Das Landesregiment Bayern wächst zusammen
Die drei fränkischen Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskompanien (RSUKp) des Landesregiments Bayern haben in Roth nun zum ersten Mal gemeinsam geübt. Dabei lag der Schwerpunkt der Ausbildung nicht allein auf den militärischen Fähigkeiten der Soldaten, sondern auch auf der Gestaltung einer gemeinsamen, zielorientierten Ausbildung über die Grenzen der einzelnen Kompanien hinweg. Wie sieht so eine Ausbildung aus?
Noch ein bisschen Öl und er schrubbt weiter. Obergefreiter Jörg Schimmer poliert das Metallstück. Es ist ein Rückstoßverstärker. Er lag wenige Stunden zuvor hinter einem Maschinengewehr MG3. Der Obergefreite dreht das kegelförmige Stück Metall und begutachtet es fachmännisch. Beim Waffenreinigen habe ihn der Ehrgeiz gepackt, erläutert Schimmer. Sichtbar erschöpft von der intensiven Ausbildung bei über 30 Grad, befreit er mit größter Sorgfalt die Spuren des Schießtages von dem Metallstück. „Mein Chef in der Firma sagt immer: ‚Wir machen es wie das Original oder besser“, sagt Schimmer, der als Winzermeister und Kfz-Mechaniker arbeitet. Sein Kamerad Oberbootsmann Thomas Kögel erwidert: „Ich bin Betriebswirt, beeil dich!“
Die Soldaten sitzen vor ihrer Unterkunft in der ehemaligen Patriot-Stellung auf dem Standortübungsplatz der Otto-Lilienthal-Kaserne in Roth. Auf Biertischen unter sorgfältig gespannten Tarnnetzen liegen weitere Maschinengewehre und Gewehre G36. Sie gehören zum Landesregiment Bayern, das zum ersten Mal im Regimentsverbund seine Soldaten ausbildet. Während die Kameraden die Waffen zerlegen und reinigen, bespricht sich der Kommandeur des Landesregiments Bayern, Oberst Stefan Berger, mit Oberst Reinhard Marx, Leiter der Projektgruppe aus dem Kommando Territoriale Aufgaben, und mit dessen designiertem Nachfolger Oberst Willibert Wilkens.
Innerhalb von vier Wochen von Juli bis Mitte August kommen die drei fränkischen Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskompanien (RSUKp) Ober-, Mittel- und Unterfranken auf Regimentsebene zusammen. Major Christian Rotter, Kompaniechef der RSU Kompanie Mittelfranken und Gesamtleitender der Ausbildung: „Das übergeordnete Ziel der Ausbildung ist es, dass alle Einheiten des Landesregiment als militärischer Verband zusammenwachsen und im engen Schulterschluss gemeinsam ein tragfähiges und am Auftrag des Landesregiments ausgerichtetes Ausbildungskonzept erarbeiten. Hierbei gilt es die individuellen Kompetenzen und Stärken jedes einzelnen Kameraden und jeder einzelnen Kameradin zu nutzen und einzubinden. Dabei gilt es für alle Angehörigen des Regiments, die aus den verschiedensten Teilstreitkräften stammen und über die unterschiedlichsten Erfahrungs- und Wissensstände verfügen, ein stabiles Fundament für die künftigen Aufgaben des Regiments zu schaffen.“
So läuft die Ausbildung
Die erste Woche der vierwöchigen Ausbildung diente der Incentivierung des kompanieübergreifenden Führungs- und Ausbildungspersonals und der gemeinsamen Planung und Vorbereitung der Ausbildungsinhalte. Die drauf folgenden drei Ausbildungswochen, ermöglichten es den Reservisten einheitsunabhängig für je eine Woche ihr Wissen und ihre Fähigkeiten weiterzuentwickeln. Die Ausbildung wurde so gestaltet, dass alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer unabhängig der jeweiligen Woche, eine identische Ausbildung und damit einen einheitlichen Ausbildungsstand erhalten. Nicht zuletzt wurde so eine Basis geschaffen, die den gegenseitigen kameradschaftlichen Austausch auch über die bisherigen Kompaniegrenzen hinaus förderte.
„Herzlichen Dank für Ihre Leistung. Es ist ein guter Dienst für unsere Gesellschaft“, betont Oberst Marx beim Antreten. Es sei ihm eine Freude, seinen 65. Geburtstag auf dem Standortübungsplatz beim Landesregiment zu erleben. Sein designierter Nachfolger teilt mit, es sei eine Ehre, als zukünftiger Leiter der Projektgruppe Landesregiment Bayern im Kommando Territoriale Aufgaben der Bundeswehr zu sein und engagiert an der Erprobung mitzuwirken. Die Erfahrungen aus dem laufenden Pilotprojekt Landesregiment Bayern könnten für weitere Landesregimenter genutzt werden. Auf dem Weg dahin wolle man besser werden, sagt Oberst Wilkens. Während der parallel stattfindenden Abstimmungsbesprechung der Projektgruppe Landesregiment mit der Regimentsführung nutzt Oberst Marx gemeinsam mit Oberst Wilkens die Gelegenheit, um sich die Fortschritte der Ausbildung am Standort Roth anzuschauen.
Auftrag: Schutz der öffentlichen Einrichtungen
Die Gruppenführer Oberbootsmann Thomas Kögel und Oberfeldwebel Marco Baum sitzen vor einer Lagekarte in der Operationszentrale. Sie notieren sich die Befehle für ihre jeweilige Gruppe. Die erste Aufgabe der Gruppenführer: den Befehl so herunterzubrechen, dass jeder einzelne Schütze seinen Auftrag und seine Funktion in der Gruppe kennt und versteht. An diesem Ausbildungstag sieht die Lage des Ausbildungsszenario wie folgt aus: Während der Coronavirus-Pandemie hält die Landesregierung Lager mit medizinischem Material vor. Es besteht die Gefahr, dass gewalttätige Gruppen diese öffentlichen Einrichtungen stören. Der Freistaat Bayern hat die Bundeswehr um Amtshilfe gebeten. Der Auftrag gemäß dieses Szenarios ist nun, für den Schutz der öffentlichen Einrichtungen zu sorgen. Das bedeutet für die Soldaten u.a. den Einsatz als Patrouille zu Fuß. Weitere Einzelbefehle erhalten der Gruppenführer und die Soldaten über die Operationszentrale.
Die Gruppe Alfa verlässt in Schützenreihe die eigene Sicherung. Die Soldaten marschieren durch den Wald auf dem Standortübungsplatz. Nach wenigen Minuten stoßen sie auf einen weißen Bundeswehr-Transporter, vor dem zwei Ausbilder stehen. Die Aufgabe ist nun, das Fahrzeug so zu tarnen, dass es möglichst von feindlichen Kräften nicht sofort entdeckt werden kann. Gruppenführer Oberfeldwebel Baum teilt zwei seiner Männer zur Sicherung ein. Er weist ihnen eine Stellung zu und instruiert sie, welchen Bereich es zu überwachen und zu sichern gilt. Die übrigen Kräfte seiner Gruppe befiehlt er zum Transporter. Sie ziehen ein großes Tarnnetz aus dem Kofferraum und knüpfen eine Seite an einen Baumstamm. Die Soldaten binden das Netz an einem weiteren Baum fest und werfen es über den Wagen. Sie sammeln Äste, Blätter und legen sie zur zusätzlichen Tarnung an. Nach wenigen Minuten ist der weiße Wagen unter einem Zelt aus Tarnnetz verschwunden. Aus der Distanz kann man ihn nicht erkennen. Auftrag erfüllt!
Die Ausbilder versammeln die Gruppe und sprechen über die gezeigte Leistung. „Die Führerleistung hat mir sehr gut gefallen“, sagt Oberleutnant Oliver Fuckert, stellvertretender Projektoffizier des Ausbildungsvorhabens. „Sie haben die richtigen Stellungen für den Einsatz Ihrer Sicherung erwischt, den richtigen Kräfteansatz gewählt und eingeteilt“, fährt er fort. Allerdings müsse ein Gruppenführer nicht selbst eine Stange für das Tarnnetzzelt aufbauen und festhalten. Besser sei es, Aufgaben zu delegieren. Der Gruppenführer treffe die Entscheidungen und behalte den Überblick.
Auch die Ausbilder lernen dazu
An den einzelnen Stationen ist das Verhalten der Gruppe als Team, des und das Führungsgeschick der Gruppenführer Schwerpunkt der Ausbildung. Aber auch die Ausbilder lernen dazu. In den vier Wochen habe das Landesregiment die Übungsvorhaben, die aufgrund der Coronavirus-Pandemie ausgefallen sind, sehr gut nachholen können, bilanziert Kommandeur Oberst Stefan Berger. Die Kompanien wachsen gut zusammen. „Wir haben gut ausgebildete Kameraden für die Herbstausbildung im September“, sagt Oberst Berger. Dabei soll die Kohäsion zischen den Kompanien vertieft werden. Bei dieser Ausbildung unterstützt die zweite Inspektion des Vereinte-Nationen-Ausbildungszentrums, zu der eine Kompanie der Streitkräftebasis gehört, das Landesregiment. „Das ist eine einmalige Chance“, sagt Oberst Berger.
Derweil nähert sich Gruppe Alfa einer Lichtung auf dem Standortübungsplatz in Roth. Auf der Wiese wartet Hauptfeldwebel Dominik Weißmeier auf die Soldaten. Er eröffnet ihnen, dass sie nun das offene Gelände im Sprung so schnell und geräuschlos wie möglich überwinden müssen. Wie das geht haben die Soldaten vormittags anschaulich an einem Geländesandkasten gelernt. Oberfeldwebel Marco Baum führt seine Kameraden durch das Unterholz an die Lichtung heran. Er gibt ein Handzeichen. Es bedeutet: Umgliedern in Schützenrudel. Seine Kameraden laufen los und reihen sich nebeneinander auf. Sie steuern auf einen Graben vor der Lichtung zu und hocken sich ab. Der Oberfeldwebel gibt letzte Handzeichen und los geht es. In einer Linie mit dem Gewehr G36 im Anschlag, verlassen die Soldaten den Wald, durchkämmen die Wiese und verschwinden im gegenüberliegenden Waldstück. Ihre nächste Aufgabe: Dasselbe Gebiet zu durchkämmen und mögliche Munitionsverstecke aufzufinden.
Hauptfeldwebel Weißmeier beobachtet als Ausbilder, wie die Gruppe beginnt. „Ich habe extra darauf hingewiesen, dass nicht nur der kleine Pfad zu dem Gebiet zählt, das sie durchkämmen sollen“, korrigiert er, als er sieht, dass die Soldaten mehr oder weniger im Gänsemarsch durch das Gelände schreiten. Wenige Sekunden später reihen sich die Soldaten auf der gesamten Breite der Wiese auf. Aus der Sicht des Ausbilders, schaut das besser aus. Plötzlich werfen sich die Männer flach auf den Bauch. Feindliches Feuer. Die Soldaten schießen zurück. Magazinwechsel und weiterfeuern. Die Munition geht allmählich aus. Das feindliche Feuer ebbt nicht ab. Gruppenführer Oberfeldwebel Baum gibt das Zeichen zum Ausweichen. Eine halbe Gruppe gewinnt zügig Abstand zum gegnerischen Feuer, während die anderen Kameraden das Feuer erwidern und dann unter Feuerschutz der jetzt in Deckung befindlichen Halbgruppe ihren Kameraden zu folgen. Hauptfeldwebel Weißmeier unterbricht die Lage, um gemeinsam mit den Soldaten die Teilergebnisse zu besprechen und zu verbessern. Oberst Marx und Oberst Wilkens kommen hinzu und hören interessiert zu. Sie blicken in erschöpfte aber sehr motivierte Gesichter.
„Die Ausbildung im Landesregiment ist eine Bereicherung“
Oberfeldwebel Marco Baum wischt sich den Schweiß von der Stirn. Er habe den Schritt nicht bereut, wieder in Uniform aktiv zu werden, sagt er. Vor zwanzig Jahren war er Stabsdienstfeldwebel in der Luftwaffensicherung und hat beim Objektschutz für das Waffensystem Hawk gedient. „Die Ausbildung im Landesregiment ist eine Bereicherung. Ich kann hier meinen Horizont erweitern und hier gibt es eine sehr gute Kameradschaft“, führt er als Gründe an, warum er sich im vergangenen Jahr aktiv für den Reservistendienst im Landesregiment gemeldet hat. „Man trifft unterschiedliche Leute und Dienstgrade. Hier ist quasi ein Querschnitt der Gesellschaft“, sagt hingegen Oberbootsmann Thomas Kögel. Er ist über den Reservistenverband, in der Kreisgruppe Würzburg aktiv, zum Landesregiment gekommen. Der Kreisorganisationsleiter Organisationsleiter der Kreisgruppe habe ihn auf ein Engagement im Landesregiment angesprochen. So stellt sich Kommandeur Oberst Stefan Berger die optimale Unterstützung durch den Verband vor. Auf der Arbeitsebene, das heißt Ebene Kreisorganisationsleiter, werde viel gemacht und der Verband helfe bei der Personalgewinnung. Die gute Zusammenarbeit müsse weiter fortgesetzt werden, sagt Oberst Berger. Er hofft auch auf einen positiven Effekt durch den neuen Freiwilligen Wehrdienst im Heimatschutz. „Ich bin sehr glücklich darüber, dass so Personal gewonnen werden kann, das gut ausgebildet ist. Die Reserve hat Hochkonjunktur“, fügt der Kommandeur des Landesregiments hinzu.