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Die Reserve

Reserve in der Zeitenwende – Zeitenwende in der Reserve

Wie es um die Reserve bestellt ist, was sie kann und was sie können soll, sind wichtige Fragen. Reserve ist ein gesamtgesellschaftliches Thema. In diesem Debattenbeitrag geht Generalmajor a.D. Walter Huhn, Vorsitzender des Beirats Reservistenarbeit beim Reservistenverband, auf das Potenzial der unbeorderten Reserve ein.

Die Bundeswehr bietet - wie hier in Rheinland-Pfalz - eine Ausbildung für Ungediente an. Das Interesse an einer Ausbildung zur Soldatin oder zum Soldaten der Reserve ist in den vergangenen Jahren gewachsen.

Foto: Archiv/Struckhof

reserve

Wir müssen kriegstüchtig werden.“ Diese Forderung von Verteidigungsminister Boris Pistorius an die Bundeswehr ist zugleich Weckruf an die Gesellschaft. Die Zeitenwende muss in den Köpfen der Menschen ankommen. Deutschland muss wehrhaft sein. Kämpfen können und wollen, um nicht kämpfen zu müssen. Nur so geht glaubwürdige Abschreckung.

Um kämpfen zu können, brauchen wir eine starke Reserve. Wir brauchen sie für territoriale Sicherungsaufgaben und zur Verstärkung aktiver Truppenteile. Wir brauchen sie als Garant für die Reaktions- und Verteidigungsfähigkeit unseres Landes. Und wir brauchen sie als Mittler in die Gesellschaft hinein, als verlässlichen Mentor einer gesamtgesellschaftlichen Wehrhaftigkeit, die den Willen zum Kämpfen, zum Verteidigen unserer Freiheit und unserer wertebasierten Ordnung einschließt.

Wie essenziell eine starke, einsatzfähige Reserve für die Fähigkeit zur durchhaltefähigen Verteidigung eines Landes ist, wird uns in der Ukraine und in Israel tagtäglich vor Augen geführt, wo hunderttausende Reservisten mit ihrem Leben für die Existenz ihres Staates einstehen.

Zivile Bereiche und die Reserve im Blick haben

Die neuen verteidigungspolitischen Richtlinien betonen die wichtige Rolle der Reserve und definieren zugleich Handlungsbedarf: „Zur Auftragserfüllung in der Landes- und Bündnisverteidigung ist die personelle Aufwuchsfähigkeit durch die Reserve vorzusehen.“ Und weiter: „Für den unmittelbaren personellen Aufwuchs, die Einsatzbereitschaft und die Durchhaltefähigkeit wird das aktive Personal im gesamten Aufgabenspektrum durch die Reserve verstärkt. Perspektivisch sind dazu alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Einplanung für die Reserve weiter zu erhöhen. […] Die im Fall der Landesverteidigung erforderliche Aufwuchsfähigkeit ist durch bedarfsgerechten Aufbau von Wehrersatzstrukturen unter Berücksichtigung nicht-aktiver personeller und materieller Ressourcen auszuplanen.“

Deswegen ist es wichtig, dass die derzeit laufenden Untersuchungen der Strukturen der Streitkräfte und nachgeordneten zivilen Bereiche auch die Reserve im Blick haben. Der Beirat Reservistenarbeit mit seinen 22 Mitgliedsverbänden und -vereinigungen, alle mit Expertise und Herzblut in der beorderungsunabhängigen Reservistenarbeit engagiert, hat hierzu Handlungsfelder skizziert – für die unbeorderte Reserve und die Entwicklung der beorderungsunabhängigen Reservistenarbeit. Der Beirat ist überzeugt, dass sich die Rahmenbedingungen, unter denen Reservisten organisiert, erfasst, ausgebildet, beübt und eingesetzt werden, deutlich gewandelt haben, so dass eine neue Lagebeurteilung unabdingbar geworden ist.

Wer heute Landes- und Bündnisverteidigung in realistischen Szenarien denken will, der muss sich den Themen Aufwuchsfähigkeit und Feldersatz stellen und hier überzeugende Antworten finden. Aus Sicht des Beirats wird es unumgänglich, hinter den beorderten Reservisten weitere Back-Up Kräfte aus unbeorderten Reservisten vorzuhalten, um die personelle Einsatzbereitschaft und einen hinreichenden Einsatzwert von Truppenteilen durchhaltefähig gewährleisten zu können. An einer deutlich stärkeren Einbindung und Nutzung der unbeorderten Reserve führt kein Weg vorbei.

Stärkere Einbindung der unbeorderten Reserve

Es gilt jetzt zu prüfen, wie die aus der Grundbeorderung ausscheidenden Reservisten für die Streitkräfte und die Reserve weiterhin erreichbar bleiben. Dafür erforderliche neue rechtliche und organisatorische Regelungen sind so zeitgerecht zu erarbeiten und zu erlassen, dass sie 2026 greifen können, bevor die ersten Grundbeorderten ausscheiden. Und es gilt jetzt den Bedarf zu ermitteln, um – über die in der Grundbeorderung geplanten Umfänge hinaus – weitere Potenziale der Reserve auszuplanen, bereitzuhalten, auszubilden, zu beüben und zu betreuen.

Die Arbeiten hierzu sollten sich an künftig denkbaren Szenarien und Kriegsbildern sowie deren Auswirkungen auf Gesellschaft, Wirtschaft und öffentliche Dienstleistungen orientieren. Der in Erarbeitung befindliche Operationsplan Deutschland (OPLAN DEU), der den militärischen Anteil an der Gesamtverteidigung Deutschlands definiert und dabei auch die Erwartungen der NATO an Deutschland als wichtige Drehscheibe für den Aufmarsch und die Versorgung Verbündeter und eigener Streitkräfte berücksichtigt, kann helfen, den Bedarf zu begründen. Gleiches gilt für die NATO-Streitkräfte- und Operationsplanung mit ihren Aussagen zum Kräftebedarf und Annahmen zu möglichen Verlustzahlen, für die Feldersatz vorzuhalten wäre.

Eine zügige Auffüllung von Einheiten der Truppenreserve und der Territorialen Reserve mit nicht beorderten Reservisten setzt voraus, dass diese zuvor erfasst werden. Hierfür sind geeignete Verfahren zu erarbeiten. Das über die Grundbeorderung hinausgehende, für eine Einberufung verfügbare Personal benötigt zudem einen bedarfsgerechten Mindestausbildungsstand, damit es zügig integriert und nach nur kurzer Ergänzungsausbildung eingesetzt werden kann. Hierfür sind die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen. Alle diese Überlegungen gilt es in Strukturen, Personalplanungen und in Ausrüstungs- und Ausbildungsplanungen umzusetzen – und in neuen Vorgaben für die beorderungsunabhängige Reservistenarbeit festzuschreiben.

Reservistenverband spielt eine herausgehobene Rolle

Der Reservistenverband als besonders beauftragter Träger der Reservistenarbeit außerhalb der Bundeswehr spielt in der Weiterentwicklung und Umsetzung der beorderungsunabhängigen Reservistenarbeit eine herausgehobene Rolle. Hier ist gemeinsam zu prüfen, wie seine Potenziale in der nichthoheitlichen Ausbildung besser und stringenter genutzt werden können und ob Potenzial für die Übertragung weiterer Aufgaben besteht. Die anderen Beiratsverbände werden ebenfalls prüfen, wie sie sich in die skizzierten Überlegungen und die daraus folgenden Aufgabenstellungen einbringen können. Soweit zu Handlungsfeldern bei der unbeorderten Reserve und der beorderungsunabhängigen Reservistenarbeit – der Beirat hat seine Ratschläge kommuniziert und setzt darauf, dass diese in den laufenden Arbeiten Berücksichtigung finden. Er wird weiter Beiträge leisten und Impulse geben. Und er wird sich dafür einsetzen, dass alle angewiesenen Maßnahmen durch eine an die neuen Rahmenbedingungen angepasste zielgerichtete, strukturierte und effiziente beorderungsunabhängige Reservistenarbeit unterstützt werden.

Dabei rückt – neben der Allgemeinen Reserve – die wachsende Gruppe interessierter Ungedienter in den Fokus. Die Bereitschaft, sich freiwillig in der Reserve für die Sicherheit Deutschlands zu engagieren, ist da. Das zeigen die steigenden Ausbildungszahlen im Projekt Ungediente für die Reserve, die wachsende Zahl der Freiwillig Wehrdienstleistenden im Heimatschutz und die zahlreichen Interessensbekundungen für einen Dienst in der Territorialen Reserve anlässlich der Indienststellung der Heimatschutzregimenter. Ob das aber ausreicht, um den zukünftigen Anforderungen an die beorderte und unbeorderte Reserve vollumfänglich gerecht werden zu können, bleibt abzuwarten. Zeit aber ist in der Zeitenwende ein besonders knappes Gut. Die sich intensivierende politische und gesellschaftliche Debatte über Optionen einer Wehr- oder Dienstpflicht wird deswegen zügig Impulse geben müssen. Schon die Reaktivierung strukturierter Verfahren der Wehrerfassung wäre ein wichtiger Schritt.

Attraktivität des Dienstes in der Reserve erhöhen

Wichtig sind auch weitere Maßnahmen, um die Attraktivität des Dienstes in der Reserve zu erhöhen und seine gesellschaftliche Anerkennung und Wertschätzung zu verbessern. Die Bandbreite möglicher Handlungsfelder ist groß: eine Abstellung des Mangels an bedarfsgerechter Ausrüstung und Ausstattung gekaderter Truppenteile mit militärischem Gerät wird ebenso attraktivitätssteigernd wirken wie eine Beschleunigung und Entbürokratisierung von Bewerbungsverfahren oder die Gewährleistung einer angemessenen Betreuung beorderter Reservisten durch ihre Reservetruppenteile außerhalb ihrer Reservedienstleistung, um nur drei Beispiele zu nennen. Die beeindruckenden Invictus Games 2023 in Düsseldorf, die Einführung eines Veteranentages, die Eröffnung des Veteranenbüros – alle Schritte hin zur Etablierung einer besseren Veteranenkultur können helfen, die gesellschaftliche Anerkennung zu stärken und das Bewusstsein für den Wert des persönlichen Einsatzes für Sicherheit und Frieden zu schärfen. Es wird aber auch darum gehen, die Bereitschaft ziviler Arbeitgeber zur Freistellung für den Reservedienst weiter zu steigern, ein angesichts des gravierenden Fachkräftemangels schwieriger werdendes und daher umso wichtigeres Unterfangen.

Die Zeit für die Umsetzung der Zeitenwende in Bundeswehr, Staat und Gesellschaft drängt. Auch bei den notwendigen Änderungen von Umfängen, Strukturen, Verfahren und Aufgaben der Reserve gilt es aufs Tempo zu drücken. Die in der Weisung für die Reservistenarbeit in den Jahren 2023 – 2025 anvisierten Zeitlinien für die Umsetzung der Strategie der Reserve werden auch für die Implementierung zusätzlicher Maßnahmen gelten müssen: bis Ende 2025 mindestens eine personelle/materielle Anfangsbefähigung von 30 Prozent der Heimatschutzregimenter, bis Ende 2027 Einnahme der Strukturen der Reserve sowie Sicherstellung einer vollumfänglichen Auftragserfüllung durch die Territoriale Reserve und einer Anfangsbefähigung der Truppenreserve, bis spätestens Ende 2031 volle personelle Befüllung der Verstärkungsreserve.

Das sind ehrgeizige Vorgaben, und die Implementierung zusätzlicher Maßnahmen wird den Zeitdruck weiter erhöhen. Die Zeitenwende bleibt auch in der Reserve eine Herausforderung. Das Ziel ist ebenso anspruchsvoll wie alternativlos und bedarf einer gesamtgesellschaftlichen Kraftanstrengung: Aufbau einer vollumfänglich verfügbaren und einsatzbereiten, personell und materiell gut aufgestellten Reserve, die ihren essenziellen Beitrag insbesondere in der Landes- und Bündnisverteidigung gemeinsam mit der aktiven Truppe zuverlässig und glaubwürdig erbringen kann.

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