Bundeswehr und Schule: Lasst da Reservisten ran!
Es gibt diejenigen, die sämtliches Militärische von Schülerinnen und Schüler fernhalten möchten. Über solche Pädagogen können diejenigen nur mit dem Kopf schütteln, die absolut kein Problem mit Jugendoffizieren und Informations-veranstaltungen der Bundeswehr in Schulen haben. Am Thema Bundeswehr und Schule scheiden sich die Geister. Dieser Debattenbeitrag ist ein Zwischenruf: Weniger ideologisch herangehen, lasst Reservistinnen und Reservisten da mal ran!
Kennen Sie noch Fritz-Rudolf Schulz? Er war von 1970 bis 1975 Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages. In seinem Bericht aus dem Jahr 1972 schrieb er folgendes: „Meines Erachtens ist es unumgänglich, eine Revision der Curricula zur politischen Bildung in den Schulen vorzunehmen und darüber hinaus eine angemessene Behandlung der Themenbereiche Friedenspädagogik, Konflikttheorie, Sicherheits- und Verteidigungspolitik in der Lehrerausbildung und Lehrerfortbildung einzuführen. Sicherheits- und Verteidigungspolitik sollen nicht fachlich isoliert, sondern im Gesamtzusammenhang mit der Außen- und Innenpolitik verstanden und erörtert werden.“
Mehr als 50 Jahre später hat sich nichts geändert. Die ideologischen Fronten sind nach wie vor verhärtet. Es scheint, dass an vielen Schulen die Themen Bundeswehr, Verteidigung und Sicherheitspolitik mit der Kneifzange angefasst werden. Es gilt das Überwältigungsverbot. Die Schülerinnen und Schüler dürfen nicht mit einer bestimmten Meinung oder Ansicht überrumpelt werden. Die Gebote des Beutelsbacher Konsens hält die Gewerkschaft Wissenschaft und Bildung (GEW) hoch. Diese stellt sich nach eigenen Angaben „gegen den Einfluss der Bundeswehr auf die inhaltliche Gestaltung des Unterrichts und der Lehreraus- und Fortbildung, wie sie in den Kooperationsabkommen zwischen Kultusministerien und Bundeswehr deutlich werden.“ Die GEW argumentiert, dass die politische Bildung in die Hände der dafür ausgebildeten pädagogischen Fachkräfte gehöre. Es wird regelrecht vor der Militarisierung der Klassenzimmer gewarnt.
Wehrbeauftragte befasst sich mit dem Thema Schule
Dennoch finden sie statt, die Kontakte zwischen Schülerinnen und Schülern und Bundeswehr. Die Bundeswehr spricht die Zielgruppe der jungen Erwachsenen, diejenigen, die kurz vor dem Schulabschluss stehen, gezielt mit Social-Media-Formaten, Messeständen und Tagen der offenen Tür an. Es geht um Nachwuchswerbung, aber auch um das Verständnis für die Notwenigkeit von Streitkräften und Verteidigung. Sicherheit fällt nicht vom Himmel.
Skeptisch sehen manche Kritikerinnen und Kritiker persönliches Engagement, wie das von Helma Thelen-Oberbillig. Die Lehrerin ist Mitglied im Reservistenverband und geht mit ihren Schülerinnen und Schülern zu Besuch in die Kaserne, zum Beispiel zum Cyber-Tag des Informationstechnikbataillons 281 in Gerolstein. Dabei macht die Lehrerin seit Jahren das, was nun jüngst die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages gefordert hat: Dr. Eva Högl sprach sich dafür aus, dass Schule und Bundeswehr stärker zusammenarbeiten sollten. Sie würde sich freuen, wenn sich Lehrerinnen und Lehrer im Unterricht auch stärker mit den Streitkräften auseinandersetzten. Högl kritisierte Auftrittsverbote. In einigen Bundesländern, wie zum Beispiel in Baden-Württemberg, gibt es ein Werbeverbot für die Bundeswehr in Schulen. Högls klare Worte machen Mut.
Glaubwürdige Zeitzeugen
Die Bundeswehr, die Themen Sicherheit und Verteidigung sind oft viel zu theoretisch und abstrakt, zu weit weg. Sie müssen auf die Lebensrealität der Schülerinnen und Schüler heruntergebrochen werden. Dabei spielen weniger die großen Linien eine Rolle, sondern die Frage, warum betrifft das mich? Hier hilft ein Perspektivwechsel, den nur Reservisten oder Veteranen herstellen können. Wenn Reservistinnen und Reservisten ihre Mittlerrolle für die Bundeswehr in der Gesellschaft ernst nehmen, warum nicht in den Schulen? Ehemalige Soldaten aus der Zeit des Kalten Krieges bringen eine Perspektive mit, die vielen der heute aktiven Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr verschlossen bleibt. Lebenserfahrene Reservisten könnten von ihren Erlebnissen in der damaligen Wehrpflichtarmee oder von den ersten Auslandseinsätzen der Bundeswehr berichten.
Rückschlüsse zur aktuellen sicherheitspolitischen Lage können die Schülerinnen und Schüler dabei selbst ziehen. Reservisten oder Veteranen könnten in den Schulen als glaubwürdige Zeitzeugen auftreten und die sicherheitspolitische Bildung um einen historischen Blickwinkel bereichern. Das wäre ein Aspekt, der weit entfernt von Personalwerbung wäre. Natürlich können Reservisten oder Veteranen auch aus ihren persönlichen Erfahrungen erzählen, was sie in der Bundeswehr und in der Reserve erlebt haben, welche Vorteile sich aus dem Dienst für ihr Leben ergeben (berufliche Weiterbildung, Erweiterung der Soft Skills, Kameradschaft). Sie können ebenfalls ein ehrliches Bild von den Besonderheiten des Soldatenberufs vermitteln, von den traumatischen Folgen, die ein scharfer Einsatz mit sich bringen kann.
Reservisten oder Veteranen könnten im besten Fall zusammen mit Pädagogen, Friedensaktivisten oder Jugendoffizieren auftreten und mit sicherheitspolitischen Angeboten den ideologisch verhärteten Diskurs aufweichen und für mehr Transparenz, Offenheit und Verständnis sorgen.
Bundeswehr und Schule
Bildung ist Ländersache. Das spiegelt sich unter anderem im Umgang mit der Bundeswehr an Schulen wider. Neun Bundesländer haben mit den jeweiligen Landeskommandos Kooperationsvereinbarungen abgeschlossen. Manche, wie in Schleswig-Holstein, wurden erst vor wenigen Jahren abgeschlossen, andere Abkommen gibt es schon länger. In diesen Kooperationsvereinbarung ist festgelegt, in welchem Rahmen Jugendoffiziere zur sicherheitspolitischen Bildung an Schulen gehen dürfen.
Aus dem Jahresbericht der Jugendoffizierinnen und Jugendoffiziere der Bundeswehr 2022 geht hervor, dass im Jahr 2022 von den Jugendoffizierinnen und Jugendoffizieren 5.931 Veranstaltungen durchgeführt wurden. Dieses stellt eine Steigerung um 3.536 Veranstaltungen (plus 147,6 Prozenzt) im Vergleich zu 2021 beziehungsweise um 260 Veranstaltungen (plus 4,6 Prozent) im Vergleich zu 2019 dar. In manchen Regionen bestritten Jugendoffizierinnen und Jugendoffiziere bis zu drei Einsätze an einem Tag.