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Aus der aktuellen loyal: Ein Platz für Nazis?

Die Bundeswehr werde von rechtsextremistischen Zirkeln untergraben. So lautet ein immer wiederkehrender Vorwurf von Kritikern. Doch ist das wirklich so?

Auszug aus dem Titelblatt der aktuellen loyal.

Vor einiger Zeit schrieb ein Hauptgefreiter zum Bild eines Wehrmachtspanzers auf Facebook folgenden Kommentar: „Das Gefühl, wenn du mit deinem Tigerpanzer über 20 Nafris (Arbeitsbezeichnung der Polizei Nordrhein-Westfalen für  „Nordafrikanischer Intensivtäter“; Anm. d.Red.) gefahren bist, ist unbezahlbar. Manche Dinge kann man selbst machen, für alles andere gibt es die SS.“ Ein anderer Soldat äußerte sich bezogen auf einen Kameraden dahingehend: „Den kann ich mir gut in der Gaskammer vorstellen!“ Weiter sagte er: „Man müsste hier alle vergasen, scheiß Kanaken.“

Diese Beispiele finden sich im Bericht des Wehrbeauftragten. Sie verherrlichen den Nationalsozialismus, sind rassistisch und ausländerfeindlich. Anders gesagt: Sie sind rechtsgerichtet. Solche Ausfälle gibt es auch am Stammtisch oder im Verein. Dort sind sie allerdings meist ohne juristische Folgen. Bei der Bundeswehr ist das anders: Gegen die Soldaten wurden disziplinarische und staatsanwaltschaftliche Ermittlungen aufgenommen, in deren Folge die Soldaten entlassen wurden.

Rechtsextreme Überzeugungen gibt es nicht nur in der Bundeswehr, sondern in allen Teilen der Gesellschaft. Das belegt die Studie „Gespaltene Mitte – Feindselige Zustände“ aus dem Jahr 2016. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass fast 28 Prozent der Befragten ein „neurechtes Einstellungsmuster“ vertreten. Bei dieser repräsentativen Bevölkerungsbefragung der Friedrich-Ebert-Stiftung wurden gut 1.900 Menschen interviewt. Menschen mit einer neurechten Einstellung vermuten eine Unterwanderung der Gesellschaft durch den Islam und empfinden das politische „Establishment“ als illegitim, verlogen und betrügerisch. Sie fordern eine nationale Rückbesinnung weg von der EU.

Rechtsextremisten fühlen sich von Waffen und Uniformen angezogen

In diesem gesellschaftlichen Umfeld rekrutiert die Bundeswehr ihren Nachwuchs. Es ist kein Geheimnis, dass sich viele Rechtsextremisten von Waffen und Uniformen, klaren Hierarchien und vom Grundprinzip von Befehl und Gehorsam angezogen fühlen. All das bietet das Militär. Vielen Mitbürgern und Medienschaffenden reicht das aus, um die Bundeswehr pauschal als Hort des Rechtsextremismus‘ zu verorten. Besonders auffällig war das im Zuge der Verhaftung von Franco A. im Jahr 2017. Der Oberleutnant hatte sich eine Zweitidentität als syrischer Flüchtling zugelegt, unter der er mutmaßlich Terroranschläge auf politische Vertreter verüben wollte.

Franco A. hatte vier Jahre vor seiner Verhaftung eine Masterarbeit geschrieben, deren Inhalt ein Gutachter der Bundeswehr als „radikalnationalistisch“ und „rassistisch“ bewertete. Durch eine „massive Einwanderung“, so hatte Franco A. darin unter anderem ausgeführt, vollziehe sich an den westlichen Gesellschaften ein „Genozid“. Das ist eine rechtsextreme Argumentation. Doch statt den Fall dem Militärischen Abschirmdienst (MAD), der Verfassungsfeinde in den Kreisen der Bundeswehr ausfindig machen soll, zu melden, stimmten seine Vorgesetzten zu, Franco A. wegen seiner herausragenden militärischen Leistungen zum Berufssoldaten zu machen.

Nach der Verhaftung von Franco A. vermuteten zahlreiche Medien, Politiker und Militärgegner rechtsex-treme Netzwerke in der Truppe. Die „taz“ etwa schrieb im Mai 2017, der Fall Franco A. sei nur die Spitze des Eisbergs und führte zum Beweis entsprechende Internetchats von Soldaten an. Doch juristisch wasserdichte Belege für diese Behauptung gibt es nicht. Ein rechtsextremes Netzwerk in der Bundeswehr konnte bis heute nicht nachgewiesen werden. Im Fall Franco A. hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main inzwischen den Vorwurf der schweren staatsgefährdenden Straftat fallen gelassen. Der Soldat sei nicht fest entschlossen gewesen, tatsächlich Anschläge auszuführen, lautete die Begründung. Derzeit prüft der Bundesgerichtshof, ob diese Entscheidung rechtens war (siehe auch Seite 12). Auffällig ist, dass der Prozess gegen Franco A. noch gar nicht begonnen hat, zahlreiche Medien aber dennoch so über den Fall berichteten, als sei der Soldat bereits als Rechtsterrorist verurteilt.

Mediale Vorverurteilungen

Ein Muster medialer Vorverurteilungen bilden auch die Kommentare zu so gut wie jeder Zahl, die das Verteidigungsministerium zum Thema Rechtsextremismus vorlegt. Im Herbst 2017 hieß es beispielsweise, der MAD habe zwischen  2008 und 2017 rund 200 Soldaten als Rechtsextremisten eingestuft. Das sei, schrieb etwa die „taz“ daraufhin, eine beachtliche Zahl, denn sie umfasse nur jene, die letztlich so auffällig wurden, um gegen sie ermitteln und sie aus der Bundeswehr entlassen zu können. Was aber, so fragte die Zeitung, sei mit den anderen, die mehr oder weniger offen rechtem Gedankengut anhängen?

Dahinter steckt wohl die Annahme, es müsse weit mehr als 200 Rechtsextreme in der Truppe geben, die aber von ihren Kameraden in falsch verstandenem Korpsgeist gedeckt würden. Doch stimmt das? „Die meisten von uns haben primär konservative Werte“, sagt ein hoher Offizier, der seit mehr als 30 Jahren in der Bundeswehr dient. Der weit überwiegende Teil der 180.000 Soldaten stehe fest auf unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung, schreibt der Wehrbeauftragte in seinem Jahresbericht 2018. Ihnen, so sagt es der Offizier, gehe es darum, einen funktionierenden Rechtsstaat aufrechtzuerhalten, der vor allem der Aufgabe nachkomme, die Sicherheit der Bürger nach innen wie nach außen zu gewährleisten. Das könne auch nicht verwundern, denn Soldaten hätten geschworen, „das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen“. Sie seien bereit, im Extremfall ihr Leben und ihre Gesundheit für unser Land zu geben.

Große Bandbreite gesellschaftlicher Vielfalt

In der Bundeswehr gibt es eine große Bandbreite gesellschaftlicher Vielfalt. Dort dienen Deutsche russischer, türkischer, irakischer, vietnamesischer, marokkanischer oder brasilianischer Herkunft gemeinsam. Sie haben zusammen in Afghanistan gekämpft, mehr als 50 Soldaten sind dabei gestorben und mehrere Hundert haben teils schwere Verletzungen davongetragen. Soldaten, egal welcher Herkunft und Religion, verstehen sich als Kameraden, die etwas vereint, was in Deutschland oft mit sorgenvollem Unterton „Korpsgeist“ genannt wird. Korpsgeist macht aus jungen Männern und Frauen unterschiedlicher Herkunft und verschiedenen Glaubens eine eingeschworene Gemeinschaft, ohne die militärische Kampfeinheiten nicht einsatzfähig sind. Für die Kritiker sorgt Korpsgeist jedoch vor allem dafür, dass rechtsex-treme Netzwerke gedeckt werden.

Das zeugt von Unkenntnis der Zustände in der demokratischsten Armee, die Deutschland jemals hatte. Die Bundesrepublik und ihre Streitkräfte haben aus der katas-trophalen deutschen Geschichte gelernt. Mit ihrer Gründung 1955 gab sich die Bundeswehr eine weltweit einmalige „Unternehmensphilosophie“. Das ist die Konzeption der Inneren Führung. Sie bildet die Grundlage für den militärischen Dienst und bestimmt das Selbstverständnis der Soldaten. Dieses Leitbild stellt die Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Frieden, Recht, Gerechtigkeit, Gleichheit und Solidarität, also die Grundwerte der deutschen Verfassung, in den Mittelpunkt der Führungskultur der Bundeswehr. Soldaten sind heute keine bloßen Befehlsempfänger wie im Kaiserreich oder während der natio-nalsozialistischen Diktatur, sondern „Staatsbürger in Uniform“. Ihre Rechte als freie und mündige Bürger gelten auch im Militärdienst mit wenigen Einschränkungen.

Die immer wieder auftretenden Fälle von Extremismus zeigen indes, dass auch ein Leitbild wie die Innere Führung die Bundeswehr nicht vollständig vor linken, rechten oder islamistischen Radikalen schützt. In den 1990er Jahren erließ das Verteidigungsministerium deshalb beispielsweise einen umfassenden Katalog präventiver und reaktiver Maßnahmen zur Abwehr von Rechtsextremisten. Darin wird beschrieben, woran Vorgesetzte rechtsextreme Einstellungen erkennen können. So sei etwa Musik mit gewaltverherrlichenden, rassistischen, antisemitischen oder den Holocaust leugnenden Inhalten ein Indiz für eine verfassungsfeindliche Einstellung, die zwingend verfolgt werden müsse, heißt es darin. Seit Juli 2017 müssen sich zudem alle Bewerber bei der Bundeswehr einer Sicherheitsüberprüfung durch den MAD unterziehen (siehe Seite 20-23). Auf diese Weise soll 
Extremisten aller Couleur der Weg ins Militär verbaut werden.

Niemand kann in den Kopf von Menschen blicken

Das hilft jedoch nicht in jedem Fall. Niemand kann in den Kopf von Menschen blicken. Ob jemand rechts, neurechts oder rechtsextrem eingestellt ist, wird sich durch eine Sicherheitsüberprüfung nicht immer herausfinden lassen. Deswegen werden Vorgesetzte in der Bundeswehr darin ausgebildet, extremistische Tendenzen bei ihren Soldaten zu erkennen. Allerdings ist das mit großen Schwierigkeiten verbunden. Viele Rechtsextreme sind intelligent genug, sich nicht als solche zu erkennen zu geben. Sie wissen, dass ihnen sonst die Entlassung droht.

Hinzu kommt, dass Vorgesetzte heute immer weniger Zeit für ihre Untergebenen haben, um genau hinsehen zu können. Die Ursachen dafür sind vielfältig, aber eines dürfte maßgeblich sein: Die Einführung der Europäischen Arbeitszeitverordnung lässt Vorgesetzten neben Ausbildung, Übung und Einsatz kaum noch Gelegenheit, ihre Soldaten besser kennenzulernen. Überstunden zum Beispiel für geselliges Beisammensein werden kaum noch genehmigt. Stattdessen müssen so gut wie alle Soldaten im Alter über 24 Jahre die Kaserne nach Dienst verlassen. Was die Soldaten abends machen, in welchen Kreisen sie verkehren, bekommt kaum noch ein Vorgesetzter mit.

Einstellungen kann man nicht verordnen

Umso wichtiger ist es, Soldaten die demokratische Verfasstheit, unser politisches System und die Folgen der katastrophalen Militärgeschichte Deutschlands im Dienst zu vermitteln. Das geschieht im Unterricht für politische Bildung. Er findet regelmäßig statt und ist verpflichtend. Doch Einstellungen kann man nicht verordnen oder befehlen. Deshalb kommt es, wie in der Schule, auf die Qualität des Unterrichts an. Es gibt Kompaniechefs, die laden Holocaust-Überlebende oder Rechtsextremismus-Experten ein. Andere leiern nur den Text einer ermüdenden Power-Point-Präsentation herunter.

Im Sommer 2018 gab das Verteidigungsministerium bekannt, seit 2008 insgesamt 128 Extremisten in der Bundeswehr identifiziert zu haben, darunter 15 Linksextre-
misten, 24 Islamisten und 89 Rechtsextremisten. Auffällig ist hier die sprachliche Unterscheidung zu den Anganen aus dem Jahr 2017. Da hatte das Ministerium davon gesprochen, 200 Soldaten als Rechtsextremisten „eingestuft“ zu haben. Ein Jahr später äußerte es, 89 Soldaten seien als Rechtsextremisten „identifiziert“ worden. Was der Unterschied zwischen „Einstufung“ und „Identifizierung“ ist, geht aus den Äußerungen nicht hervor.

Die Ermittlungen gegen Extremisten werden von Militärjuristen, Wehrdisziplinaranwälten, militärischen Vorgesetzten und Feldjägern geführt. Sie vernehmen die Beschuldigten und befragen Zeugen. In besonders schweren Fällen schaltet die Bundeswehr auch die Staatsanwaltschaft ein. Mit Ausnahme des Jahres 2017, dem Jahr der Enttarnung von Franco A., als der Militärische Abschirmdienst (MAD) 343 rechtsextremistische Verdachtsfälle zählte, geben die Zahlen keinen Hinweis auf ein wachsendes Problem der Bundeswehr mit Rechtsextremismus. Im vorigen Jahr waren es nur noch 270.

Überlastung bereitet mehr Sorgen als Migration

Dass die Truppe mit Franco A. einen mutmaßlichen Rechtsextremisten ungestört gewähren ließ, ist unfassbar. Doch es spricht nichts dafür, dass die Bundeswehr pauschal anfällig ist für rechtsextremistische Tendenzen. Richtig ist vielmehr, dass Rechtsextremisten erwarten, in der Bundeswehr auf Gleichgesinnte zu treffen – und oft enttäuscht werden. Allzu häufig treffen sie auf Soldaten, denen die Mangelwirtschaft in ihrer Einheit, die Überlastung durch Einsätze und Übungen sowie zerbrechende Familien mehr Sorgen bereitet als die Migration von Ausländern oder die angeblich schädliche „Genderisierung“ der Gesellschaft. Wie groß diese Sorgen sind, lässt sich seit vielen Jahren in den Berichten des Wehrbeauftragten nachlesen. Sie nehmen dort regelmäßig großen Raum ein.

Rechte Einstellungen gibt es in allen Teilen unserer Gesellschaft. Da unterscheidet sich die Bundeswehr nicht von einem Sportverein. Doch im Gegensatz zu Sportlern sollen die Soldaten Deutschland und seine Demokratie verteidigen, wenn es sein muss, mit dem Leben. Dafür brauchen und wollen sie die Anerkennung der Politiker und der Bevölkerung. Das zeigte gerade erst wieder die jüngst vorgelegte Langzeitstudie des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften zu deutschen Afghanistan-Rückkehrern.

Darin wird deutlich, dass sich die Soldaten nicht als Söldner, sondern als fest verankerter Teil der Gesellschaft und Kämpfer für den demokratischen Rechtsstaat verstehen. Sie erbringen höchsten Einsatz, ernten dafür aber meist Ignoranz und Desinteresse ihrer Mitbürger. So sehen das die meisten Befragten. Dies ist tatsächlich besorgniserregend und mit dem Anspruch einer Parlamentsarmee nicht vereinbar. Dieses Empfinden der Soldaten kann ein Einfallstor für jene sein, die Anerkennung versprechen und einfache Antworten geben.

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