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Reserven schaffen, auch in der Zivilen Verteidigung

Krieg in der Ukraine, Naturkatastrophen und die Pandemie – die Bedrohungen der inneren und äußeren Sicherheit haben in den vergangenen Jahren zugenommen. Woher kommt das Personal, um für künftige Herausforderungen gewappnet zu sein? Der Vizepräsident für Kommunikation des Reservistenverbandes, Oberstleutnant d.R. Wolfgang Wehrend, macht in diesem Debattenbeitrag einen Vorschlag.

In der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit arbeiten Rettungsorganisationen mit Bundeswehr und Reservisten mitunter Hand in Hand. Doch Amtshilfe der Bundeswehr ist nicht immer sofort möglich.

Foto: RAG KatSchutz Hamburg

debattenbeitragGesellschaftreserve

Zunehmend äußern sich Innenpolitikerinnen und Innenpolitiker, dass Deutschland im Bereich der zivilen Verteidigung schlecht aufgestellt sei und diese angesichts einer veränderten Sicherheitslage, wachsender Bedrohungen und Naturkatastrophen deutlich gestärkt werden müsse. Auf die Bundeswehr und ihre Reserve, so lautete der Tenor der Berichterstattung, werde man im Spannungs- oder Verteidigungsfall nicht zurückgreifen können, da die Streitkräfte dann andere Aufgaben übernehmen müssen, um das Land oder unsere Verbündeten zu verteidigen. Auch bei Krisen unterhalb der Schwelle Spannungs- und Verteidigungsfall wird es künftig nicht so sein, dass sich die Akteure im Zivil- und Katastrophenschutz automatisch auf die Bundeswehr verlassen können, weil die Streitkräfte die Aufgaben in der Landes- und Bündnisverteidigung klar vor möglicher Unterstützung in der Amtshilfe priorisieren.

Zivile Amtshilfe für die Bundeswehr

Es wird eher umgekehrt so sein, dass sich die zivilen Akteure stärker darauf einstellen müssen, im Fall der Fälle auch Amtshilfe für die Bundeswehr im Rahmen von großen Truppentransporten und Verlegeübungen leisten zu müssen. Woher kommt das Personal, um für diese Herausforderungen künftig gewappnet zu sein? Ein Ausweg könnte ein verpflichtendes und breit gefächertes Dienstjahr sein, das alle Ebenen der zivilen und militärischen Verteidigung einbezieht und letztlich stärkt. Spätestens die Corona-Pandemie hat offengelegt, dass die Strukturen im Bevölkerungs- und Katastrophenschutz in den vergangenen Jahren kaputtgespart wurden und die öffentliche Daseinsfürsorge an ihre Grenzen stößt.

Die Amtshilfe der Bundeswehr, die während der Pandemie und anderen Großschadensereignissen geleistet wurde, weil zivile Ressourcen überlastet und erschöpft waren und sind, kann kein dauerhafter Zustand sein. Zwar steht die Bundeswehr bereit, um der Bevölkerung verlässlich auch bei Krisen zur Seite zu stehen, allerdings gehört es nicht zu den originären Aufgaben der Streitkräfte, dauerhaft Amtshilfe zu leisten und in die Bresche zu springen. Die Mahnung aus dem Jahr 2021 ist heute aktueller denn je, denn Kriege, Krisen und insbesondere die Schwierigkeiten durch den demografischen Wandel fordern ein Umdenken innerhalb der Krisenvorsorge. Die Bundeswehr muss sich heute wieder stärker auf ihren Kernauftrag, die Landes- und Bündnisverteidigung, konzentrieren.

Verpflichtendes Dienstjahr eine große Chance

Wolfgang Wehrend. (Foto: Karsten Socher)

Abhilfe könnte hier die Einführung eines allgemeinen verpflichtenden Dienstjahres schaffen. Der Reservistenverband setzt sich bereits seit 2015 für die Einführung eines solchen Dienstes ein. Der Beschluss lautete damals, der Verband möge für die Einführung eines „Verpflichtenden Dienstjahres“ im Sinne der Gesamtverteidigung eintreten. Das heißt einerseits, dass nicht nur der Dienst in der Bundeswehr verteidigungsrelevant ist, sondern auch beispielsweise beim Technischen Hilfswerk, den Feuerwehren oder den Rettungsdiensten. Andererseits bedeutet dies aber auch, dass alle jungen Menschen in Deutschland wieder zu einem Pflichtdienst von mindestens einem Jahr herangezogen werden sollen und dann weitgehend zwischen den Organisationen wählen können. In Betracht kommen dabei alle Organisationen von der Bundeswehr über den Zivilschutz bis zu den Hilfs- und Rettungskräften, die im Falle der Landesverteidigung die Verteidigungsbereitschaft unseres Landes aufrechterhalten. Es geht also nicht darum, die alte Wehrpflicht wiedereinzuführen, sondern ganz konkret um ein Dienstjahr, das am Bedarf der Gesamtverteidigung ausgerichtet ist.

Ein verpflichtendes Dienstjahr bietet die Möglichkeit für den Zivilschutz, einen eigenen Personalpool aufzubauen, der notfalls und kurzfristig bereitsteht. Die Organisationen des zivilen Bevölkerungs- und Katastrophenschutzes könnten dabei dem Modell des Freiwilligendienstes im Heimatschutz folgen und eine Art Grundbeorderung für ihr ziviles Personal einführen. Das Reserve-Prinzip würde dadurch auf zivile Akteure ausgeweitet. Das würde nicht nur die Katastrophenschutz-Strukturen im Land stärken, sondern auch den Fokus stärker auf die Notwendigkeit freiwilliger Dienste im Sinne des demokratischen Gemeinwesens lenken. Was nützt es den Kommunen, wenn Steuergelder für ein neues Feuerwehrfahrzeug im Sinne der Daseinsfürsorge ausgegeben werden, aber zu wenig Personal vor Ort ist, das aufsitzt, wenn es brennt?

Aufbau einer „Blaulicht-Reserve“

Reserve-Strukturen im zivilen Katastrophenschutzmanagement würden nicht nur gesellschaftliche Resilienz fördern, sondern auch die Legitimation für freiwilliges Engagement für das Land, für die Gesellschaft und für die Heimat festigen. Bei einer neuerlichen Krisenlage wäre es dann idealerweise so, dass ehrenamtliche Rettungsorganisationen genügend eigene Kräfte aufbieten können, die beispielsweise im Fall einer erneuten Pandemie bei der Kontaktnachverfolgung eingesetzt werden könnten oder, die im Fall eines Angriffs beheizte Zelte für Vertriebene aufbauen oder Schutzanzüge und Medikamente verteilen könnten. Zudem nützt es der nationalen Krisenvorsorge nicht, wenn die Wohlfahrtsverbände, die Bundeswehr und die Rettungsdienste in Zukunft in einen Wettbewerb um fähiges Personal treten.

Zivilschutz nicht vernachlässigen: Keine Zeit verlieren Rettungsorganisationen und Katastrophenschutz könnten die Dienstpflicht nutzen, geeignete Männer und Frauen im Bereich des Krisenschutzes und -managements zu rekrutieren und auszubilden. In einer zweiten Phase würden diese sich dazu verpflichten, dem zivilen Katastrophenschutz eine bestimmte Anzahl von Jahren zur Verfügung zu stehen. So hätte jede Organisation die Möglichkeit, eine Personalreserve zu schaffen, die im Katastrophenfall herangezogen werden kann. Das Modell der Grundbeorderung könnte hier beispielgebend sein und eventuell in abgewandelter Form auf den zivilen Bereich übertragen werden. Denkbar wären weiterhin regelmäßige Fortbildungen, die an Wochenenden stattfinden könnten und verpflichtend sind. Als Ausgleich zum erbrachten Dienst wären Vergünstigungen denkbar, wie steuerliche Entlastungen, Führerscheine, kostenlose Bahnfahrten oder ähnliches.

Die Zeit zum Handeln ist jetzt!

Es ist die Aufgabe von Gesellschaft und Politik aus der jetzigen Lage die richtigen Schlüsse zu ziehen und für folgende Krisen gewappnet zu sein. Deshalb forderte kürzlich die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags, Eva Högl, die Einführung eines Bürgerrats, um die Einführung eines allgemeinen Dienstes in der Bundeswehr und Zivilschutzorganisationen zu erörtern. Für den Schutz der Zivilbevölkerung muss mehr getan werden, als das in den vergangenen Jahren der Fall war. Natürlich wird die Einführung eines verpflichtenden Dienstjahres erhebliche Investitionen und Zeit erfordern. Doch nichts tun, obwohl wir bereits seit Jahren um den vernachlässigten Zivilschutz wissen, wird letztlich noch teurer. Die Zeit zum Handeln ist jetzt!

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