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Debattenbeitrag: Der Wert der Allgemeinen Reserve

Wie es um die Reserve in Deutschland bestellt ist, was sie kann, was sie können soll und was für das Ziel einer einsatzbereiten Reserve zu tun ist, sind wichtige Fragen. Sie betreffen aber nicht allein die Streitkräfte oder die Bundeswehr-Community. Reserve ist ein gesamtgesellschaftliches Thema, über das mehr öffentlich diskutiert werden muss.

Symbolbild: Reservisten des Landesregiments Bayern bei der Ausbildung.

Foto: Bundeswehr/Twardy

debattenbeitragreserve

Dies ist der dritte Teil einer Reihe von Debattenbeiträgen zum Thema Reserve. Die Gedanken hier zum Wert der Allgemeinen Reserve stammen von Jürgen Dreifke, Beauftragter für Sicherheitspolitik der Kreisgruppe Münster des Reservistenverbandes. Dieser Debattenbeitrag präsentiert seine Überlegungen und geht auf das Potenzial der nicht beorderten Reserve ein.

Deutschland müsse kriegstüchtig werden. Das hat Verteidigungsminister Boris Pistorius vor Kurzem gesagt. Die Aussage hat die Debatten um die Einführung eines allgemeinen Gesellschaftsdienstes oder die Wiedereinführung der Wehrpflicht belebt. Für beide Vorschläge fehlt derzeit aber der politische Wille. Um Deutschland wehrhafter zu machen, gibt es eine weitere Möglichkeit: die Reserve der Bundeswehr stärken. Hier lohnt sich vor allem ein Blick auf das Potenzial der Allgemeinen Reserve, also derjenigen Reservistinnen und Reservisten, die sich nicht in einem Beorderungsverhältnis befinden.

Verteidigung, Krise und Krieg sind sehr abstrakt, in Zeiten des tiefen Friedens schwer greifbar. Aber Coronavirus-Pandemie, die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten führen uns vor Augen, dass Vorsorge notwendig ist.

Ein Schirm für alle Fälle

Es ist völlig nachvollziehbar, mit einer Regenjacke und Regenschirm vor die Tür zu gehen, wenn uns der Wetterbericht Niederschlag prognostiziert. Wäre der Regen die sicherheitspolitische Großwetterlage heute und wären Regenschirm und Regenjacke eine gut funktionierende sowie einsatzbereite Armee, würden wir wohl in Unterhose umherlaufen. Falls nun ein Unwetter über uns hinwegziehen würde, wäre es heftiger als jemals zuvor. Wir könnten uns kaum dagegen schützen. Deshalb ist es irrational, nicht vorzusorgen. Einen Regenschirm zu haben, heißt dabei nicht, ihn ständig benutzen zu müssen. Doch wenn sich die Wolken zuziehen, ist es gut, ihn zu haben. Das gleiche gilt für das Militär.

Umso unverantwortlicher könnte man sagen, wäre es, wenn uns die Politik nackt im Regen stehen lässt, weil sie zu wenig in die Sicherheitsvorsorge in Form von einsatzbereiten Streitkräften investiert. Ganz so einfach ist es nicht. Im Falle des Falles, das heißt in der Krise oder im Krieg, wären wir alle gleichermaßen betroffen. Deshalb sind wir alle auch selbst dafür verantwortlich, unseren Beitrag zur Sicherheitsvorsorge in unserem Land zu leisten. Wer zu geizig für einen Regenschirm ist, darf sich nicht beschweren, wenn er nass wird.

Das gleiche gilt für das Militär. Wir alle – das heißt die gesamte Zivilgesellschaft kann ihren Beitrag dazu leisten, dass Deutschland wehrhafter wird. In besonderem Maße tun dies schon jetzt Reservistinnen und Reservisten. Sie sind sozusagen Regenschirm und Regenjacke in einem. Auf der einen Seite stellen sich beorderte Reservisten in den Dienst der Bundeswehr und sorgen mit ihrem Einsatz dafür, dass der (sicherheitspolitische) Schutzschirm gespannt wird. Auf der anderen Seite gibt es unzählige Reservistinnen und Reservisten, die der nicht beorderten Allgemeinen Reserve angehören. Das bedeutet, sie sind nicht mehr aktiv in der Bundeswehr. Viele von ihnen engagieren sich im Reservistenverband oder privat. In der Allgemeinen Reserve steckt ein unheimliches Potenzial, das die Bundeswehr aufgrund der weggefallenen Wehrersatz-Strukturen nicht heben kann.

Reservisten als Augen und Ohren im rückwärtigen Raum

Die nun folgenden Gedanken stammen von Jürgen Dreifke, Beauftragter für Sicherheitspolitik der Kreisgruppe Münster des Reservistenverbandes. Er hat seine Überlegungen unter der Überschrift „Allgemeine Reserve in der Landes- und Bündnisverteidigung – Plädoyer für regionale Unterstützungsbataillone der B-Reserve” veröffentlicht.

Derzeit baut die Bundeswehr die Strukturen der Heimatschutzregimenter auf und aus. Die Aufgabe dieser Einheiten der Territorialen Reserve soll es sein, Wach- und Sicherungsaufgaben zu übernehmen. Für die Drehscheibe Deutschland gewinnt der Schutz vor Sabotage und Störern im rückwärtigen Raum an Bedeutung. Drehscheibe Deutschland beschreibt Deutschlands strategische und wichtige logistische Bedeutung für den Transport von Material, Personal und Truppen in Richtung Bündnisgrenzen. Bei großen Transitbewegungen von eigenen und alliierten Streitkräften wären Heimatschutzkräfte zum Beispiel bei der Sicherung von Verkehrsknotenpunkten gefordert. Zudem gibt es in Deutschland hunderte von militärischen Liegenschaften und circa 3.000 schutzbedürftige Objekte kritischer Infrastruktur, die im Ernstfall nach Ausrücken der aktiven Truppe geschützt werden müssten. Zwar sind Betreiber kritischer Infrastruktur zunächst selbst für den Eigenschutz verantwortlich.

Dennoch dürfte im Krisenfall der Bedarf an militärischen Schutzkräften sprunghaft ansteigen, da auch zivile Anlagen, die für das Funktionieren der Gesellschaft und der militärischen Einsatzbereitschaft notwendig sind, also verteidigungswichtig sind, geschützt werden müssten. Heimatschutzkompanien und -regimenter werden diesen Schutz nicht flächendeckend sicherstellen können. Stattdessen könnten Reservistinnen und Reservisten in zweifacher Hinsicht zur Sicherheit beitragen.

Erstens, indem sie möglichst ortsnah eingesetzt im Rahmen der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit präsent sind. Zweitens, indem sie für Wach- und Beobachtungsaufgaben zur Verstärkung eingesetzt werden können.

Hier kann der Reservistenverband unterstützen

Reservisten könnten ortsnah, in ihrer Heimat, im Spannungsfall in der Krise in der Fläche beobachten und melden. Das könnte so ähnlich aussehen wie in der Ukraine. Als der russische Aggressor Richtung Kiew marschierte, teilten zahlreiche Veteranen und Zivilisten dem ukrainischen Militär Panzerstellungen oder Bewegungen von russischen Soldaten mit, die dann bekämpft werden konnten. Die Aufgabe als Auge und Ohr der Streitkräfte wäre die ideale Rolle für nicht beorderte Reservistinnen und Reservisten. Sie würde Kenntnisse über die Bundeswehr, über kommunale Katastrophenschutzarbeit und über die Akteure im Rettungsdienst und Katastrophenschutz erfordern. Eine solche Einbindung von Reservistinnen und Reservisten würde es erlauben, lebenserfahrene Kameraden wie auch jüngere Kameraden gleichermaßen sinnvoll einzusetzen. Dabei können Reservisten ihre Stärken ausspielen, indem sie ihr ortsspezifisches Wissen zur Verfügung stellen.

Wie könnten solche Augen und Ohren aus der Reserve einen zusätzlichen Schutzschirm bilden? Zu überlegen wäre, unter dem Dach der Landeskommandos, die ein Heimatschutzregiment führen, so genannte regionale Unterstützungsbataillone zu formieren. Diese würden als Registrierungsstelle für Reservistinnen und Reservisten dienen, die sich freiwillig als Personalersatz zur Verfügung stellen wollen. Somit könnten analog zur Grundbeorderung wehrdienstfähige Reservisten zur Verfügung gestellt werden. Der Reservistenverband könnte hier insofern unterstützen, indem er als niedrigschwellige Anlaufstelle dient.

Der Reservistenverband könnte sein Netzwerk an Geschäftsstellen in der Fläche ausspielen, freiwillige Reservistinnen und Reservisten aufnehmen und entsprechende Informationen über deren Fähigkeiten der oben genannten Registrierungsstelle zur Verfügung stellen. Der Vorteil eines solchen Informations- und Personaldatenpools liegt auf der Hand. So könnten Reservistinnen und Reservisten, die sich freiwillig engagieren wollen, identifiziert und für eine Beorderung gewonnen werden. Ebenfalls möglich wäre, dass solche Reservisten sich in den Bereichen Ausbildung für Reservisten engagieren, sodass ein zuverlässiger Fähigkeitserhalt entsteht und die Fähigkeitslücke zur aktiven Truppe nicht zu groß ist.

Potenziale der Freiwilligen Reservistenarbeit nutzen

Das Konzept bietet all jenen Motivierten ein Betätigungsfeld, für die eine klassische Beorderung aus diversen Gründen nicht oder nicht mehr in Frage kommt. Der vorliegende Vorschlag stellt sich den Aufbau eines Personalpools an Reservisten vor, die nur an vereinzelten Freitagen oder Samstagen zu gelegentlichen, selbst ausgewählten Ausbildungsverpflichtungen aus ihrem zivilen Leben aussteigen müssen. Das Gerüst für eine Ausbildung ist seit Jahrzehnten in Form der Freiwilligen Reservistenarbeit vorhanden.

Der Vorschlag eines Personalpools der nicht beorderten Reserve entspricht den jüngst herausgegebenen verteidigungspolitischen Richtlinien: „Für den unmittelbaren personellen Aufwuchs, die Einsatzbereitschaft und die Durchhaltefähigkeit wird das aktive Personal im gesamten Aufgabenspektrum durch die Reserve verstärkt. Perspektivisch sind dazu alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Einplanung für die Reserve weiter zu erhöhen. Neben ihrem elementaren Beitrag zur Auftragserfüllung fördert die Reserve zudem die Integration der Bundeswehr in die Gesellschaft.“ Insofern würde der Aufbau eines Personalpools der nicht beorderten Reserve ein ergänzendes freiwilliges Element darstellen, das den Auftrag der Bundeswehr und die Gesamtverteidigung in den Bereichen Wehrersatz und Feldersatz ergänzen und unterstützen könnte, die Bundeswehr aber nicht belastet.

Pragmatische Lösungen sind gefragt

Eine Führung vor Ort dieser Einheiten von nicht beorderten Reservisten, die sich freiwillig engagieren möchten, wäre nicht notwendig. Vielmehr wäre es sinnvoller, dass zum Beispiel Landeskommandos, Verbindungskommandos oder gegebenenfalls auch andere Verbände im Katastrophenfall organisierten Zugriff auf diesen Personalpool hätten. Pragmatische Lösungen sind gefragt. Nicht für jede Helfer- oder Unterstützungsaktion wäre eine Heranziehung zu einem Wehrdienstverhältnis notwendig, (zum Beispiel Sandsackschleppen). Reservisten, die in der Fläche Augen und Ohren für die Bundeswehr sind, erfüllen gleichzeitig auch ihre Mittlerfunktion. Diese ist umso wichtiger. Denn Reservistinnen und Reservisten müssen ihre wichtige Rolle in der Gesellschaft viel besser kommunizieren. Es muss noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden, vor allem gegenüber Arbeitgebern. Dazu kann jede Kameradin und jeder Kamerad beitragen.

Die Aufgaben sollten sinnstiftend sein. Wer sich engagieren möchte, sollte zudem auch an einer Mindestanzahl an Dienstlichen Veranstaltungen zur Inübunghaltung über einen gewissen Zeitraum teilnehmen. Die Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen würde gleichzeitig sicherstellen, dass es sich bei den freiwilligen Reservisten-Einheiten um loyale Bürger-Reservisten handelt, die sich an Recht und Gesetz halten. Hier ist der Reservistenverband gefordert, passende Angebote zu machen.

An Reservisten, die einen Beobachtungsschleier über das Land legen, ist in Zeiten des tiefsten Friedens wenig oder kein Bedarf. Das ist klar. Aber wenn im Ernstfall zusätzliche Augen und Ohren benötigt werden sollten, wären diese vorbereitet. Es ist wie mit dem Regenschirm, den man aus der Tasche ziehen kann, wenn dunkle Wolken aufziehen.


Das ausführliche Papier mit den Gedanken von Jürgen Dreifke über den Heimatschutz und das Potenzial der nicht beorderten Allgemeinen Reserve ist direkt unter www.bahnjdbund.de/data/documents/heimatschutz-b-reserve.pdf abrufbar.

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