Die Reserve im Jahresbericht der Wehrbeauftragten Dr. Eva Högl
Die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags, Dr. Eva Högl, hat am Dienstag, 14. März 2023, ihren Jahresbericht zur Situation der Bundeswehr im Jahr 2022 vorgestellt. Neben Kritik an der viel zu zögerlichen Umsetzung vielbeschworenen Zeitenwende, ging die Wehrbeauftragte darin auch auf die Situation der Reserve ein.
Der Bericht der Wehrbeauftragten beginnt mit einer Replik auf die aktuelle sicherheitspolitische Lage: „Nach Jahren und Jahrzehnten von Frieden, Freiheit und Sicherheit herrscht wieder Krieg in Europa. Das verändert alles. Auch und vor allem für die Bundeswehr“. Direkte Folge für die Bundeswehr sei die Refokussierung auf die Landes- und Bündnisverteidigung als Kernaufgabe der deutschen Streikräfte. „Binnen kürzester Zeit hat die NATO zur Abschreckung Russlands und als Zeichen der Solidarität mit unseren Verbündeten und Partnern ihre Ostflanke massiv verstärkt. Die Bundeswehr leistete hierzu einen herausragenden Beitrag: Infanterie nach Litauen, Patriots in die Slowakei, Eurofighter nach Estland und Rumänien, fast die gesamte schwimmfähige Marine in die Ostsee. Diese eindrucksvolle Einsatzbereitschaft und Kaltstartfähigkeit ist das Verdienst unserer 183.000 Soldatinnen und Soldaten. Sie begegnen der neuen Lage mit großer Professionalität. Ihnen ist bewusst, dass es jederzeit ernst werden kann und mitunter sehr schnell gehen muss. Diese Haltung und Herangehensweise ist vorbildlich“, sagte die Wehrbeauftragte in ihrem Bericht. Eva Högl betonte dabei auch, dass Kaltstartfähigkeit nichts weniger bedeute als voll ausgebildetes einsatzbereites Personal inklusive einer starken Reserve sowie einer vollen materiellen Ausstattung mit Muniton, Verbrauchsgüter und Ersatzteilen.
Die Reserve im Jahresbericht
In einem eigenen Abschnitt hob die Wehrbeauftragte die Bedeutung der Reservistinnen und Reservisten für die Bundeswehr erneut hervor. So heißt es im Bericht, dass eine aktive Reserve „von herausragender Bedeutung für die Aufwuchs- und Durchhaltefähigkeit der Bundeswehr ist. In den vergangenen Jahren tauschten stets zwischen 16.000 und rund 18.000 Staatsbürgerinnen und Staatsbürger für eine kürzere oder längere Zeit ihre zivile Kleidung gegen die Uniform. Im Berichtsjahr waren insgesamt 37.041 Reservistinnen und Reservisten beordert. 2.481 davon waren Frauen. In diesem Zeitraum unterstützten 18.679 Reservistendienst Leistende – beorderte und nicht beorderte – die aktive Truppe in 46.904 Dienstleistungen, deren Dauer sich von einem Tag bis zu 12 Monaten erstreckte. Darunter befanden sich 1.335 Frauen.“
Wo es bei der Grundbeorderung noch hakt
Als zentrales Element für das Herstellen einer einsatzbereiten Reserve wird die Grundbeorderung gesehen. Der Bericht stellt heraus, dass im Jahr 2022 deutlich weniger ausscheidende Soldatinnen und Soldaten grundbeordert wurden, als vorgesehen. Als Gründe hierfür nannte die Bundeswehr insbesondere fehlende ausgebrachte Dienstposten in der der Verstärkungsreserve, auf die Personen beordert werden können. Weitere Gründe waren ein hoher Zeitaufwand für die verwaltungsmäßige Umsetzung einer jeden Grundbeorderung und zunehmenden Mangel an Personalbearbeiterinnen und Personalbearbeitern. Auch fehlende oder unvollständige sanitätsdienstliche Entlassungsunterlagen trugen zu den Verzögerungen bei, weshalb eine elektronische Gesundheitsakte dieses Verfahren deutlich beschleunigen beziehungsweise erleichtern könnte, heißt es im Jahresbericht der Wehrbeauftragten.
Wehrbeauftragte lobt Angebote zur Verstärkung der Reserve
Bezüglich der Stellen für Reservistendienst Leistenden fasst der Bericht zusammen, dass die jährliche Anzahl von 5.000 Stellen Res insbesondere im Hinblick auf die neuen Aufgaben in der Bündnis- und Landesverteidigung nicht ausreichen. „Daher sind die Planungen der Bundeswehr sehr zu begrüßen, die Anzahl der Stellen für die Reserve von im Berichtsjahr 5.000 bis 2027 auf 7.500 zu erhöhen und auf diesem Niveau dauerhaft zu verstetigen“. Besonders positiv im Hinblick auf die Angebote zur Verstärkung der Reserve wird im Jahresbericht der Wehrbeauftragten die gemeinsam vom Reservistenverband und den Landeskommandos der Bundeswehr durchgeführte „Ausbildung Ungedienter“ genannt.
Mangel an Lehrgangsplätzen für Reservistinnen und Reservisten
Laut des Berichtes benötigt eine einsatzbereite Reserve gut ausgebildetes Personal, was entsprechende Ausbildungskapazitäten voraussetzt. „Auch wenn eine systematische Benachteiligung der Reservedienst Leistenden nicht feststellbar ist, muss die Bundeswehr insbesondere angesichts der Steigerung der Anzahl der Stellen Reserve die Ausbildungskapazitäten dringend erhöhen, um leistungsstarke, hochmotivierte Reservistendienst Leistende nicht dauerhaft zu verlieren“.
Schwerpunkt liegt auf der Verstärkungsreserve
Der Jahresbericht zeigt auf, dass die geänderten Regelungen für die Beförderungen von Reservistendienst Leistenden einigen Unmut bei Betroffenen hervorgerufen haben. „Gleichwohl sind diese Anpassungen mit Blick auf das innere Gefüge der Streitkräfte, insbesondere die Gleichbehandlung Reservistendienst leistender Frauen und Männer mit aktiven Soldatinnen und Soldaten nicht zu beanstanden„. Weiterhin wird auf das Thema Ü65 eingegangen. Hier wird festgehalten, dass es der Wunsch vieler Reservistinnen und Reservisten ist, auch über das 65. Lebensjahr hinaus Dienst zu leisten. Die Bundeswehr will an den Regelungen des Soldatengesetzes festhalten und lege den Schwerpunkt auf die in der Strategie der Reserve festgelegte Verstärkungsreserve. Die Wehrbeauftragte verdeutlicht, dass die Kompetenz lebensälterer Reservistinnen und Reservisten wichtig ist und spricht sich dafür aus, in Einzefällen in Erwägung zu ziehen, Dienstleistungen über das 65. Lebensjahr hinaus zu ermöglichen.
Sichtbare Veteranenkultur wünschenswert
Auch die explizite Behandlung der Veteranen der Bundeswehr stellt die Wichtigkeit der Anliegen und Bedürfnisse dieser Personengruppe heraus. Dazu heißt es im Bericht: „Insgesamt wäre es wünschenswert, wenn sich auch hierzulande eine sichtbarere Veteranenkultur etablierte. Hierfür sind stärkere und wirkungsvolle Impulse in der öffentlichen Debatte notwendig.“
Zusammenfassend spricht sich die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags für eine bessere Sichtbarkeit und Verankerung der Bundeswehr mitsamt ihrer Reserve in der Gesellschaft aus. Ausdrücklich bedankt sie sich bei allen Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern, die Freistellungen ihrer Mitarbeitenden ermöglichen. „Das ist für die Reserve existenziell, denn seit Aussetzung der Wehrpflicht sind Reservedienstleistungen freiwillig“.
Die Rückbesinnung auf die Landes- und Bündnisverteidigung erfordere eine verlässliche und einsatzbereite Reserve, die voll aufgestellt, ausgerüstet, aufgefüllt und ausgebildet sein muss, fasst Dr. Högl zusammen.