Im Rahmen der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) hat der Reservistenverband zu einer Podiumsdiskussion eingeladen. Thema: „Schlachtfeld Resilienz? Die Reserve als notwendige Unterstützung für die Streitkräfte“. Hintergrund: Neue Bedrohungen haben zu einer Neuausrichtung der nationalen Verteidigungspolitik und der NATO-Doktrin geführt. In Deutschland und in anderen europäischen Staaten liegt das Hauptaugenmerk künftig auf der Landes- und Bündnisverteidigung – im Gegensatz zur früheren Fokussierung auf Auslandseinsätze.
Zur Stärkung der Streitkräfte und zur Gewährleistung der Nachhaltigkeit wird eine gut ausgebildete und gut ausgerüstete Reserve immer wichtiger. Aufgrund ihrer zivilen Fachkenntnisse und Qualifikationen sowie ihrer langjährigen militärischen Ausbildung können Reservistinnen und Reservisten die Fähigkeiten der Streitkräfte ergänzen und somit in den unterschiedlichsten Missionen, sowohl in NATO- als auch in EU-geführten Operationen, effektiv eingesetzt werden, ebenso zur Katastrophenhilfe im Inland.
Die Reserve als Schlüsselelement zur Durchhaltefähigkeit der Truppe – das ist nicht nur auf NATO-Ebene ein Thema, sondern auch in einem Land, in dem die Bundeswehr seit mehr als 20 Jahren präsent ist: dem Kosovo. Nach einer Gesetzesänderung hat das seit 2008 unabhängige Land das Recht und die Möglichkeit, eine 5.000 Personen starke Armee aufzustellen, dazu kommen 3.000 Reservistinnen und Reservisten, berichtete Premierminister Albin Kurti. Für den Aufbau, die Ausbildung und die Ausstattung strebe man eine enge Kooperation mit den KFOR-Truppen an.
Kosovo im demographischen Vorteil
Die Reserve werde ein Teil der kosovarischen Armee sein, wenn es darum geht, für das Unvorhersehbare zu planen, sagte Kurti. Ähnlich wie in Deutschland soll die militärische Ausbildung ein Teil des Gesamtpakets sein; die Reservistinnen und Reservisten sollen auch in die Lage versetzt werden, im Zivilen zu helfen wie beispielsweise bei Waldbränden oder Überschwemmungen. Zwei Faktoren begünstigen dem Premierminister zufolge den Aufbau einer kosovarischen Reserve: das junge Durchschnittsalter der Bevölkerung mit rund 30 Jahren und ein ausgeprägter Patriotismus.
Auch in Deutschland gewinnt die Reserve an Bedeutung. „Die Reserve wird in Zukunft eine deutlich stärkere Rolle spielen, als manch einer das vor sich gesehen hat“, sagte Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann MdB, Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages. Die Bundeswehr könne personell nur begrenzt wachsen, allein schon deshalb brauche es eine gut ausgebildete Reserve. Insgesamt aber müsse die Bundeswehr sichtbarer werden. „Die deutsche Bevölkerung hat eine sehr seltsame Beziehung bzw. Nicht-Beziehung zu ihren Soldatinnen und Soldaten.“ Die Ukraine-Krise werde jedoch viele junge Menschen für Themen wie Sicherheit, Verteidigung und Friedenserhalt sensibilisieren.
Der europäische Blick
Dass es bei den vielen nationalen Konzepten keine grenzübergreifende Einheitlichkeit gibt, findet Michael Gahler MdEP, außenpolitischer Sprecher der EVP-Fraktion, Mitglied des Auswärtigen Ausschusses und Mitglied des Unterausschusses Sicherheit und Verteidigung, nicht weiter schlimm. Allerdings könne man mehr aus der Reserve herausholen, wenn man mal beim Nachbarn schaut: „Was sind hier die ‚best practices‘? Wie kann ich frühere Soldatinnen und Soldaten für die Reserve begeistern? Es gibt hier nicht den einen Weg, aber gute Gründe, sich mal zu vergleichen.“
Eine Chance, auf europäischer Ebene zusammenzuwachsen, sieht Gahler in der EU-Eingreiftruppe, die der Außenbeauftragte Josep Borrell Ende des vergangenen Jahres vorgestellt hatte. Das Rückgrat seien zwar aktive Soldatinnen und Soldaten, doch wenn diese Rotationen dann gemeinsam stationiert werden, gemeinsame Ausbildungen absolvieren und während dieser Zeit auch noch Sprachkurse besuchen, könnte das eine runde Sache werden.
Ohne Reserve geht es nicht
„Wir stellen fest: Ohne eine starke Reserve kann keine Armee ihre Aufgaben bewältigen“, fasste der Präsident des Reservistenverbandes, Oberst d.R. Prof. Dr. Patrick Sensburg, zusammen. Er führte als Moderator durch die Veranstaltung. Der Vizepräsident des Reservistenverbandes für Sicherheitspolitische Bildung, Oberst a.D. Joachim Sanden, bezeichnete in seiner Anmoderation eben diese Resilienz, die die Reserve gewährleistet, als Schlüsselfaktor, um auf künftige Krisenlagen vorbereitet zu sein. Er dankte dem Vorsitzenden der MSC, Botschafter Prof. Wolfgang Ischinger, und CEO Dr. Benedikt Franke für die Gelegenheit, ein solches „Side Event“ auszurichten. Es war das erste Mal, dass der Reservistenverband auf der großen MSC-Bühne eine solche Veranstaltung ausrichtete.