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Deutscher Historiker lehrt Militärgeschichte in Sandhurst

Matthias Strohn ist Militärhistoriker, Reserveoffizier und hat Prinz Harry und Prinz William an der renommierten Militärakademie in Sandhurst unterrichtet.

Strohn während seines Afghanistan-Einsatzes im Feldlager Kunduz.

Strohn während des British Army Staff Ride 2018 zu den Schlachtfeldern des Ersten Weltkrieges.

Foto: privat

militärgeschichtesandhurst

Einmal zum Tee in den Buckingham Palast. Schön auf die feine englische Art ein Tässchen heben, wer würde dazu Nein sagen? Was für manchen Fan des britischen Königshauses wohl eher Träumerei bleibt, könnte für Matthias Strohn vielleicht Wirklichkeit werden. Er hat eine Vereinbarung mit Prinz William. Dieser lädt den Münsterländer zum Tee in den Buckingham Palast ein, wenn er König geworden ist. So lautet der Deal. Wie kommt Matthias Strohn zu so einer Vereinbarung?

Das hat mit seiner Tätigkeit als Militärhistoriker zu tun. Strohn war für zehn Jahre Dozent an der Royal Military Academy (Königliche Militärakademie) Sandhurst. In dieser renommierten Einrichtung bildet die britische Armee ihre Offiziere aus. Zu den Absolventen der Royal Military Academy gehören neben dem Musiker James Blunt und dem König von Jordanien auch ein gewisser Mr. Harry und ein gewisser Mr. William Wales. So wurden Prinz Harry und Prinz William während ihres Militärdienstes genannt.

Zusammenstoß mit Prinz William auf dem Flur

Die Söhne von Lady Diana und Prinz Charles zählen zu den bekanntesten Kadetten, die bei Matthias Strohn im Hörsaal saßen. „Die haben sich super integriert. Das lief sehr gut“, erinnert sich der Militärhistoriker und erzählt von einem kleinen Zusammenstoß mit Prinz William auf dem Flur. Strohn kam mit einem Stapel Papieren aus seinem Büro, als der englische Kronprinz in ihn hineinrannte. Die Zettel fielen auf den Boden. Prinz William bückte sich sofort nach den Zetteln. „Da habe ich gedacht: Schau an, der künftige König von England sagt ‚Sorry Sir!‘ und hebt dir die Papiere wieder auf“, schmunzelt  Strohn.

Sein Weg als Militärhistoriker beginnt in der Kindheit. Seitdem er lesen kann, interessiert sich Strohn für das Militär und Geschichte. Als Kind stöbert er durch die große Büchersammlung seines Vaters. Ein Hobbyhistoriker, der sich sehr für Militärgeschichte begeistert. Die Faszination ist auf Matthias Strohn übergegangen. Sein erstes Buch, das er in jungen Jahren regelrecht verschlingt ist Ernst Jüngers „In Stahlgewittern“. „Wenn man das Buch als Jugendlicher liest, geht man vielleicht ein bisschen naiv an das Thema heran“, sagt Strohn. Mittlerweile habe er das Buch mehr als zehnmal gelesen und auch bei sich selbst einen Reifeprozess festgestellt.

In Afghanistan unter Mörserbeschuss

Am OP North in Afghanistan. (Foto: privat)

Als Soldat in Afghanistan kommt Matthias Strohn mit seinen Kameraden unter Mörserbeschuss. Am Abend in der Unterkunft, er hat das Buch mit in den Einsatz genommen, liest er eine Passage aus Ernst Jüngers Werk. Sie beschreibt, wie die deutschen Soldaten im Ersten Weltkrieg an der Westfront im Trommelfeuer lagen. „Das ist zwar nicht vergleichbar. Dennoch habe ich zum ersten Mal eine Art Gefühl für die Situation entwickelt. Ich konnte einen Bezug dazu herstellen, wie es ist, unter Feuer zu stehen. Plötzlich waren Passagen, die man schon öfter gelesen hatte, ganz anders“, schildert Strohn. Er arbeitet derzeit an einem wissenschaftlichen Buch über Ernst Jünger, dem mittlerweile 18. Buch, das Strohn geschrieben oder herausgegeben hat. Mit seinem geschulten Blick des Historikers blicke er noch einmal anders auf Ernst Jünger.

So wie der Schriftsteller den Ersten Weltkrieg beschrieben habe, sei viel Unwahrheit dabei. Jünger habe versucht, sich in einem gewissen Licht darzustellen. In dem Werk soll es um das 73. Füsilier-Regiment aus Hannover gehen. Beim Studium der Quellen stößt Strohn auf erstaunliche Facetten. Diese widersprechen dem Bild vom weitgehend in der Gesellschaft akzeptierten Militarismus in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg. „Man meint, der Militarismus in der wilhelminischen Epoche findet den uneingeschränkten Zuspruch der Bevölkerung. Dies ist aber in Hannover nicht der Fall. Das Bürgertum reicht eine offizielle Beschwerde beim Regiment ein wegen Lärmbelästigung. Es klagt nachher sogar gegen das Schießen auf dem Schießplatz, weil sich die Bürger von den Schießübungen beim Sonntagsfrühstück belästigt fühlen. Man sieht, dieses ‘alles ist toll beim Militär’, war damals schon so nicht vorhanden“, erläutert Matthias Strohn.

 

Grundsteine für die Karriere als Militärhistoriker

Er vertieft sein Interesse für Geschichte und Militär während des Studiums an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Dort legt Strohn die ersten Grundsteine für seine Karriere als Militärhistoriker in England. Seine Zeit bei der Bundeswehr ebnet Strohn ebenfalls den Weg. Nach dem Wehrdienst schlägt er die Reserveoffizierslaufbahn ein und wird zunächst beim Panzerartilleriebataillon 205 in Dülmen eingeplant. Strohn bringt anschließend seine Expertise als Historiker ein. Weitere Reservistendienste führen ihn zum Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr in Potsdam, zur Unteroffiziersschule des Heeres in Münster und zu einer Tätigkeit als Lehrstabsoffizier für Militärgeschichte an der Führungsakademie der Bundeswehr.

Mittlerweile gehört Matthias Strohn als Oberstleutnant der Militärattachéreserve an. Er ist Mitglied im Reservistenverband und hält engen Kontakt zu den Bundeswehrdienststellen in Großbritannien und Deutschland. Nach Einsätzen in Frankreich und Spanien unterstützt er nun immer wieder die Delegation der Bundeswehr und den Militärattachéstab in seiner Wahlheimat. In dieser Funktion verbindet er die protokollarischen Aufgaben mit einer Spezialität, die seine Arbeit als Historiker in England auszeichnet. Die Rede ist von sogenannten Battlefield Studies. Damit sind Schlachtfeldreisen gemeint, die die britischen Streitkräfte regelmäßig unternehmen, und die Strohn als Reserveoffizier unterstützt und somit einen Beitrag zur Zusammenarbeit zwischen Bundeswehr und British Army leistet. So vertrat er z.B. die Bundeswehr bei Begehungen in der Normandie oder auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkrieges. Strohns Expertise wird sowohl von deutscher als auch britischer Seite geschätzt und so verwundert es nicht, dass er von der Bundeswehr ausgewählt wurde, um als Vertreter des deutschen Heeres die britische Generalstabsausbildung zu durchlaufen.

Von Oxford an die Royal Military Academy

Am Rande der Militärparade „Trooping the Colour“ in London. (Foto: privat)

Deutsche Militärgeschichte nimmt im Kanon der sogenannten War Studies eine große Rolle ein. Dass ausgerechnet mit Matthias Strohn ein deutscher Akademiker über Clausewitz, Moltke und Rommel in britischen Hörsaalen referiert, hat einerseits etwas mit einer glücklichen Fügung in Strohns Karriere zu tun: nach seinem Grundstudium der Geschichte in Münster bekommt er die Gelegenheit, gefördert von der Studienstiftung des deutschen Volkes, an der Oxford University einen Master zu machen und zu promovieren. Die Zeit der deutschen Massenuni ist damit vorbei. Vorlesungen mit zehn Studenten und einmal in der Woche ein Treffen mit seinem Doktorvater, der den renommierten Lehrstuhl für Militärgeschichte in Oxford innehat, sind nun die Norm.

Noch vor Abschluss seiner Dissertation wird ihm der Job als Dozent an der Royal Military Academy angeboten. Ein wahrer Glücksfall, so Strohn, sind doch feste Stellen im Bereich der Militärgeschichte eher Mangelware. Neben seiner Ausbildung in Münster und Oxford war es wohl auch in nicht geringem Maße seine militärische Erfahrung, die diese Tür geöffnet hat. Andererseits erlebt der Militärhistoriker in Oxford und in Sandhurst, wie unterschiedlich der Umgang mit deutscher Militärgeschichte und insbesondere mit dem Zweiten Weltkrieg ist. Die Briten haben aufgrund ihrer eigenen Geschichte eine ungebrochene Militärtradition.

 

Anders als in Deutschland und anderen Ländern in Europa ist es eine der wenigen Nationen, die sowohl politisch als auch militärisch keine großen Brüche in der eigenen Geschichte aufzuweisen hat. Daher gehen die Briten entspannter mit der Geschichte des Zweiten Weltkrieges und auch mit deutscher Militärgeschichte um. „Die Briten erkennen an, was in Deutschland schiefgelaufen ist, sagen aber, dass Deutschland es stellenweise militärisch richtig gut gemacht habe. Man merkt, dass in vielen Bereichen die Wehrmacht auch heute noch in der britischen Armee als militärisches Vorbild dient. Wenn es um taktische Überlegungen, Vorschriften und Doktrin geht, findet man immer einen Bezug auf Clausewitz, Rommel oder Moltke“, erläutert Matthias Strohn.

Respekt vor dem Gegner

Aus seiner Sicht ist es aber nicht so, dass immer blindlings das hohe Lied der deutschen Wehrmacht gesungen wird. Es sei vielmehr Respekt vor dem Gegner, ein recht englischer Charakterzug, der zum Tragen komme: „Engländer scheuen die Konfrontation. Man wird selten eine direkte Aussage bekommen. Da spielt sicherlich auch der Fairness-Gedanke mit rein. Man stellt sich selbst eigentlich ungern als besonders gut dar. Es ist sehr englisch, dass man den Gegner, den man letztendlich besiegt hat, etwas überhöht. Damit stärkt man sich indirekt auch ein bisschen: Wir haben gegen diesen guten Gegner gewonnen, deshalb waren wir auch nicht schlecht.“

Vortrag während des British Army Staff Ride 2018 zu den Schlachtfeldern des Ersten Weltkrieges. (Foto: privat)

Von Sandhurst führt der Weg für den deutschen Militärhistoriker zur University of Buckingham, wo er als Gastprofessor einen Kurs in Modern War Studies und Militärgeschichte unterrichtet. Zu seinen Studenten gehören insbesondere britische und internationale Soldaten. Auch Soldaten der Bundeswehr haben bereits diesen Kurs belegt, nicht zuletzt, da die University of Buckingham attraktive Ermäßigungen für aktive Soldaten und Reservisten anbietet und das Gastrednerprogramm hochkarätige Sprecher beinhaltet – vom britischen Generalstabschef bis zum Verteidigungsminister. Gleichzeitig leitet er seit 2017 die historische Forsch-ungsabteilung des Centre for Historical Analysis and Conflict Research. Das ist ein Think Tank des britischen Heeres, welcher strategische Beratung für den britischen Generalstabschef und das Army Headquarters betreibt.

Battlefield Tour in Stalingrad, heute: Wolgograd. (Foto: privat)

Das Aufgabenfeld ist hier weit gestreut und Strohn hat Studien und Bücher über verschiedene Themenbereiche verfasst. Darunter befinden sich unter anderem Arbeiten zum Ersten Weltkrieg, zur andauernden Bedeutung des Zweiten Weltkrieges, zur Aufwuchsfähigkeit von Streitkräften sowie zur vielleicht etwas philosophischen Frage, was „einen Krieg gewinnen“ eigentlich heißt. Neben der Forschung ist eines seiner Aufgabenschwerpunkte die bereits genannten Battlefield Studies. Die Idee ist, aus dem Schlachtgeschehen Rückschlüsse für das militärische Denken oder den militärischen Einsatz zu ziehen.

Aus der Geschichte lernen

So war Matthias Strohn zum Beispiel schon dreimal mit britischen Delegationen in Stalingrad. Dort schauen sie sich an, wie die Sowjets gegen die Wehrmacht gekämpft haben. Wie lief der Kampf im urbanen Gelände? Wie mobilisiert man eine Gesellschaft im großen Krieg? Was kann man aus der Geschichte der Sowjetunion lernen in Bezug auf die eigene Landes- und Bündnisverteidigung? Wie würden die Russen eventuell heute noch kämpfen? Die historischen Tatsachen werden somit als Startpunkt genommen für Diskussionen, die für Streitkräfte im 21. Jahrhundert von Belang sind.

Strohn bei einer Kranzniederlegung in England zum Gedenken an das Ende des Ersten Weltkrieges. (Foto: privat)

Die Schlachtfeld-Begehungen und Touren führen Matthias Strohn von Madrid bis Russland quer durch Europa. Es ist der beste Job der Welt, wie er sagt. Eigentlich fehlt nur noch die Einladung in den Buckingham Palast. Diese Vereinbarung geht auf Strohns Engagement als Dozent an der Royal Military Academy Sandhurst zurück. In der Abschlussklausur starrte Prinz William aufs Papier, erinnert sich Strohn. „Ich sagte: ‚Na, Mr. Wales, ist alles in Ordnung?‘ Er antwortete: ‚Ich habe keine Ahnung, was ich da hinschreiben soll.‘ Ich sagte: ‚Ich gebe Ihnen einen Tipp – allgemeine Anmerkungen, ohne die Frage zu beantworten – aber nur, wenn Sie mich in den Buckingham Palast zum Tee einladen, wenn Sie König sind.‘ Vor wenigen Jahren habe ich Prinz Harry bei einer Veranstaltung getroffen und ihm die Geschichte erzählt. Er lachte und sagte: ‚Wenn du das glaubst, bist du selbst schuld.'“

Die Einladung steht noch aus. Allerdings: Prinz William ist noch nicht König.

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