Die Bundeswehr öffnet ihre Tore für Interessierte
Die Ausbildung von Ungedienten stand im Mittelpunkt des Infostandes des Reservistenverbands beim Tag der offenen Tür der Bundesregierung in Berlin.
„Eine tragende Gruppe für unsere Bundeswehr sind auch unsere Reservistinnen und Reservisten. Wir könnten vieles an Diensten, an Strukturen ohne die Mitwirkung der Reservisten nicht aufrechterhalten. Aktive und Reservisten gehören zusammen, deswegen muss das Zusammenspiel auch funktionieren“, hatte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer nur wenige Tage nach ihrem Amtsantritt gegenüber der Presse erklärt. Kein Wunder also, dass die Reserve auch in diesem Jahr nicht fehlen durfte, als die neue Ministerin zum ersten Mal als Gastgeberin zum Tag der offenen Tür der Bundesregierung in Berlin einlud.
Reservisten aus der Hauptstadt hatten Kameraden aus Baden-Württemberg eingeladen, um gemeinsam über einen recht neuen, ungewöhnlichen Weg in die Reserve zu informieren: Die sogenannte Ausbildung von Ungedienten.
Denn seit einiger Zeit bieten Bundeswehr und Reservistenverband in ganz unterschiedlichen Projekten interessierten Menschen, die bisher nicht in der Bundeswehr gedient haben, Möglichkeiten zum berufsbegleitenden Einstieg in die Reserve. Die Truppe braucht mehr Reservisten, insbesondere im Heimatschutz.
Ausbildungsprojekte in Berlin und Baden-Württemberg
Während in Berlin in diesem Jahr die ersten 18 Rekruten die Ausbildung in Verantwortung des Reservistenverbandes erfolgreich abschlossen, hat in Baden-Württemberg bereits der zweite Ausbildungsdurchgang begonnen, in beiden Ländern ist ein weiterer für das kommende Jahr in Planung. Im Süden allerdings in Verantwortung der Bundeswehr. „200 Interessenten haben sich für die Ausbildung 2020 bereits gemeldet, viele davon wurden im Rahmen des Tags der Bundeswehr in Baden-Württemberg aufmerksam“, erklärt Hauptfeldwebel Guido Bohlender, der als Mitglieder der Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskompanie (RSUKp) Odenwald selbst als Ausbilder mit dabei ist. Aus ungewöhnlichem Grund, denn als er 2017 von dem Ausbildungsvorhaben erfuhr, war er skeptisch: „Ich wusste, dass das Ergebnis dieser Ausbildung auch bei mir in der RSUKp landen würde. Deswegen wollte ich dabei sein, um zu sehen was da auf mich zukommt.“ Er wurde überrascht: „Ich traf auf Leute, von denen ich dachte, es gibt sie in Deutschland nicht. Menschen, die beruflich erfolgreich sind, die mitten im Leben stehen – und die plötzlich mehr wollen.“ Die Menschen kämen vor allem aus zwei Gründen, sagt Bohlender fast stolz: „Sie erleben bei uns etwas, was sie im Zivilleben nicht bekommen, eine völlig neue Herausforderung. Und sie wollen diesem Land etwas zurückgeben.“
Es gebe ein großes Potenzial an Menschen in der Deutschen Gesellschaft, die mit 18 an der Bundeswehr vorbei flößen, die aber dann zu einem späteren Zeitpunkt aufgrund ihrer Reife und ihres Werdeganges in der Lage seien, Dinge in hohem Tempo zu verinnerlichen und zu lernen, bewertet er die Leistungsfähigkeit der Auszubildenden. „Das ist eine Personalressource, die in ganz Deutschland verfügbar ist und die wir nutzen müssen. Die Methode, die wir dazu anwenden, funktioniert“, sagt er überzeugt.
Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Engagement als Reservist
Die Methode basiert, ganz ähnlich dem Pilotprojekt des Reservistenverbandes in Berlin, auf der Vereinbarkeit von Familie, Zivilberuf und Ausbildung zum Reservisten. In beiden Fällen findet die Ausbildung zum Soldaten an Wochenenden statt – in Baden-Württemberg in Blockveranstaltungen vor allem an den Feiertagswochenenden. Die Menschen seien ganz unterschiedlich, sagt Bohlender: „Vom Handwerker bis zum Immobilienbanker ist alles dabei.“
„Das in Berlin erprobte Modell verlangte in gewisser Weise noch mehr Motivation – von den Auszubildenden und auch von den Ausbildern“, sagt Udo Lübeck im Gespräch mit dem Kameraden aus Süddeutschland. Er selbst ist Spieß der hiesigen RSUKp und war als Ausbilder mit dabei war. „Denn bei uns fanden bisher fast alle Ausbildungsinhalte ehrenamtlich als Verbandsveranstaltung statt.“ Ausbildungsleiter und Landesgeschäftsführer Oberstleutnant d.R. Karsten Ahrens weiß, dass dies Rekruten wie Ausbildern viel abverlangt und ist dennoch begeistert von dem Projekt. „Die Entwicklung, die die Rekruten über die Monate der Ausbildung durchgemacht haben, hat mich sehr beeindruckt“, sagt Ahrens stolz. „Am Ende haben alle die Rekrutenbesichtigung erfolgreich bestanden, weil sie gute Ausbilder hatten und eine eingeschworene Gemeinschaft geworden sind, die sich gegenseitig motiviert hat. Sie haben im wahrsten Sinne des Wortes Kameradschaft gelernt. Vierzehn von den ehemaligen Rekruten wurden in der RSUKp Berlin beordert und werden dort nun weiter betreut und ausgebildet.“
Neuer Ausbildungsdurchgang für Interessierte
In Berlin soll im Sommer 2020 ein neuer Ausbildungsdurchgang starten, Details dazu werden in den kommenden Wochen festgelegt. An Interessenten mangelt es jedenfalls auch in Berlin nicht, die Informationsflyer waren vergriffen, als der Tag der offenen Tür zu Ende ging. 7500 Besucher kamen in diesem Jahr ins Verteidigungsministerium, um einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Der ein oder andere von ihnen trägt vielleicht bald schon selbst Uniform.
Hintergrund:
Die Ausbildung von Ungedienten folgt dem Bedarf der Bundeswehr insbesondere aber für die Territoriale Reserve und soll den Beorderungsstand der Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskompanien (RSU) im Bereich der Mannschaften verbessern helfen. Ziel ist es, Interessierten ohne militärischen Hintergrund eine einheitliche militärische Grundausbildung anzubieten, die einen Abholpunkt für weitere Qualifikationen und für Beorderungen darstellt.
Ähnliche Projekte zur Ausbildung von Ungedienten gibt es inzwischen in zahlreichen Bundesländern, etwa auch in Niedersachsen, Hessen und Rheinland-Pfalz. Informationen finden Sie auf den Seiten des jeweiligen Landeskommandos oder unter ungediente@reservistenverband.de.