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Ein Denkmal auf dem Friedhof

Heute ist Volkstrauertag. An diesem Tag wird der Gefallenen der Kriege und der Opfer von Gewaltherrschaft gedacht. Bundesweit daran beteiligt sind auch zahlreiche Reservistinnen und Reservisten. Jüngst hat sich ein Seminar der Politischen Bildungsstätte Helmstedt unter Teilnahme von Reservisten mit der Geschichte des jüdischen Friedhofs Berlin-Weißensee befasst. Auch an diesem ehrwürdigen Ort findet heute eine Gedenkfeier statt.

Grabsteine gefallener jüdischer Soldaten des 1. Weltkrieges auf dem Friedhof Berlin-Weißensee

(Foto: VdRBw/Nadja Klöpping)

Volkstrauertag

Für unsere Gefallenen steht es da, für sie und gegen keinen.” Mit diesen Worten wurde am 27. Juni 1927 das Ehrenmal für die im Ersten Weltkrieg gefallenen jüdischen Soldaten der Berliner Gemeinde von einem ihrer bekanntesten Rabbiner eingeweiht. Leo Baecks Prägung als Feldrabbiner an der Ost- wie Westfront sind im versöhnlichen Geist seiner Ansprache nach wie vor spürbar. Zu diesem Zeitpunkt konnte er jedoch noch nicht ahnen, welche Schicksalsschläge auf die Juden in Deutschland und andernorts noch warten sollten, aber in einem Punkt bewies er große Hellsichtigkeit: Mit der Denkmalsanlage wurde etwas geschaffen, was bis jetzt die Zeit überdauert hat — etwas für die Ewigkeit.

Wenn die Deutschen einen Schicksalstag haben, dann ist es der 9. November. An diesem Tag riefen Philipp Scheidemann und Karl Liebknecht 1918 die Republik in Deutschland aus. Fünf Jahre später ereignete sich der Hitler-Ludendorff-Putsch in München. Die Reichspogromnacht 1938 und der Fall der Mauer 1989 datieren mit dem 9. November in den Geschichtsbüchern. Diese historischen Ereignisse sind in unserem Gedächntis präsent. Weniger bekannt ist die Geschichte des Ehrenfelds für die jüdischen Kriegsgefallenen des Ersten Weltkrieges in Berlin-Weißensee. Schon mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges sah sich die Berliner Jüdische Gemeinde, die größte des Landes, vor viele Aufgaben und Herausforderungen gestellt. Zu diesen zählte neben allgemeiner seelsorgerischer Tätigkeit, die in finanzielle Nöte geratenen Familien von jüdischen Kriegsteilnehmern zu unterstützen, Kriegswaisen zu versorgen und jüdische Verwundete, gleich welcher Nationalität, zu pflegen und die Toten auf dem Friedhof der Gemeinde nach jüdischem Gesetz zu bestatten. Damit einher ging die Selbstverpflichtung der Gemeinde, der Toten aus ihrer Mitte würdig zu gedenken. Aus diesem Grund wurde schon im Oktober 1914 ein bis dato noch nicht genutztes Areal auf dem 42 Hektar großen Gemeindefriedhof in Berlin-Weißensee zum Ehrenfeld der Gefallenen erklärt und der erste jüdische Kriegstote bestattet. Der erste Planungsentwurf für die Ausgestaltung des Ehrenfeldes datiert auf das zweite Kriegsjahr. Er sah eine von einem Tannenhain umgrenzte, terrassenförmige Anlage vor. Dessen Abschluss sollte ein halbrundes Plateau mit dem Denkmal der Gemeinde bilden. Im September 1915 waren bereits 45 Gefallene auf dem Ehrenfeld bestattet. Ihnen sollten noch 350 weitere der insgesamt 3.500 Kriegstoten der jüdischen Gemeinde Berlin folgen.

Knud Neuhoff, hauptamtlicher Mitarbeiter des Reservistenverbandes im Bereich Sicherheitspolitische Arbeit, führte die Teilnehmer über den Friedhof (Foto: VdRBw/Nadja Klöpping)

Spätestens seit der schimpflichen „Judenzählung“ vom 1. November 1916 wurde den Juden in Deutschland schmerzlich bewusst, dass sie, entgegen der vollmundigen „Burgfriedensrhetorik“ Kaiser Wilhelms II. zu Kriegsausbruch, eben nicht als Deutsche wie andere auch betrachtet wurden. Somit hatte das Gedenken an die jüdischen Kriegstoten mit einem Mal zweierlei Funktion. Neben die allgemeine Trauerarbeit, trat nunmehr auch die Verteidigung gegen die antisemitische Verunglimpfung, Juden seien „Drückeberger“. Aus diesem Grund fanden bereits im Juni 1918 erste Beratungsgespräche der Berliner Gemeinde, welcher hinsichtlich der Ausgestaltung der Denkmalsanlage gewissermaßen eine Vorbildrolle zukam, statt. Zum verantwortlichen Architekten wurde der Gemeindebaumeister Alexander Beer ernannt, der auch selbst Kriegsteilnehmer war.

Die politischen und sozialen Verwerfungen, die das Kriegsende mit sich brachte, ließen einen Baubeginn der Denkmalsanlage scheinbar in weite Ferne rücken. Die Gemeinde sah sich vor weit dringlichere Aufgaben gestellt. Diese waren beispielsweise die Hinterbliebenenversorgung. So wurde im Sommer 1919 konstatiert, dass an eine Realisierung aus Kostengründen nicht zu denken sei. Die rettende Idee, wie das Bauvorhaben doch noch Gestalt annehmen könne, kam vermutlich dem Gemeindebaumeister nur ein knappes Jahr später. Entgegen dem ursprünglichen Entwurf wurde das Areal nicht mit einem Tannenhain, sondern mit einer Mauer aus Rüdersdorfer Kalkstein umfriedet. An deren Rückseite — also dem Friedhofsgelände zugewandt — hatte man 100 Erbbegräbnisstätten geschaffen, mit deren Verkauf die notwendigen Mittel wieder zur Verfügung standen.

Das 1926 errichtete Denkmal erinnert an die 12.000 jüdischen Gefallenen des 1. Weltkrieges (Foto: VdRBw/Nadja Klöpping)

Im August 1924 war die Anlage im Wesentlichen fertiggestellt. Mit der Errichtung des Ehrenfeldes war man seitens der jüdischen Gemeinde Berlins der Ansicht, die traurige Pflicht der Gefallenen und Toten in angemessener Weise zu gedenken, sei erfüllt. Es mehrten sich jedoch die Stimmen, welche die Ansicht vertraten, dass das Ehrenfeld erst mit der Errichtung eines Denkmals vollendet sei. Hier tat sich vor allem der zu Beginn des Jahres 1919 von dem mit Eisernem Kreuz I. und II. Klasse ausgezeichneten Hauptmann der Reserve Dr. Leo Löwenstein gegründete Reichsbund jüdischer Frontsoldaten (RjF) hervor. Im Jahre 1943 wurde er mit seiner Frau, genau wie Alexander Beer, ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert, das er aber, im Gegensatz zum ehemaligen Gemeindebaumeister, überlebte. Das Geld einer ersten Sammlung zur Errichtung des Denkmals unter den Mitgliedern des RjF wurde jedoch durch die Hyperinflation des Jahres 1923 entwertet. Dessen ungeachtet drangen die Veteranen weiterhin auf den Bau, was die Gemeinde wiederum aktiv werden ließ, die 1924 insgesamt 2400 Reichsmark für eine Gedenktafel nach einem Entwurf von Alexander Beer bewilligte. Der Reichsbund vermochte darin jedoch „nicht den gebührenden Dank gegenüber den gefallenen Kameraden erkennen“ und rief zu einer nochmaligen Spendenaktion auf. Nach den Vorstellungen des Reichsbundes sollte im Eingangsbereich des Friedhofes ein zentrales „Reichs-Denkmal“ errichtet werden, das aller 12.000 jüdischen Gefallenen des Weltkrieges gedachte. Dies ließ sich allerdings nicht realisieren und so wurden die bereits gesammelten Gelder für ein Denkmal auf dem Ehrenfeld umgewidmet. Im Jahre 1926 wurde nun endlich auf dem erhöhten Plateau am Ende der Anlage ein Kubus mit altarähnlichem Aufbau, wiederum nach den Plänen von Alexander Beer, von insgesamt drei Metern Höhe errichtet, der auf einem quadratischen Treppenunterbau ruht. An der Vorderseite befindet sich die schlichte Inschrift: „1914-1918. Ihren im Weltkriege gefallenen Söhnen. Die Jüdische Gemeinde zu Berlin“. Auffallend hierbei ist, dass dem Widmungsspruch jegliche nationalen und militärischen Bezüge fehlen und dafür den Charakter der jüdischen Gemeinde als Schicksalsgemeinschaft hervorheben.

Mit der Errichtung des Ehrenfeldes war es der jüdischen Gemeinde gelungen einen Identifikationspunkt zu schaffen, der gleichermaßen politische Aussagekraft hatte. Die jährlich stattfindenden Gedenkveranstaltungen des Reichsbundes — zwischen dem jüdischen Neujahrsfest und dem Versöhnungstag — erreichten demzufolge nie gekannte Besucherzahlen innerhalb der Gemeinde, außerhalb, auch das typisch für die vorherrschende Haltung der Zeit, fanden sie kaum Beachtung. Und so ist es umso erfreulicher, dass sich die Bundeswehr dieser Verpflichtung seit 1995 wieder angenommen hat.

Die zentrale Gedenkveranstaltung zum Volkstrauertag findet im Bundestag statt. Wolfgang Schneiderhan, Präsident des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, General a.D. und früherer Generalinspekteur der Bundeswehr, spricht das Grußwort. Programm und Live-Übertragung ab 13.30 hier.

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