­lons. "Herr Bun­des­prä­si­dent", sagt sie, die rech­te Hand zum mi­li­tä­ri­schen Gruß ge­ho­ben. Haupt­mann Sar­rach holt Luft und fährt fort: "An­läss­lich des Gro­ßen Zap­fen­strei­ches zu Ihren Ehren, über­rei­che ich Ihnen die Ur­kun­de des Wach­ba­tail­lons beim Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung." Chris­ti­an Wulff be­dankt sich. Haupt­mann Sar­rach ent­wischt ein kur­zes Lä­cheln. "Ich war noch ner­vö­ser als vor mei­nem ers­ten Fall­schirm­sprung", ver­rät sie.

Im Au­gust 2014 lässt Wen­cke Sar­rach das Wach­ba­tail­lon am Rat­haus Kö­pe­nick auf­mar­schie­ren. Die Ak­ti­on er­in­nert mit einem Au­gen­zwin­kern an die Rat­haus­be­set­zung des Haupt­man­nes von Kö­pe­nick und ist ein PR-Er­folg. Lo­ka­le und über­re­gio­na­le Me­di­en grei­fen das Thema auf. "Wir hat­ten Pro­ble­me, Nach­wuchs fürs Wach­ba­tail­lon zu fin­den und haben mit der Ak­ti­on Öf­fent­lich­keits­ar­beit be­trie­ben", sagt Sar­rach zu dem Auf­tritt. Sie ist zu der Zeit als Prüf­of­fi­zier im Bun­des­wehr Kar­rie­re­cen­ter Stutt­gart für die Nach­wuchs­ge­win­nung zu­stän­dig.

Als Sar­rach 2015 aus der Bun­des­wehr aus­schei­det, wird sie Mar­ke­ting­lei­te­rin bei In­ter­flex Da­ten­sys­te­me GmbH, einer Toch­ter des Al­le­gi­on Kon­zerns. "Die Bun­des­wehr hat mir viel ge­ge­ben, unter an­de­rem habe ich dort ge­lernt zu füh­ren und Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men", sagt Sar­rach. Füh­rungs­stär­ke und eine hohe Stress­re­sis­tenz – das sind Ei­gen­schaf­ten, die Dr. Jörg Wiss­dorf, sehr zu schät­zen weiß. Der Ge­schäfts­füh­rer von In­ter­flex ist selbst Oberst d.R. Er un­ter­stützt seine Mar­ke­ting­lei­te­rin, wenn sie Wehr­übun­gen leis­ten möch­te. "Ich frage den Chef und dann läuft das", sagt Wen­cke Sar­rach. Wenn die be­trieb­li­chen Um­stän­de es zu­las­sen, dient Haupt­mann d.R. Sar­rach unter Oberst­leut­nant d.R. Rein­hard Hir­zel im Ver­bin­dungs­kom­man­do Zivil-Mi­li­tä­ri­sche Zu­sam­men­ar­beit des In­nen­mi­nis­te­ri­ums Baden-Würt­tem­berg. "Das Netz­werk ehe­ma­li­ger Sol­da­ten in der Wirt­schaft ist grö­ßer als ich dach­te. Und beide Sei­ten – Mi­li­tär und Wirt­schaft – pro­fi­tie­ren von dem ge­gen­sei­ti­gen Er­fah­rungs­aus­tausch", sagt Wen­cke Sar­rach.

Ben­ja­min Vor­höl­ter

Bild oben:
Wen­cke Sar­rach ist der erste weib­li­che
Gar­de­of­fi­zier in der deut­schen Ge­schich­te.
(Foto: pri­vat)

Zwei­tes Bild:
Wen­cke Sar­rach lä­chelt vor einem ihrer
ers­ten Fall­schirm­sprün­ge aus der Transall.
(Foto: pri­vat)

Drit­tes Bild:
Frühe Be­geis­te­rung für den Sol­da­ten­be­ruf: Wen­cke Sar­rach mit ihren
Brü­dern und ihrem Va­tern im In­ne­ren eines Hub­schrau­bers CH53.
(Foto: pri­vat)

Bild unten:
Beim Gro­ßen Zap­fen­streich über­reicht Wen­cke Sar­rach dem da­ma­li­gen
Bun­des­prä­si­den­ten Chris­ti­an Wulff die Ur­kun­de des Wach­ba­tail­lons.
(Foto: pri­vat)

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