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Diplomaten in Uniform

Militärattachés sind Diplomaten der Bundeswehr. Sie beraten die Botschafter und pflegen die Beziehungen zu den Streitkräften in den Gastländern. Was viele nicht wissen: Auch Reservisten kommen hier zum Einsatz.

Fregattenkapitän d.R. Dr. Volker Pilz (Mitte) repräsentiert die Bundeswehr und Deutschland auf dem diplomatischen Parkett, hier während einer Verwendung in Mexiko.

Foto: privat

Militärattachéreserve

In 154 Botschaften rund um den Erdball unterhält die Bundesrepublik Deutschland diplomatische Beziehungen. 72 von ihnen verfügen über einen Militärattachéstab. Diese bestehen in der Regel aus einem Stabsoffizier als Verteidigungsattaché und Leiter des Stabes sowie einem Büroleiter (ab Hauptfeldwebel aufwärts) und einer Fremdsprachenassistenz (in der Regel eine Ortskraft). Die Militärattachés beraten die Botschafter in allen militärischen Fragen. Zudem pflegen sie die Beziehungen zu den Streitkräften des Gastlandes und vertreten die Interessen des BMVg gegenüber den Verteidigungsministerien und Streitkräften der jeweiligen Nationen.

Bereits kurz nach der Gründung der Bundeswehr im November 1955 wurden Militärattachéstäbe an Botschaften der Bundesrepublik Deutschland aufgestellt. Sie sind integraler Bestandteil der Auslandsvertretungen. Als „Diplomaten in Uniform“ haben die Militärattachés den Auftrag einer kontinuierlichen und sachverständigen Berichterstattung über die militärischen und sicherheitspolitischen Verhältnisse in ihrem jeweiligen Gastland und unterstehen dabei direkt dem Botschafter. Truppendienstlich werden sie vom Streitkräfteamt geführt, fachlich vom Bundesministerium der Verteidigung.

Attraktive Dienstposten für Reservisten

Die Attachéstäbe bieten auch für Reservistinnen und Reservisten attraktive Einsatzmöglichkeiten. „Für Reservisten ist diese Verwendung eine sehr interessante und abwechslungsreiche Nische. Vielen ist jedoch unbekannt, dass ihnen dieser Weg grundsätzlich offensteht. Das wollen wir nun ändern“, sagt Oberstleutnant i.G. Christian Rauwolf. Im Referat MEO I 4 (früher SE I 4) des BMVg kümmert er sich um die deutschen Militärattachéstäbe, hält Kontakt, koordiniert. Bei einem Treffen mit dem Präsidenten des Reservistenverbandes, Oberst d.R. Prof. Dr. Patrick Sensburg, entstand die Idee, interessierte Reservistinnen und Reservisten über diese Möglichkeit der Beorderung zu informieren. Denn eine vorgezeichnete, planbare Laufbahn gibt es in dieser Verwendung nicht. „Häufig sind es vor allem die zivilberuflichen Qualifikationen, die Reservisten für eine Verwendung in der Militärattachéreserve prädestinieren“, sagt Rauwolf. Der Rest ist „training on the job“.

So war es auch bei Fregattenkapitän d.R. Dr. Volker Pilz. Zuletzt unterstützte er von Ende März bis Ende April den Militärattachéstab an der Deutschen Botschaft in Peking. Anlass war der Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz in China. Während Otto-Normal-Bürger zwei Minuten in der Zeitung über einen solchen Staatsbesuch liest oder den 30-Sekunden-Beitrag in der Tagesschau sieht, sind die deutschen Auslandsvertretungen – und damit auch die Militärattachéstäbe – wochenlang mit der Vorbereitung beschäftigt. „Das beginnt beim Einholen von Überfluggenehmigungen und der Parkposition des Fliegers am VIP-Terminal des Flughafens und endet bei der Betreuung der Crew vor Ort“, berichtet Pilz.

Transparenz schafft Vertrauen

Der 54-Jährige ist Jurist und Doktor der Verwaltungswissenschaften. Als er in die Militärattachéreserve kam, war er Geschäftsführer eines politischen Interessenverbandes in Berlin. Zuvor übte er als Stabsoffizier der Reserve unter anderem am Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, wo er militärhistorische Beiträge verfasste und unterrichtete Politik an der Marineschule Mürwik. Durch seine militärische Laufbahn hat er zudem einen Hintergrund im Militärischen Nachrichtenwesen. Ein Fähigkeitsportfolio, das er gewinnbringend einsetzen kann.

Fregattenkapitän d.R. Dr. Volker Pilz sagt: „Das Kennenlernen neuer Länder und Einarbeiten in neue unterschiedliche Themen und Sachverhalte ist interessant und persönlich sehr bereichernd.“ (Foto: privat)

Das Gewinnen von Informationen aus öffentlich zugänglichen Quellen und die Berichterstattung in die Heimat ist das Kerngeschäft des Militärattachés. Dazu sichtet er Presse und Fachzeitschriften, hält idealerweise engen Kontakt zu den Streitkräften des Gastlandes und tauscht sich im internationalen Rahmen mit den Militärattachés anderer Staaten vor Ort aus. Dabei geht es um Austausch und Transparenz. Welche neuen Waffensysteme haben die thailändischen Streitkräfte beschafft? Welche Aufgaben kommen der mexikanischen Armee bei der Bekämpfung der Drogenkartelle zu? Wie ist die militärische Präsenz kanadischer Streitkräfte in der Arktis? Wie geht es weiter bei den Verhandlungen zu einem Code of Conduct für das Südchinesische Meer? Klingt erst einmal trocken. „Auch das gehört zu den Aufgaben. Es ist viel Stabsarbeit. Aber das Kennenlernen neuer Länder und Einarbeiten in neue unterschiedliche Themen und Sachverhalte ist interessant und persönlich sehr bereichernd“, berichtet Pilz.

Panzerringtausch mit Tschechien

Dabei hat er den Finger durchaus am Puls des Weltgeschehens. Während eines Einsatzes an der Deutschen Botschaft in Prag nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine war er unmittelbar in den Panzerringtausch mit dem tschechischen Bündnispartner involviert, der den Ukrainern T-72-Kampfpanzer der Tschechen und den Tschechen Kampfpanzer des Typs Leopard 2 A4 bescherte. Im vergangenen Jahr war er auf Zypern und traf Absprachen mit den lokalen Behörden und Streitkräften, als es darum ging, nach dem Angriff der Hamas auf Israel Strukturen für eine militärische Evakuierungsoperation aufzubauen. In Erwartung eines Flächenbrandes im Nahen Osten wurden deutsche Evakuierungskräfte auf der Mittelmeerinsel vorstationiert, um ggf. deutsche Staatsbürger – eben via Zypern – schnell aus dem Libanon evakuieren zu können. Das waren jedoch Ausnahmesituationen, im Alltag geht es vor allem um die Pflege der Beziehungen zu den Streitkräften des Gastlandes, die Beratung des Botschafters und eben die Berichterstattung an das BMVg. „Auch wenn man eigentlich Soldat ist, trägt man an der Auslandsvertretung üblicherweise Zivil und nur zu Truppenbesuchen oder besonderen Anlässen wie Feierlichkeiten von Nationalfeiertagen anderer Nationen die Uniform“, erklärt Pilz.

Kommunikationstalent ist gefragt

Was sollten interessierte Reservistinnen und Reservisten mitbringen? „Neben der grundsätzlichen Bereitschaft zum weltweiten Einsatz, Erfahrungen im internationalen Umfeld und Interesse an Außen- Sicherheits- und Verteidigungspolitik vor allem die Fähigkeit, sich in das zivile Umfeld einer Botschaft einzufügen,“ sagt Rauwolf. „Darüber hinaus ist es natürlich hilfreich, wenn man sich auch zutraut, protokollarische Aufgaben wahrzunehmen und Deutschland und die Bundeswehr auch auf dem „diplomatischen Parkett“ zu repräsentieren. Gute Fremdsprachenkenntnisse, mindestens der englischen Sprache, sind in diesem Kontext natürlich unverzichtbar.“

„Gerade in Ländern wie Mexiko kommt man ohne Kenntnisse der Landessprache nicht sehr weit“, weiß Pilz aus eigener Erfahrung. Neben Englisch und im Idealfall einer weiteren Fremdsprache wie Spanisch oder Französisch auch noch Thai oder Mandarin zu lernen, wäre vermutlich aber ein bisschen zu viel des Guten. Die Tätigkeit ist anspruchsvoll, aber auch kein Hexenwerk.

Bewerbung

Wer sich für eine Verwendung in der Militärattachéreserve interessiert, kann sich mit einem zivil-militärischen Lebenslauf an das Militärattachéreferat des BMVg wenden: BMVgMEOI4@bmvg.bund.de. Die Bewerbungen sollen bis zum Sommer gesichtet und ausgewertet werden. Geeignete Bewerberinnen und Bewerber sollen dann im Anschluss zu einer Informationsveranstaltung in Berlin eingeladen werden.


Kurz erklärt

Dass es weniger Attachéstäbe gibt als Botschaften begründet sich aus der Bündelung von Aufgaben. So deckt etwa der Stab in Den Haag alle drei Benelux-Staaten ab, der in Mexiko City weite Teile Mittelamerikas oder der in Bangkok den Großteil Südostasiens.

Über den Alltag eines Militärattachés gibt es auch einen sehenswerten Beitrag auf YouTube.

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