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Die Strahlkraft einer Brigade

Corporate Identity und Markenkern: Hat das die Panzergrenadierbrigade 41 „Vorpommern“ nötig? Unbedingt, meint deren bisheriger Kommandeur Christian Nawrat. Der Brigadegeneral stieß mit Hilfe des Reservisten und Wirtschaftswissenschaftlers Marcello Camerin einen Prozess an, der im Hinblick auf die Aufträge der Brigade in der Landes- und Bündnisverteidigung eine wichtige Funktion einnimmt.

Panzergrenadiere bei einer Übung auf dem Truppenübungsplatz Jägerbrück bei Torgelow (Mecklenburg-Vorpommern).

Foto: Bundeswehr / Wilke

Panzergrenadiere

Wer am Standort Neubrandenburg seinen 41. Geburtstag feiert, kam bisweilen in den Genuss eines besonderen Vergnügens: Brigadegeneral Christian Nawrat lud Geburtstagskinder, die 41 geworden sind, zum Kaffee ein. 41 – die Zahl der Panzergrenadierbrigade 41. Kaffeetrinken mit dem Kommandeur, ein Zeichen von Offenheit. Bodenständiger geht es nicht. Gute Führung, professionelle Arbeit, eine emotionale Bindung schaffen – Brigadegeneral Nawrat lebte mit dieser kleinen Geste die Leitsätze vor, die sich die Brigade seit seinem Amtsantritt im Januar 2021 erarbeitet hat. Am 18. April übergab Nawrat die Brigade bei einem feierlichen Appell an Brigadegeneral Ralf Peter Hammerstein.

Diese Leitsätze sind das Ergebnis eines Prozesses, an dem Hauptmann d.R. Marcello Camerin maßgeblich beteiligt war. Der Wirtschaftswissenschaftler ist als Value Forschungspartner des Instituts für Betriebsführung (Itb) in der Arbeitsforschung und im Projekt- und Innovationsmanagement tätig. Der Panzergrenadierbrigade 41 half Marcello Camerin, den Fragen nachzugehen, was die Brigade 41 ausmacht, was ihr Markenkern ist und wie sich die Attraktivität der Brigade stärken lässt. Braucht eine Panzergrenadierbrigade überhaupt eine Marke? Warum diskutierten Kommandeure, Kompaniechefs und -feldwebel plötzlich mit Wirtschaftswissenschaftler Camerin über Corporate Identity, Marken und Alleinstellungsmerkmale? Was hat das mit dem Soldatenberuf zu tun?

Gemeinschaftsgefühl schaffen

Eine ganze Menge, meint Brigadegeneral Christian Nawrat. In wenigen Worten zusammengefasst geht es um Kohäsion, das heißt ein Gemeinschaftsgefühl nach innen und nach außen zu schaffen. „Der Prozess hat deutlich gemacht, dass die Verbände der Brigade – insgesamt sechs in drei Bundesländern – ihr Traditionsbewusstsein und ihren Zusammenhalt weiterhin haben sollen. Aber keiner von denen wird in einem hochintensiven Gefecht der Landes- und Bündnisverteidigung alleine bestehen können. Von daher ist die Anbindung an den Großverband notwendig“, erläutert der Kommandeur der Panzergrenadierbrigade 41.

Der Inspekteur des Heeres spricht angesichts der Bedrohung durch Russland von kaltstartfähigen, kriegstüchtigen und kohäsiven Großverbänden. Die Zeitenwende führt gerade brutal vor Augen, wie wichtig der Auftrag Landes- und Bündnisverteidigung geworden ist. Schon 2018 bis 2020 als Leiter des Referats Strategie und Einsatz (früher: SE II 5) im Bundesministerium der Verteidigung hat sich Christian Nawrat mit dem Thema auseinandergesetzt. Damals haben hochrangige Stabsoffiziere wie er und Verteidigungsexperten die Zeichen der Zeit erkannt.

Brigadegeneral Christian Nawrat hat sich seit Januar 2021 als Kommandeur der Panzergrenadierbrigade 41 „Vorpommern” mit der Frage auseinandergesetzt, wie er die innere Kohäsion und das Gemeinschaftsgefühl in seinem Großverband stärken kann. (Foto: Bundeswehr)

Spätestens seit der Annexion der Krim durch Russland hat der nur langsam navigierende Tanker Bundeswehr das Steuer mehr in Richtung Landes- und Bündnisverteidigung gedreht. Der Truppenalltag war allerdings noch geprägt durch den Auftrag Internationales Krisenmanagement. Das heißt, durch die Abstellung von Sechsmonatskontigenten für die Einsätze auf dem Balkan, in Afghanistan und in Mali. Spätestens mit der Zeitenwende kommt das Thema Landes- und Bündnisverteidigung mit voller Wucht auf die Soldatinnen und Soldaten zu. Zwar waren Auslandseinsätze in der Vergangenheit auch immer eine Belastung für die Soldatenfamilien, weil die Mama, der Papa, der Freund oder die Freundin monatelang nicht zu Hause waren. Andererseits gaben die Phasen Einsatzvorbereitung, Einsatz, Nachbereitung und Ruhezeiten im Grundbetrieb eine gewisse Planungssicherheit. Diese Planbarkeit schwindet.

Dafür nehmen die Aufträge für die Bundeswehr trotz der beendeten Einsätze in Afghanistan und Mali zu. Brigadegeneral Nawrat spricht von einer hohen Grundbetriebslast mit ständig wechselnden Aufgaben: Dazu zählen Großübungen wie Allied Spirit, intensive Ausbildung, Verpflichtungen an der NATO-Ostflanke und die Ausbildung der ukrainischen Streitkräfte. Die ständig wechselnden Aufträge erfordern agiles Denken und Zusammenhalt.

Mindset auf Landes- und Bündnisverteidigung ausrichten

Das Beherrschen des hochintensiven Gefechts ist dabei das bestimmende und einende Merkmal. Um kriegstauglich zu sein, braucht es eine gut ausgebildete und ausgerüstete Truppe, einen eingeschweißten Haufen mit ausgeprägtem Wir-Gefühl, und das möglichst nicht nur in der kleinen Kampfgemeinschaft, sondern auch auf der für manchen Soldaten eher abstrakteren Brigadeebene. Ihm sei schon lange vor der Zeitenwende klar gewesen, dass die Reise dort hingehen müsse, sagt Nawrat. Der russische Angriffskrieg habe das Thema nur noch virulenter gemacht. Mit seinem im Jahr 2021 angestoßenen Leitlinien-Prozess konnte Nawrat bereits seine Soldatinnen und Soldaten überzeugen, das Mindset in Richtung Landes- und Bündnisverteidigung zu verändern.

Strahlkraft nach innen und nach außen nennt der Brigadegeneral das. Diese sei bei seinem Antritt vor drei Jahren in Neubrandenburg nicht sehr ausgeprägt gewesen. Er habe die Kommandeure, Kompaniechefs, Spieße und Soldaten gefragt, was ihnen die Brigade 41 bedeute. Die Antworten lauteten: „Das ist der für uns zuständige Großverband.“ Oder: „Da haben wir keinen Bezug zu. Es fehlen größere Übungen.“ Zudem fragte der Brigadekommandeur nach, was die so genannten Werte bedeuten, die in den Dienstzimmern der Vorgesetzten und Fluren hingen. Die Antworten waren hier ebenfalls überschaubar. „An wen sind diese gerichtet, an Soldaten oder Vorgesetzte? Es war eine Ambivalenz spürbar“, beschreibt Nawrat die Situation. Er nahm sich vor, es besser zu machen. Über diese Ergebnisse sprach er anschließend mit dem damaligen Kommandeur des Zentrums Innere Führung, Generalleutnant André Bodemann.

Hauptmann d.R. Marcello Camerin und Brigadegeneral Nawrat präsentieren ein Ergebnis des Leitlinien-Prozesses: die Leitsätze der Panzergrenadierbrigade 41. (Foto: Benjamin Vorhölter)

Dieser erzählte von seinen Erfahrungen als Kommandeur der Panzerbrigade 12, die eine tiefere Verwurzelung in der Region als die Brigade 41 hat. Bei der Frage, wie man die Strahlkraft der Panzergrenadierbrigade 41 nach innen und außen stärken könne, sei der Name Marcello Camerin gefallen. Der Hauptmann d.R. hat für diverse Dienststellen der Bundeswehr Leitlinien entwickelt, Ausbildungskonzepte geschrieben und bei der Ausbildung von Führungskräften mitgewirkt.

Seine Projekte unter anderem im Kommando Heer, im Bundesministerium der Verteidigung und beim Bataillon Elektronische Kampfführung 932 haben seinerzeit das Interesse des damaligen Heeresinspekteurs Jörg Vollmer und des ehemaligen Generalinspekteurs Eberhard Zorn geweckt. „Ich habe jemanden aus der Organisationswissenschaft gebraucht, der einen Perspektivwechsel hereinbringt, der aber auch versteht, wie die Bundeswehr funktioniert und der mit Dienstgraden umgehen kann“, erläutert Nawrat die Entscheidung für Marcello Camerin.

Es sei eine Herausforderung gewesen, eine einheitliche Grundauffassung herauszuarbeiten, auf deren Grundlage Lösungen für eine Markenkernbildung, für neue Leitlinien für die Panzegrenadierbrigade 41 erarbeitet werden konnten, schildert Camerin den Beginn des Prozesses. Im Zentrum habe der Gedanke der emotionalen Bindung gestanden. Wenn eine Soldatin oder ein Soldat in den Nordosten Deutschlands versetzt werde, heiße es oft: „Was soll ich dort? Was gibt es da oben?“ Die Standorte der Brigade in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt oder Schleswig-Holstein werden nicht als attraktiv empfunden. Manche Kameradin und mancher Kamerad haben das Gefühl, es sei eine Strafe, dorthin versetzt zu werden.

Nähe zu Truppenübungsplätzen ist ein Standortvorteil

Am Anfang des agilen Projektmanagement-Prozesses, den Marcello Camerin moderiert hat, stand die Frage, wie man das teilweise schlechte Image der Bundeswehr-Standorte im Nordosten brechen könne. Insofern streifte der Leitlinien-Prozess die Debatte, ob Bundeswehr-Standorte metropolnah sein müssen, um attraktiv zu sein oder nicht.

„Ich kann den Standort nicht verändern, aber schon dafür sorgen, den Ruf des Standortes zu verbessern, dass vernünftige Ausbildung dort funktioniert und die Gesellschaft um diesen Standort dies auch wahrnimmt“, sagt Brigadegeneral Christian Nawrat. Das mache die Marke der Brigade 41 aus, die gute Arbeit vor Ort in die Streitkräfte und in die Gesellschaft zu tragen. Ein Beispiel dafür liefert der Stab der Brigade selbst. Die Zusammenarbeit mit der Garnisonsstadt sei gut. Neubrandenburg mit seinem Oberbürgermeister Silvio Witt sei ein Freund und Förderer der Panzergrenadierbrigade 41, sagt Nawrat. Aus seiner Sicht hat Neubrandenburg genau die richtige Größe als Garnisonsstandort. Sie bietet bezahlbaren Wohnraum, ein nicht zu unterschätzender Standortvorteil, Betreuungsmöglichkeiten für Kinder, und ein attraktives soziales sowie kulturelles Umfeld. Urlaubsregionen an der Ostsee sind zudem in relativ wenigen Autominuten zu erreichen.

Aber auch aus militärischer Sicht hat der ländliche Raum seine Vorteile. Im Nordosten befinden sich mit Jägerbrück und Klietz gleich zwei große Übungsplätze in unmittelbarer Nähe der Brigadeverbände. Das erlaubt es der Brigade, größere Übungen mit weniger Aufwand und Marschbewegungen zu organisieren. Auch für die Reserve ist das ein attraktiver Standortvorteil. In Jägerbrück ist beispielsweise die Infrastruktur vorhanden, die einen kurzfristigen Aufwuchs möglich macht.

Grafik: Marcello Camerin

Eben diese feinen Aspekte, die die Attraktivität eines Standortes ausmachen, haben die Angehörigen der Brigade in mehreren Workshops – moderiert von Marcello Camerin – herausgearbeitet. Bei den Gesprächen über alle Hierarchieebenen hinweg half der Perspektivwechsel, den der Hauptmann d.R. als Organisationswissenschaftler einbringen konnte. Er schaffte ein tieferes Bewusstsein für einen Markenkern der Brigade 41 anhand des Beispiels der Corporate Identity der Bundeswehr und legte dar, wie sich die Leitlinien der Brigade in die Werte des Deutschen Heeres und die Vorgaben der Inneren Führung einbetten. Herausgekommen sind am Ende sieben Leitlinien und eine Broschüre, die den kompletten Prozess der vergangenen drei Jahre zusammenfasst. Darin wird deutlich, wie viel Arbeit außerhalb der Workshops Camerin in das Projekt gesteckt hat. „In Stunden ausgedrückt reichen keine 400 Arbeitsstunden“, sagt er.

Die Leitsätze zu eigen machen

Der Wirtschaftswissenschaftler hat mehr als 1.275 Fragestellungen und Statements und 295 handschriftliche Ergebnisseiten für die Entwicklung der Leitlinien ausgewertet. Zudem hat er ein Modell zur Umsetzung der Leitlinien entwickelt. „Action – Effects – Condition – wer macht was, wofür mit welchem Ziel“, nennt Marcello Camerin die dahinterstehende Systematik, die er gemeinsam mit Kai-Alexander Hoberg, ehemaliger Kommandeur des Bataillons Elektronische Kampfführung 932, seinerzeit einem NATO-Führungsprozess entlehnt habe. Ziel sei es nun, sich die erarbeiteten Leitsätze zu eigen zu machen, sagt Brigadegeneral Nawrat.

Erste Ideen und Ansätze gibt es schon. In den Sozialen Medien verwendet die Brigade den Hashtag #Wirsind41, um ein Wir-Gefühl zu erzeugen. Es gibt Überlegungen für brigadeübergreifende Sportevents, zum Beispiel 41 Kilometer um den Tollensesee laufen oder werteorientierte Sportausbildung. Auch in der politischen Bildung sollen die neuen Leitlinien Niederschlag finden. Dazu sollen in einem nächsten Schritt Multiplikatoren geschult werden. Bis es so weit kommt wird der Brigadegeneral als Director NATO Advisory and Liason Team im Kosovo einen neuen Dienstposten bekleiden. Sein Nachfolger in Neubrandenburg soll Brigadegeneral Ralf Peter Hammerstein werden.

Vielleicht führt er die Tradition des Kaffeetrinkens mit den 41-jährigen Geburtstagskindern fort. „Das Grundgerüst ist da. Es lohnt sich, weiterzumachen. Mir ist wichtig, dass wir bei der Mindset-Frage nicht vergessen: Wir sind keine emotionslosen Maschinen. Wir sind an unsere Heimat, an unser zu Hause gebunden“, sagt Nawrat.


Die Leitsätze der Panzergrenadierbrigade 41

x41: Fähig zu kämpfen – Bereit zu helfen – Wir im Nordosten – so lautet der Markenkern der Panzergrenadierbrigade 41 „Vorpommern”.
1. Wir stehen für eine bodenständige, damit saubere und professionelle Auftragserfüllung im gesamten Aufgabenspektrum der Bundeswehr.
2. Wir beherrschen unsere individuellen Fertigkeiten von den Tätigkeiten des Einzelschützen bis zum Gefecht der verbundenen Kräfte sowie die Aufgaben des Grundbetriebs.
3. Wir stehen fest auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und stehen für deren Werte als Soldat und als Bürger in Uniform ein.
4. Wir verkörpern den Greif durch Wachsamkeit, Reaktionsfähigkeit und zupackende Einsatzfähigkeit. Loyalität, Treue und Fürsorge sind für uns handlungsleitend.
5. Wir stehen dabei fest zueinander und jederzeit füreinander ein. Diese Kameradschaft ist für uns alle jederzeit das stärkste Bindeglied.
6. Wir sind in der Region verwurzelt und überzeugen durch professionelle Präsenz in unseren Garnisonen, in unseren Patengemeinden sowie zu Hause.
7. Wir werden unserer Verantwortung für die Region und für die Auftragserfüllung im Nordosten gerecht.

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